Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Formel-1-Motor: So profitiert Mercedes für die Serie

Von Mathias Brunner
​Der langjährige Serien-Promoter Bernie Ecclestone findet: «Die Formel 1 ist Unterhaltung, sie muss nicht serienrelevant sein.» Die Techniker von Weltmeister Mercedes-Benz sind anderer Ansicht.

Derzeit wird darüber diskutiert, wie die Formel-1-Motorengeneration ab 2025 oder 2026 aussehen wird. Von 2022 an soll die Entwicklung der heutigen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren mit Energierückgewinnung auf Eis gelegt werden. Der langjährige Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone (90) hat dabei wiederholt, was er seit Jahren predigt: «Die Formel 1 muss nicht serienrelevant sein. Die Leute vergessen, dass sie zur Unterhaltungs-Industrie gehört. Die Leute auf den Tribünen interessiert es doch nicht, wie super-effizient die heutigen Motoren sind oder wie viel Leistung aus wie wenig Hubraum gezogen wird.»

Aber der Franzose Jean Todt, Präsident des Autosport-Weltverbands FIA, hat im FIA-Magazin «Auto» festgehalten: «Würden wir sagen, lasst uns wieder Triebwerke verwenden, wie wir sie vor zehn Jahren gehabt haben, dann würden viele Autohersteller nicht mitziehen. Drei von vier Herstellern würden gehen.»

Von wegen die Formel 1 sei nicht serienrelevant: Mercedes-Benz hat erklärt, wie die heute in der Königsklasse verwendete MGU-H künftig in Strassenautos genutzt wird.

An dieser Stelle ein kleiner Einschub: MGU-H steht für «motor generator unit heat», das ist jener elektrische Generator, der Energie am Turbolader sammelt und auch dazu verwendet werden kann, den Lader auf Drehzahl zu halten. Dies ist wichtig, um das Ansprechverhalten des Turbomotors bei niedriger Drehzahl zu verbessern. Das so genannte Turboloch wird so geschlossen.

Die Zukunft von Mercedes-AMG wird elektrisch und verbindet dabei hohe Effizienz mit einem Plus an Fahrdynamik. Um diese Kombination bestmöglich zu realisieren, arbeiten die Affalterbacher Entwickler mit Hochdruck an innovativen Technologien, die das Leistungsniveau auf eine neue Ebene heben.

Mit der nächsten Fahrzeuggeneration hält der elektrische Abgasturbolader Einzug, der mit Technik ausgestattet ist, welche aus der Formel 1 stammt. Sie befindet sich in der letzten Entwicklungsphase und wird künftig in den Serienmodellen eingesetzt.

Diese Technologie, die zusammen mit Partner «Garrett Motion» entwickelt wurde (vormals «Honeywell Turbo Technologies»), stammt direkt aus der Königsklasse und löst den Zielkonflikt zwischen einem kleinen, schnell ansprechenden Lader, der jedoch eine vergleichsweise geringe Spitzenleistung erzielt, und einem grossen Lader mit hoher Spitzenleistung, der wiederum erst verzögert anspricht.

Die Innovation profitiert vom Wissen und der Technologie, die für das «energy recovery system» (ERS) der Formel-1-Motors von Mercedes-Benz entwickelt wurde, ganz besonders bei der MGU-H.

Der Clou dieser innovativen Aufladung: Direkt auf der Laderwelle, zwischen dem Turbinenrad auf der Abgasseite und dem Verdichterrad auf der Frischluftseite, ist ein rund vier Zentimeter schmaler Elektromotor integriert. Dieser elektronisch gesteuerte E-Motor treibt das Verdichterrad an, bevor dieses den Abgasstrom übernimmt.

Die Elektrifizierung des Turboladers verbessert das Ansprechverhalten direkt ab Leerlaufdrehzahl und über den gesamten Drehzahlbereich hinweg deutlich. Das so genannte Turboloch – das verzögerte Ansprechen eines herkömmlichen Laders – wird durch den E-Motor eliminiert.

Die Folge: Der Verbrennungsmotor reagiert spontaner auf Fahrpedalbefehle, das gesamte Fahrgefühl ist deutlich dynamischer und agiler. Ausserdem ermöglicht die Elektrifizierung des Turboladers ein höheres Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen, was die Agilität ebenfalls steigert und das Beschleunigungsvermögen aus dem Stand optimiert.

Mercedes-AMG gibt damit ein Beispiel, für den Technik-Transfer von der Rennstrecke ins Serienauto für die Strasse, indem aufgeladene Verbrennungsmotoren auf ein bislang unerreichtes Agilitäts-Niveau gehoben werden.


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