Formel 1: Mit Blaulicht auf der Autobahn

Kimi Räikkönen ist 45: Der «Iceman» ist unvergessen

Von Mathias Brunner
​17. Oktober 2024: Der Finne Kimi Räikkönen ist 45 Jahre alt. Auf dem Circuit of the Americas (COTA) hat er vor sechs Jahren seinen letzten GP-Sieg gefeiert, hier in Texas ist er auch NASCAR gefahren.

Happy Birthday, Kimi Räikkönen: Der «Iceman» ist an diesem 17. Oktober 45 Jahre alt geworden. Dass wir nun ausgerechnet auf dem
Circuit of the Americas (COTA) zu Gast sind, passt – hier hat der Formel-1-Champion von 2007 seinen 21. und letzten GP-Sieg erringen können, 2018 mit Ferrari; und hier ist er, weitgehend im Ruhestand, NASCAR gefahren.

Zuletzt haben wir Räikkönen in Monza 2024 getroffen, wo er mit seiner ganzen Familie auftrat, samt Robin, der fleissig an seiner Kartkarriere arbeitet. Kimi wurde von den treuen Tifosi auf Schritt und Tritt verfolgt, die Faszination ist ungebrochen.

Sind es wirklich schon fast drei Jahre her, dass Kimi die Formel 1 verlassen hat? In Abu Dhabi 2021 ging in sein 350. und letztes GP-Wochenende. Typisch Kimi, dass er dem ganzen Rummel um seine Person eher distanziert-amüsiert gegenüberstand, auch in Abu Dhabi.

In all den Jahren gab es immer zwei Kimi Räikkönen: Zum Einen den Rennfahrer als öffentliche Person, den «Iceman», der knappe Antworten nuschelte, die längst Kult geworden sind.

Und dann gab es den anderen Kimi Räikkönen, den im kleinen Kreis seiner Rennmannschaft oder privat, einen Kimi, den die Öffentlichkeit viel zu selten erlebt hat, einen Räikkönen mit viel Sinn für Humor und einer emotionalen Seite.

Die kam vor kurzem beim Abschied im Sauber-Rennwagenwerk von Hinwil zum Vorschein, als hunderte Mitarbeiter Spalier standen und Applaus spendeten. Kimi Räikkönen schritt mit Frau und Kid durch die Menschen und hatte feuchte Augen.

Aber bei Medienterminen war Kimi dann wieder ganz «Iceman», seine ganze Körpersprache sagte am Yas Marina Circuit – ich will überhaupt nicht hier sein.

Räikkönen hat einmal gesagt: «Dieses ganze Tamtam, das Drumherum der Formel 1, auf das hätte ich all diese Jahr gerne verzichtet. Schön an meinem Beruf waren immer das Fahren, der Kampf Mann gegen Mann, die Arbeit mit meinem Team – aber sicher nicht in Pressekonferenzen hocken.»

Alfa Romeo schrieb 2021 an die Rückwand der Formel-1-Box die wichtigsten Statistiken von Kimi auf: Weltmeister 2007, 349 Rennen, 21 Siege, 18 Pole-Positions. Aber dort steht auch – durchschnittliche Zeit im Interview-Bereich nach dem Rennen: 45 Sekunden.

Alfa Romeo verabschiedet sich mit einer Sonderlackierung auf der Motorabdeckung: Kimi, wir lassen dich jetzt in Ruhe. Eine Anspielung natürlich an den legendären Funkspruch von Kimi, als sein damaliger Lotus-Ingenieur den Finnen in Abu Dhabi 2012 bat, auf seine Reifen zu achten. Kimi schnaubte zurück: «Lass mich in Ruhe, ich weiss schon, was ich mache.»

GP-Debüt fast verhindert

Ich erinnere mich gut an den Wirbel, den es damals um den Sauber-Rookie Kimi Räikkönen gab. Denn Räikkönen brachte die geballte Erfahrung von exakt 23 Autorennen mit in die Formel 1. Das wäre heute undenkbar.

Teamchef Peter Sauber glaubte nach Testfahrten fest an Kimi, McLaren-Teamchef Ron Dennis hingegen polterte, mit so wenig Rennpraxis sei dieser Räikkönen doch wohl eher eine rollende Gefahr.

Der Formel-1-Führerschein Superlizenz wurde damals nur auf Bewährung ausgestellt, mit dem Vorbehalt, dass er Kimi jederzeit wieder entzogen werden kann.

