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Bernie Ecclestone: Ein Mann mit Handschlag-Qualität

Von Günther Wiesinger
Bernie Ecclestone und Fabiana Flosi sind nur noch selten im Fahrerlager der Formel 1 anzutreffen

Bernie Ecclestone und Fabiana Flosi sind nur noch selten im Fahrerlager der Formel 1 anzutreffen

Zum 90. Geburtstag des früheren Formel-1-Zirkusdirektors Bernie Ecclestone werfen wir einen Blick auf die gigantische Lebensleistung des einstigen Strippenziehers der Königsklasse.

Bernie Ecclestone hat fast fünf Jahrzehnte in der Formel 1 regiert und den GP-Zirkus zu dem gemacht, was er heute ist: Eine der erfolgreichsten und lukrativsten Sportbühnen der Welt. Der kleine Brite mit der Pilzfrisur wurde im Zuge der Machtübernahme von Liberty Media zwar 2017 von seinem Thron gestossen. Sein Einfluss auf die moderne Formel 1 ist aber unbestritten.

Als Brabham-Formel-1-Teambesitzer erkannte er in den frühen 1970er-Jahren den Wert dieser automobilen Rennserie – und machte aus ihr eine Goldgrube. Ecclestone begriff als erster Mensch im Motorsport den unermesslichen Wert von TV-Rechten und von Bandenwerbung («signage»). Er riss dann geschickt immer mehr Macht und Einfluss und Deals an sich, denn der Weltverband FIA (mit der Sportabteilung, welche zwischendurch FISA genannt wurde) hinterliess ein Vakuum.

Bernie Ecclestone versammelte die F1-Teams in der Formula One Constructors’ Association (FOCA) hinter sich. Er trat sodann als Sprachrohr des ganzen Startfelds bei den Veranstaltern an und handelte endlich vernünftige Antrittsgelder aus, er verscherbelte die brach liegenden TV-Rechte an die TV-Stationen, diese Beträge hatten bis dahin die lokalen Promoter eingesteckt. Die meisten Organisatoren sträubten sich sowieso gegen TV-Live-Übertragungen, sie fürchteten einen Zuschauerschwund.

Ecclestone, ein Mann mit Handschlag-Qualität, erkannte: Durch weltweite Fernsehübertragungen lassen sich mehr Sponsoren finden, man kann Namensrechte für die Grands Prix verkaufen und die kahlen Pistenränder mit Werbebotschaften zu Geld machen.

Die Teamgründer und Teambesitzer waren damals «Garagisten» wie Ken Tyrrell, John Surtees, Jack Brabham, Frank Williams oder Mo Nunn, sie wollten Rennautos bauen und Rennen fahren, nur Ferrari war als Werk dabei. Niemand kümmerte sich um die Promotion der Rennserie, keiner erkannte deren immensen Stellenwert. Die Veranstalter speisten die Teams gerne mit lächerlichen Beträgen ab.

Ecclestone übernahm das Brabham-Team und verteilte die Einnahmen bald nach einem Schlüssel, den nur er begriff, an die Teams, alle geschäftlichen Vorgänge liefen geheim und klandestin ab. Aber die Rennställe schwammen plötzlich in Geld, vorher waren nur Brosamen für sie abgefallen. Deshalb hüteten sich die Teamchefs vor vorlauten Fragen...

Ich erinnere mich: Frank Williams, arm wie eine Kirchenmaus, rief 1976 vom Flughafen Zürich meinen Journalistenkollegen Dieter Stappert an – und lieh sich von ihm 500 Franken.

1983 hatte Ensign-Chef Mo Nunn beim Österreich-GP für seine Fahrer Cecotto und Guerrero genau einen Ersatzmotor von Cosworth im Lkw. Für die ganze Saison. Später verheizten die Teams 180 Motoren pro Jahr. Zum Beispiel zu Häkkinen-Zeiten bei McLaren Mercedes, als Alex Wurz und Pedro de la Rosa fast Tag und Nacht testeten.

Eine Nase für gute Geschäfte

Ecclestone machte aus Ken Tyrrell, Ron Dennis und Co. wohlhabende Geschäftsleute. Wenn ein F1-Promoter die Gebühren nicht bezahlen konnte, sprang Bernie oft selbst als GP-Organisator ein – auf dem Österreichring, in Spa-Francorchamps und andernorts auch. Er kaufte irgendwann sogar den Circuit Paul Ricard, als dort die einst vorbildliche Anlage dem Verfall preisgegeben war.

