Dr. Helmut Marko über Pérez: «Setzen auf Stabilität»
Sergio Pérez wird auch nach der Sommerpause im Red Bull Racing-Auto sitzen, denn es stehen nun Rennen auf Strecken an, auf denen er im Vorjahr gut war und wir setzen auf Stabilität. Er hat auch zwischendurch immer wieder gute Leistungen gezeigt, auch beim letzten Rennwochenende in Spa war er am Samstag als Dritter sehr schnell.
Losfahren durfte er von Position 2 und den Berechnungen zufolge wäre der dritte Platz möglich gewesen. Doch wir haben gesehen, dass die Reifen bei ihm deutlich stärker abgebaut haben. Er konnte nicht pushen und es kam ja auch noch hinzu, dass wir nur zwei Sätze der Medium-Reifen und einen Satz der harten Mischung hatten, während die Konkurrenz zwei Sätze der harten und einen Satz der Medium-Reifen zur Verfügung hatte. Das war vielleicht auch ein entscheidender Punkt.
Pérez muss nicht schneller werden, sondern konstanter. Und er ist angesichts der Alternativen immer noch unsere beste Lösung. Berichte, wonach seine Weiterverpflichtung auf den Wunsch von Liberty Media zurückgeht, dass er in Mexiko fährt, stimmen so nicht. Sie haben sicher den Wunsch, dass er sein Heimrennen bestreitet, aber unsere Fahrer-Wahl richtet sich nicht nach den Intentionen von Liberty.
Wie es mit Liam Lawson weitergeht, werden wir im September bekanntgeben. Dass er in Imola weitere Formel-1-Erfahrungskilometer sammeln durfte, war schon länger geplant. Auch wenn die Konkurrenz ihn gerne quasi leihweise einsetzen würde, dafür steht er nicht zur Verfügung.
Unser Formel-2-Fahrer Isack Hadjar hat in Spa den vierten Sieg in der höchsten Formelsport-Klasse geholt. Er hat ganz klar das Potenzial für die Formel 1. Wir schauen mal, wie sich alles weiterentwickelt, aber er wird sicherlich irgendeine Rolle einnehmen. Es kann etwa sein, dass er so wie Lawson ein Jahr als Test- und Simulatorfahrer absolvieren wird.
Immer am Limit
Max Verstappen schaffte es in Spa nach seiner Startplatzstrafe auf der fünften Position ins Ziel und rückte dann durch die Disqualifikation von George Russell noch auf den vierten Platz vor. Wäre er von der Pole-Position gestartet, die er am Vortag ja erzielt hatte, dann wäre auch ein Sieg möglich gewesen. Aber da er von Startplatz 11 ins Rennen musste, war das schwierig, denn man konnte ja sehen, wie schwierig das Überholen in Belgien war.
Es lag nicht nur an der verkürzten DRS-Zone, es sind die aktuellen Autos, die so viel Abtrieb erzeugen, dass das Hinterherfahren wahnsinnig schwierig ist. Die Vorderreifen überhitzen, und entweder schaffst du einen Überholvorgang in kürzester Zeit, oder du schaffst es nicht, wie man bei Lando Norris gesehen hat.
George Russell schaffte es dank seiner 1-Stopp-Strategie als Erster über die Ziellinie, wurde dann aber disqualifiziert, weil sein Auto 1,5 kg zu leicht war. Die Strategie war so nicht geplant, wie man dem Funkverkehr entnehmen konnte. Für uns wäre eine solche Strategie eher nicht möglich gewesen, ausser der Reifen hätte sich wieder erholt – das weisst du nie genau. Manchmal brechen die Reifen ein und erholen sich dann wieder. Aber dass Russell die richtige Wahl getroffen hat, sieht man auch daran, dass er im letzten Umlauf seine schnellste Runde gedreht hat.
Ich glaube, dass die 1-Stopp-Strategie dazu beigetragen hat, dass sein Auto am Ende zu leicht war. Damit haben sie nicht gerechnet, und da er so lange auf dem gleichen Reifensatz unterwegs war, war natürlich deutlich weniger Gummi drauf. In Spa haben die Fahrer auch nicht die Gelegenheit, auf einer Auslaufrunde noch Gummi aufzusammeln. Da sammelst du gerne auch zwei Kilo auf. Ich weiss nicht, ob die Zuschauer das mitkriegen, dass die Fahrer am Ende immer auf der schmutzigen Spur fahren, damit sie so viel Gewicht wie möglich auf die Reifen packen. Das hatten sie vielleicht auch nicht in der Kalkulation.
Dass man als Formel-1-Team knapp am Gewichtslimit operiert, liegt in der Natur der Sache. Denn zehn Kilo machen drei Zehntel aus – in Spa sind es vielleicht sogar deren vier. Da ist es klar, dass man versucht, so nah wie möglich ans Limit zu gehen. Und wenn dann etwas anders läuft, ist man schon an der Grenze – oder eben sogar darunter.
Intensives Brainstorming
In der Sommerpause ist zwei Wochen lang gar nichts los, das heisst, dass dann keine Arbeit am Auto möglich ist. Wir müssen unsere Probleme lösen und herausfinden, wo der Fehler liegt, denn wir haben die Balance nicht mehr im Auto, wenn man die aktuelle Situation mit den ersten drei Rennen vergleicht. Aber wie schnell das geht, ist schwer abschätzbar. Ich denke nicht, dass in Zandvoort die grosse Lösung kommt. Wir betreiben intensives Brainstorming und haben auch verschiedene Ideen. Aber was wir wie umsetzen, kann ich jetzt noch nicht sagen.
Klar ist: In Zandvoort wird das Qualifying entscheidend sein, denn dort ist das Überholen kaum möglich. Und Max könnte durchaus ein gutes Qualifying gelingen, denn da war er zuletzt ja gut. Wir waren in Österreich die Schnellsten und auch in Spa. In Ungarn fehlten nur wenige Hundertstel – also wir jammern da schon auf hohem Niveau.
Dass sich Carlos Sainz entschieden hat, zu Williams zu gehen, ist nachvollziehbar, denn was wären die Alternativen? Audi wird im nächsten Jahr sicher keine sein, wenn man sich die Erfolge anschaut. Und bei Alpine weiss man nicht, ob sie den Mercedes-Motor bereits 2025 oder erst 2026 bekommen. Ich würde sagen, das war für ihn in seiner Situation noch die beste Lösung.
Es ist natürlich schon tragisch, dass er seine beste Saison bei Ferrari fährt und kein Cockpit in einem Top-Team kriegt. Aber bei Williams müsste etwas vorangehen, er hat dort auch einen starken Motor. Und angeblich hat er ja im Vertrag eine Klausel, die den Ausstieg ermöglicht, sollte ein Angebot von einem deutlich besser platzierten Team kommen.