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Lewis Hamilton und Mercedes: So geht es weiter

Von Mathias Brunner
Toto Wolff und Lewis Hamilton

Toto Wolff und Lewis Hamilton

​Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Lewis Hamilton haben ein neues Abkommen unterzeichnet – erstaunlich spät und nur für ein Jahr, für die Saison 2021. Wie geht es mit dem Erfolgsgespann weiter?

Im Mai 2020, wegen der Corona-Pandemie hatten die Fans noch keinen einzigen Grand Prix erlebt, wurde in britischen Medien behauptet: Lewis Hamilton pokere mit Mercedes um ein Jahresgehalt in sagenhafter Höhe von 50 Millionen Dollar.

Das war der Moment, als dem Ausnahme-Rennfahrer mal kurz der Kragen platzte. Hamilton meldete sich auf seinen sozialen Netzwerken zu Wort: «Die Medien schreiben ständig über einen neuen Vertrag und meine angeblichen Forderungen. Dabei habe ich gar noch nicht mit Toto Wolff gesprochen. Also hören Sie bitte auf, sich Mist auszudenken.»

Immer wieder wurden Gespräche zwischen Hamilton und Wolff verschoben. Zuerst, weil sich in der Formel 1 kein Rad drehte. Danach, weil die Rennen in dichter Folge durchgeführt wurden, mit den ersten sechs WM-Läufen innerhalb von nur acht Wochen.

Später hiess es seitens Mercedes, man wolle sich auf die erfolgreiche Titelverteidigung konzentrieren. Eine siebte Konstrukteurs-Meisterschaft war in Imola am 1. November sichergestellt, Lewis Hamilton machte sich kurz darauf mit seinem grandiosen Sieg in der Türkei zum siebten Mal zum Fahrer-Weltmeister, eine Galavorstellung unter schwierigsten Bedingungen.

Erneut wurde punkto Vertragsverhandlungen darauf hingewiesen, dass viele Rennen auf dem Programm stünden, Toto Wolff sagte, er werde sich zwischen den beiden Rennen von Bahrain mit seinem Champion zusammensetzen. Auch das passierte nicht, weil Hamilton positiv auf Corona getestet wurde. Erste Gespräche begannen vor Weihnachten. Vertiefendes liess auf sich warten: Der Wiener Teamchef seinerseits wurde nun positiv auf Corona getestet und musste in Quarantäne. Wolff leistete sich einen Witz: «Wir haben doch Zeit bis zum ersten GP-Wochenende.»

So weit zu den Verzögerungen. Und die haben gemäss Wolff einen direkten Einfluss darauf, dass Lewis Hamilton bei Mercedes lediglich einen Einjahresvertrag unterzeichnet hat.

Wolff hat das in einer Videokonferenz so erklärt: «Eigentlich wollten wir uns für Verhandlungen zwischen den Rennen von Bahrain hinsetzen, aber dann fühlte sich Lewis nicht gut. Wir haben dann kurz vor Weihnachten mit ersten Gesprächen angefangen. Alles wurde etwas knapp. Also haben wir gesagt – reden wir über die Saison 2022 und darüber hinaus später und machen wir zunächst mal ein Abkommen für ein Jahr, das gibt uns etwas Luft.»

Bei den Verhandlungen drehte sich alles um drei Schwerpunkte: das Gehalt, die Vertragsdauer sowie die Rolle von Hamilton im Daimler-Konzern über seine Rennkarriere hinaus.

Es war davon die Rede, dass Lewis Hamilton auf einen neuen Dreijahresvertrag poche, der ihn um 130 Millionen Dollar reicher gemacht hätte. Soga über eine Gewinnbeteiligung in Sachen TV-Gelder wurde gemutmasst und über ein Vetorecht, was den zweiten Mercedes-Fahrer angehe.

Toto Wolff spricht grundsätzlich nicht über die Gehälter seiner Angestellten. Aber zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen: Der einträglichste Fahrervertrag in der Formel-1-Historie ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Realität unvertretbar.