Aber der Finne eroberte im ersten Rennen in Melbourne gleich den ersten Punkt (als Sechster, damals hatten wir ein anderes Punktesystem), und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass im Sommer ausgerechnet jener Mann Jagd auf Räikkönen machte, der dessen Debüt so hart kritisiert hatte: Ron Dennis. Ab 2002 sass Kimi Räikkönen in einem McLaren.

Hätten Sie es gewusst? Dank McLaren kam Kimi zum Spitznamen «Iceman». Ron Dennis nannte Räikkönen aufgrund seiner kühlen Art zunächst «Ice-Kid», doch das fand wenig Anklang, zumal Kimi ziemlich schnell vom Jungen zum Mann reifte – damit war «Iceman» gefunden, ohne Bindestrich.

Kimi selber liess sich das 2008 auf den linken Unterarm tätowieren und fährt auch mit entsprechendem Schriftzug an der Rückseite seines Helms.

Kimi war schlichtweg die coolste Formel-1-Socke, mit einer globalen Anhängerschaft, nach welcher sich die meisten anderen Piloten nur die Finger lecken können. Seiner Popularität schadete die langjährige Verweigerung sozialer Netzwerke nicht im Geringsten.

«Der unbekannte Kimi Räikkönen» war seine Autobiographie ist ein überaus passender Titel: Der «Iceman» gab über sein Privatleben so gut wie nichts bekannt. Als er – ermuntert von Gattin Minttu Virtanen – bei Instagram einstieg, war das eine glatte Sensation.

Der 21fache GP-Sieger in der Öffentlichkeit: jahrelang sperrig und introvertiert, erst im Winter seiner Karriere bei Alfa Romeo taute er ein wenig auf.

Als Siegfahrer bei McLaren und Ferrari war nach einem Qualifying jeweils Zeit für das beliebte Räikkönen-Bingo: Wie viele der üblichen Stehsätze würde Kimi dieses Mal wohl sagen?

«Das Rennen ist morgen.» Bingo!

«Ich will gewinnen.» Bingo!

«Das wird ein langes Rennen.» Bingo!

«Ich bin enttäuscht.» Bingo!

«Es war schwierig.» Bingo!

Kimi Räikkönen war vielleicht der letzte Formel-1-Pilot, der in der Tradition früherer Haudegen antrat, wie Ex-McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh präzisierte.

Dem Magazin «Motor Sport» sagte Whitmarsh: «Ich kann mich an ein Rennen an Montreal erinnern, das innerhalb von acht Tagen mit jenem in Indianapolis stattfand. Am Sonntagabend teilte Kimi mit, er jette jetzt nach Las Vegas, um mit seinen Kumpels zu feiern. Ich sagte: „Kimi, unterm Strich bist du erwachsen und musst wissen, was du tust. Stell dir einfach mal die Frage: Wenn du in sechs Tagen in Indy die Pole um wenig Hundertstel verhaust, weil die Vorbereitung vielleicht nicht so ideal war, würdest du dir dann nicht in den Hintern treten?“ Er hat gelacht, genickt – und ist dann nach Las Vegas abgehauen.»

In seinem Buch spricht Kimi offen darüber, dass er einmal zwei Wochen lang durchgesoffen hat.

2012 rückte Kimi Räikkönen – damals als Lotus-Fahrer – zum Monaco-GP im Helmdesign des legendären James Hunt aus. Ein Jahr später zeigte Räikkönen den unvergessenen englischen Champion von 1976 mit seinem McLaren auf der Oberseite des Kopfschutzes, 40 Jahre zuvor hatte Hunt in Monaco sein Formel-1-Debüt gegeben.

Räikkönen trug auch ein paar clevere Sprüche und Wortspiele auf dem Helm: «Kimi on the Hunt», Kimi auf der Jagd.

Kimi fand James Hunt immer schon ultra-cool, und Tom Hunt, der Sohn des englischen Formel-1-Champions von 1976, sagte: «Wir fühlen uns geehrt, dass Kimi an meinen Vater erinnerte. Wir danken Räikkönen, den früheren Geist der Formel 1 am Leben zu erhalten.»

Ob Robin Räikkönen eines Tages Formel 1 fahren wird – wer weiss. Kimi sagte: «Er soll einfach Spass haben, er wird zu nichts gezwungen. Mal sehen, wohin das führt.»

Einen Kimi werden wird aber schon 2025 wieder am GP-Start haben: Kimi Antonelli, als Pilot von Mercedes-Benz.

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