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Franz Tost: «Die Jungen sind anfangs nur Passagiere»

Von Werner Jessner
Franz Tost bei der Präsentation des AlphaTauri-Rennwagens im vergangenen Februar, links Daniil Kvyat, rechts Pierre Gasly

Franz Tost bei der Präsentation des AlphaTauri-Rennwagens im vergangenen Februar, links Daniil Kvyat, rechts Pierre Gasly

​Franz Tost kümmert sich bei AlphaTauri (früher Toro Rosso) um die Ausbildung junger Fahrer. Im zweiten Teil unserer Geschichte geht es um Disziplin und den Grund, wieso eine Formel-1-Lehre drei Jahre dauert.

Franz Tost (64) formt für Red Bull bei AlphaTauri (vormals Toro Rosso) seit 2006 Siegertypen: Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo und Max Verstappen sind bei ihm in die Formel-1-Schule gegangen, und diese Schule ist hart. In «The Red Bulletin» schilderte Tost zu Beginn, wie er bei den Piloten die Spreu vom Weizen trennt. Nun geht es unter Anderem darum, wie wichtig Disziplin für einen aufstrebenden Fahrer ist.

Disziplin und Mortadella
«Dass man sich an Regeln hält, ist Grundvoraussetzung. An der Spitze geht es um etwas viel Schwierigeres: die Kontrolle der eigenen Gefühle und Neigungen. Das ist ein Entwicklungsprozess, und wer es schneller kapiert, wird erfolgreicher sein.»

«Ein Beispiel: Im Qualifying, wo es um die eine schnellste Runde geht, wollen viele Jungs später bremsen. Was passiert? Sie wollen zu viel, verpassen den Scheitelpunkt und verlieren erst recht Zeit oder landen im Kiesbett.»

«Ernährung fällt ebenfalls unter Disziplin. Ernährung ist mir extrem wichtig. So gut eine Mortadella auch aussieht oder schmecken mag: Auf dem Teller meiner Fahrer hat sie nichts verloren. Viele junge Fahrer wissen das nicht, man muss ihnen beibringen, wie sie ihren Körper bestmöglich tunen.»

«Darum ist es wichtig, die Piloten gut zu kennen, viel Zeit mit ihnen zu verbringen, um sie bestmöglich durch die Ablenkungen des Formel-1-Lebens zu leiten. Manche muss man dabei anstacheln, andere eher bremsen. Nur weil es Fahrer A so gemacht hat, muss es nicht auch für Fahrer B richtig sein.»

«Daniel Ricciardo war hinter seinem fröhlichen Wesen ein wahnsinnig disziplinierter, harter Arbeiter, sehr lernfähig, intelligent und fokussiert. So hat er einst seinen sauschnellen Teamkollegen Jean-Éric Vergne geschlagen und ist zu Red Bull Racing aufgestiegen, während Jean-Éric heute Formula E fährt.»

«Carlos Sainz ist durch seine harte Arbeit dem Ferrari Team aufgefallen, für das er ab 2021 fahren wird. Disziplin bedeutet nicht unbedingt, in die Nähe der Fabrik zu ziehen und jeden Morgen um 5.30 Uhr mit mir laufen zu gehen. Jeder muss das tun, was ihn am leistungsfähigsten macht – konsequent.»

Passagiere und Piloten
«Ich will einen Fahrer drei Jahre lang im Team haben. Das erste Jahr vergeht wie im Flug. Junge Fahrer haben keine Chance, Schritt zu halten. Sie hören das nicht gerne, aber am Anfang sind sie bloß Passagiere in der Formel 1, die aufgrund ihrer guten Ausbildung in Kart und kleineren Serien in der Lage sind, Formel-1-Autos zumindest auf der Straße zu halten. Mehr nicht. Der Rest überfordert sie.»

«Sie müssen Informationen aufsaugen und abspeichern, gern auch aufschreiben, wie es Sebastian Vettel gemacht hat. Dieser Grundstock an Wissen ist die Basis für das zweite Jahr, und nun müssen sie nur noch die Neuerungen lernen: ein anderes Auto, Veränderungen im Reglement, eine frisch asphaltierte Kurve. Ich sage ihnen: Es wird niemals einen Punkt geben, an dem sie alles wissen, nicht einmal als altgedienter Mehrfach-Weltmeister.»

«Im zweiten Jahr sollten sie dann auch schon besser mit Marketing und Presse zurechtkommen. Die Gefahr diesbezüglich ist, Fahrer mental zu überfordern. Wir müssen vermeiden, dass sie am Sonntag geistig müde ins Cockpit steigen. Daher gibt es bei AlphaTauri ab Mittwochnachmittag keine Aktivitäten für meine Fahrer. Sie müssen sich konzentrieren.»

«Selbst die unvermeidlichen Samstagtermine für Sponsoren müssen um 20.30 Uhr abgeschlossen sein. Auch wenn der Fahrer dann noch nicht ins Bett geht: Er muss seine mentalen Kräfte bündeln und die Eindrücke verarbeiten.»

«Wer zum zweiten Mal in China oder Australien ist, steckt das bereits leichter weg als beim ersten Mal. Im dritten Jahr muss der Fahrer bereit sein, in ein Top-Team aufzusteigen. Was passiert, wenn jemand seine Grundausbildung zu rasch hinter sich bringt, sieht man an Daniil Kvyat und Pierre Gasly, die jetzt wieder bei uns sind. Der Druck bei Red Bull Racing ist eine ganz andere Nummer, das kann man leicht unterschätzen. Positives Beispiel: Wenn sich Alex Albon im bisherigen Tempo weiterentwickelt, wird er ein Top-Fahrer werden.»

Lesen Sie am 15. Juli in Teil 3: Franz Tost über Liebe und Intelligenz.

Das Neueste aus «The Red Bulletin» finden Sie hier.

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