Denn Toto Wolff sagt: «Wir erleben menschlich, gesundheitlich und wirtschaftlich schwierige Zeiten. Dazu erfindet sich die Autoindustrie derzeit neu, mit Schwerpunkt auf elektrische Mobilität. Dieser Situation war sich Lewis Hamilton immer bewusst. Und er hat dabei Loyalität und Verständnis gezeigt.»

Daimler-Chef Ola Källenius setzt über die kommenden drei Jahre das grösste Sparprogramm der Konzernhistorie um. Der Schwede will zwei Milliarden Euro Personalkosten sparen, die Stuttgarter Zeitung berichtete von 20.000 Jobs, die gestrichen werden. Vor diesem Hintergrund einen 130-Millionen-Dollar-Vertrag mit einem Rennfahrer bewilligen – undenkbar. Ob Hamilton für den Vertrag 2021 wirklich 40 Millionen Dollar erhält, wird nicht kommentiert.

Das Zögern von Mercedes hat zwei weitere Gründe.

Grund 1: Im Dreieck zwischen Formel-1-CEO Stefano Domenicali und seinem Sportchef Ross Brawn, Jean Todt (Präsident des Autosport-Weltverbands FIA) und den zehn Rennställen wird über eine Obergrenze für Fahrergehälter verhandelt. Weitere Sparmassnahmen werden kommen. Es ist der falsche Zeitpunkt, jetzt einen langjährigen, hoch dotierten Vertrag abzuschliessen.

Grund 2: Toto Wolff will sich für 2022 klug alle Optionen offenhalten. Alle Abkommen sind nun gleichgeschaltet – die Verträge von Lewis Hamilton, Valtteri Bottas und George Russell laufen alle Ende 2021 aus.

Einige angebliche Verhandlungsknackpunkte gehören gemäss Toto Wolff in den Bereich Sagen und Märchen: «Es zwar zwischen uns niemals die Rede von einem Mitspracherecht, was den Stallgefährten von Lewis angeht. Und auch nie von einer Gewinnbeteiligung an den TV-Geldern. Ich habe keine Ahnung, woher das alles gekommen ist, das war purer Nonsens.»

Und wie geht es nun weiter?

Fakt ist: Mercedes und Hamilton haben sich dazu entschlossen, eine gemeinnützige Stiftung zu gründen – mit dem Ziel, die Vielfalt und Inklusion im Rennsport zu fördern.

Toto Wolff sagt dazu: «Hier geht es um ein langfristiges Engagement. Lewis und Mercedes unterstützen diese Stiftung zu gleichen Teilen mit einem beträchtlichen Millionenbetrag. Wir wollen uns Projekte aussuchen, welche eine grösstmögliche Auswirkung erzielen. So sollen Schüler aus einem weniger bevorzugten Umfeld gefördert werden, um ihnen die Chance zu geben, in der Formel 1 zu arbeiten.»

Bis zum Sommer 2021 soll Klarheit darüber geschaffen werden, wie es mit Lewis Hamilton und Mercedes weitergehen könnte. Toto Wolff sagt: «Wir haben das bereits im Ansatz diskutiert. Wir haben beschlossen, dass wir ins nicht mehr so viel Zeit lassen werden. Aber alleine unsere gemeinsame Stiftung zeigt, dass es weit über 2021 hinaus eine Allianz und eine Beziehung geben wird.»

Wie also wird passieren?

Lewis Hamilton fährt auf der Höhe seines Könnens. Er will zum achten Mal Weltmeister werden und als erster Formel-1-Fahrer 100 Grands Prix gewinnen. Der Brite hat oft klargemacht, wie scharf er darauf ist, die neuen Rennwagen der Generation 2022 zu fahren. Er weiss: Als aktiver Superstar der Formel 1 erreicht er am meisten Menschen, um auf seine humanitären Anliegen aufmerksam zu machen.

Gleichzeitig erkennt Toto Wolff: Er wird für 2022 keinen besseren Piloten erhalten als Lewis Hamilton. Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen hat gesagt: «Ja, auch andere Fahrer können im Mercedes Rennen gewinnen. Aber Lewis Hamilton ist der Fahrer, der unter ungewöhnlichen Umständen triumphiert – so wie in der Türkei.»

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