Ecclestone führte jahrelangen einen erbitterten Krieg gegen die ehrenamtlichen Funktionäre der FIA und FISA, bis es zum grossen Knall kam. Der Zwist gegen FISA-Präsident Jean-Marie Balestre eskalierte 1982, als Bernie die FOCA-Teams vor dem Imola-GP zum Boykott aufrief – nur die FISA-treuen Teams von Ferrari, Renault, Alfa Romeo, ATS und Osella reisten an, dazu Ken Tyrrell, weil er einen italienischen Hauptsponsor hatte, insgesamt 14 Autos statt wie sonst 31!

Nach diesem FISA-Desaster gab Balestre klein bei, Ecclestone gehörte jetzt die ganze Macht, er kontrollierte als Diktator die Formel 1, aber er liess die Teams finanziell gut leben und liess ihnen ein Mitspracherecht bei den sportlichen und technischen Vorschriften. Niemand muckste auf.

Zehn Jahre später exerzierte Ecclestone noch einmal die Entmachtung eines Weltverbands vor. Diesmal sprang er im Herbst 1991 den Motorrad-GP-Teams zur Seite, er brachte die Teams, Fahrer und Werke hinter sich – und hob die WM der FIM aus den Angeln, indem er die Gründung einer Piratenserie androhte.

Im letzten Moment lenkte die FIM ein, sie verkaufte ihre Macht für 6 Millionen US-Dollar pro Jahr an die Dorna. Ecclestone gründete die Firma Two Wheel Promotions (TWP), bot den Veranstaltern in drei GP-Klassen (125, 250 und 500 ccm) volle Startfelder an und handelte die Gebühren für die Rennen mit ihnen aus. Die WM-Klassen 80 ccm, 350 ccm und Seitenwagen wurden bei dieser Revolution aus dem GP-Programm gestrichen.

Doch Ecclestone erkannte, dass im Zweiradsport nicht so viel Geld steckte wie in der Formel 1. Also verkaufte er TWP nach einem Jahr für 52 Millionen US-Dollar an die Dorna; gegründet hatte er sie mit einer Einlage von 25.000 Pfund.

Bernie Ecclestone roch ein gutes Geschäft sein ganzes Berufsleben lang von weitem. Er rechnete schneller als ein Dutzend Geschäftspartner zusammen.

Irgendwann entpuppte sich die Formel 1 als Milliardengeschäft. Ecclestone führte den Betrieb immer noch hemdsärmelig, er entzog sich jeder Kontrolle durch einen Aufsichtsrat, niemanden störte es.

In finanzielle Not geratene Rennstallbesitzer von Alain Prost über Paul Stoddart bis Peter Sauber bekamen von ihm aus irgendeiner dunklen Kasse Subventionen, das Team von Ken Tyrrell hat Ecclestone im Alleingang über Wasser gehalten. Absegnen liess er sich diese Zuschüsse kaum. Gleichzeitig schleuste er global tätige Konzerne wie BMW, Jaguar, Ford, Porsche, Honda, Toyota, Yamaha, Renault und Mercedes in die Formel 1, früher war Ferrari jahrelang der einzige Automobilhersteller in dieser Rennserie gewesen.

Dann begann der Ärger.

Aus der FOCA entstanden Gebilde wie die FOM (Formula One Management) und SLEC (für die ersten Buchstaben des Namens seiner Ehefrau), aber nach der Scheidung von Gattin Slavica überstieg Ecclestones Finanzbedarf sein Barvermögen bei weitem, er musste SLEC-Anteile verkaufen und neue Partner und Grossaktionäre in Kauf nehmen. 2005 stieg «CVC Capital Partners» in die Formel 1 ein, eine der weltgrössten Private Equity- und Investment-Firmen.

Danach konnte Ecclestone nicht mehr schalten und walten wie in der Vergangenheit. Immer mehr Gremien redeten mit. Die FIA, die Formel-1-Mitbesitzer von CVC, die Werke und die Teams. Bernie selbst verlor an Einfluss.

Der Korruptionsprozess wegen einer mutmasslichen Bestechung von Gerhard Gribkowsky von der BayernLB kratzte 2013 am Image von Ecclestone; er zog sich knapp ein Jahr später mit einer Zahlung über 100 Millionen US-Dollar aus der Affäre.

Als die Formel-1-Rechte schliesslich vom US-Konzern Liberty Media übernommen wurden, war Ecclestones Ära zu Ende. Im Januar 2017 wurde der einst allmächtige Dealmaker in Rente geschickt.

Seither ist es vergleichsweise ruhig geworden um Bernie, der sich nur noch selten im Formel-1-Fahrerlager blicken lässt, in dem er einst alleiniger Herrscher war. Ermüdungserscheinungen zeigt der Baumeister der Formel 1, der heute seinen 90. Geburtstag feiert, deshalb aber noch lange nicht. Bester Beweis dafür ist sein Söhnchen Ace, den seine Ehefrau Fabiana Flosi am 1. Juli 2020 zur Welt brachte.

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