Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

F1-Sprint: Brisant, dynamisch - und ein bisschen Fake

Von Andreas Reiners
Der Truck mit den Top 3

Der Truck mit den Top 3

Die Reaktionen im Fahrerlager sind nach dem ersten Sprintrennen der Formel 1 gemischt, unter dem Strich ist der Zusatzfaktor ein echter Gewinn - wenn man behutsam bleibt.

Max Verstappen gibt ein ungewohntes Bild ab. Nach seinem Sieg im ersten Sprintrennen in der Geschichte der Formel 1 grinst er in die Kamera. Dabei sitzt der Niederländer allerdings in einem umgebauten Sponsoren-Truck ohne Seitenabdeckungen und wird damit um die Strecke kutschiert. «Victory Lap» heißt das Szenario.

Der Lorbeerkranz um seinen Hals soll dabei wohl ein bemühtes Relikt aus alten Zeiten darstellen, in Wirklichkeit wirkt das Grünzeug aber eher ein wenig seltsam. Wie auch das leuchtend blaue Gefährt.

Und auch ungefähr so seltsam, wie Verstappen das neue Format findet.

Hamilton: Mehr Dynamik als Aufwertung

«Ich bin glücklich, diese drei Punkte zu holen. Es ist ein wenig lustig und seltsam, wenn man dann hört, dass man die Pole Position eingefahren hat, aber die nehmen wir natürlich», sagte er nach seinem Sieg bei dem 30-minütigen Rennen, der ihm neben den drei Punkten Startplatz eins für das Rennen am Sonntag bescherte.

Mit dem traditionellen Qualifying war am Freitag wiederum die Startaufstellung für das 17-Runden-Rennen, das offiziell «Sprint Qualifying» heißt, ermittelt worden.

Mit auf dem etwas provisorisch und schlecht inszeniert wirkenden Truck saß auch Lewis Hamilton, der im Qualifying noch Schnellster war, die Pole dann aber im Sprint verlor, er wurde, nachdem er den Start verpatzte, Zweiter.

Ihm gefällt das Format gut.

«Schon der Freitag hatte mit dem Qualifying viel mehr Dynamik als ein normaler Tag mit zwei freien Trainings. Ich gebe zu – vielleicht haben wir nicht das spannendste Rennen der Geschichte gezeigt, aber ich bin der Ansicht, ein solches Format wertet das ganze Wochenende auf», sagte Hamilton.

Nicht das spannendste Rennen

In der Tat: Das spannendste Rennen der Geschichte war es nicht. Trotzdem: Ein Rennen bleibt ein Rennen, das Kribbeln vor dem Start, das Potenzial an Chaos, das die Startphase besitzt, dazu die leichte Anarchie einer ersten Runde mit Dramen und Wendungen – alleine schon diese Zutaten, die Aussicht darauf, rechtfertigen den Versuch, den man durchaus als gelungen bezeichnen kann.

Es war noch mehr Würze da, ohne dass an anderer Stelle etwas verloren ging.

Auch die freie Reifenwahl bot einen zusätzlichen Faktor. So haben sich zum Beispiel Fernando Alonso und Kimi Räikkönen für eine weichere Mischung als die Konkurrenz entschieden – und Alonso legte mit seiner ersten Runde ein Meisterstück hin. Er ging von Platz elf ins Sprintrennen und erarbeitete sich für den Grand Prix am Sonntag Startplatz sieben. Auch Räikkönen verbesserte sich um vier Plätze. «Für mich war seine erste Runde das Highlight des ganzen Sprints. Für so etwas alleine würde ich eine Eintrittskarte kaufen», jubelte F1-Sportchef Ross Brawn.

Umgekehrt sorgte der Dreher von Sergio Perez im Red Bull dafür, dass einer der Top-Piloten aus der Boxengasse starten musste – Drama, Baby, wie auch bei Carlos Sainz (Ferrari), der nach einem Rempler von George Russell nur Elfter wurde. Es war eine erste Prise Brisanz und Unberechenbarkeit, die je nach Strecke und Umstände noch ausgebaut werden kann.

Fakt ist: Das Rennwochenende erfährt eine deutliche Aufwertung, für die Fans gibt es nun an allen drei Tagen ein Highlight. Und darum geht es am Ende: um die Fans und ihren Eindruck, ihr Erlebnis. Es geht um eine ehrliche Verbesserung, einen echten Showfaktor und keinen künstlichen Kokolores. Das hat die Formel 1 bis auf den Bohei um die Victory Lap ordentlich hinbekommen. Ja, ein bisschen Fake war dann doch.

Wie fand «Sieger» Verstappen den Sprint sonst? «Man startet mit weniger Sprit, die Autos sind schneller, das macht Spaß. Das habe ich genossen», sagte er.

Euphorisch ist sicher anders, und es gibt sicher Stellschrauben, an denen die Verantwortlichen drehen müssen. Ein Eingriff in das Heiligtum Rennformat kann schnell komplett nach hinten losgehen, weshalb weitere Anpassungen mit Vorsicht gewählt werden sollten.

Zwei weitere Versuche soll es 2021 geben, inflationär sollte es auch 2022 nicht werden. «Wir werden 2022 nichts Fundamentales daran ändern, aber wir werden nach drei Ausgaben des Sprints gewiss am einen oder anderen Ende ein wenig feilen», versprach Brawn: «Wir haben schon eine Ahnung, wo wir überall den Hebel ansetzen wollen. Ich will da nicht auf Details eingehen. Ich weiß aber: Wir können das noch besser machen.»

Fraglich ist zum Beispiel, ob drei, zwei beziehungsweise ein Punkt für die Top drei genug Anreize sind, damit tatsächlich ein ganzes Feld «flat out» geht. Tatsächlich ist auch die Nomenklatur ein Thema im Fahrerlager.

Ein Sprintrennen sollte auch so heißen und nicht Sprint Qualifying. Und die Pole Position sollte es weiterhin für das «echte» Qualifying geben, so der Wunsch, auch der ausdrückliche der Statistiker. Denn bislang gab es die Pole für denjenigen, der auf den Punkt auf der Strecke alles auf den Punkt hinbekam. Wie soll man sonst in Zukunft die besten Qualifier noch sauber vergleichen können?

Vielleicht doch nur fünf Runden?

Mercedes-Teamchef Toto Wolff war noch nicht wirklich überzeugt. «Statt 17 Runden wäre es gut, nur fünf oder acht zu fahren. Das hätte das gleiche Ergebnis ergeben, weil es schwer war, zu überholen und weil niemand ein Risiko eingehen wollte», sagte er.

Hamilton zog bereits erste Lehren und machte konkrete Verbesserungsvorschläge. «Wir sollten einfach einen langen Samstag und einen langen Sonntag fahren, Training 1 und 2 und ein Qualifying am Samstag. Ein Sprintrennen und ein Rennen am Sonntag», sagte er. Also noch komprimierter.

Und vielleicht dann auch ohne Sponsoren-Truck und Lorbeerkranz.

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