Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Webber, Di Resta, Pic, Van der Garde – Tränen nötig?

Von Tom Hunter
Das Fahrerfeld beim WM-Finale 2013 in Brasilien

Das Fahrerfeld beim WM-Finale 2013 in Brasilien

Vier Fahrer der Saison 2013 haben für 2014 keinen Stammplatz mehr erhalten (wollen). Wir sagen, wieso das bei den einen bedauerlich ist und bei den anderen unausweichlich war.

Die Fahrt nach Jerusalem, Sesseltanz, Musical Chairs – das Spiel hat viele Namen, aber das Ergebnis ist immer das Gleiche: Wenn’s drauf ankommt, dann ist immer für einige ein Sitz zu wenig vorhanden. Das trifft auch auf die Formel-1-WM 2014 zu. Beim Schritt von 2013 in die neue Turbo-Ära ist eine Handvoll Grand-Prix-Fahrer ins Straucheln geraten, einige sind gefallen, andere haben einen geschickten Ausfallschritt zur Seite geschafft. Wir sagen, wen wir schon heute vermissen und wem wir ein freundliches Adieu hinterherschicken.

Mark Webber: Von altem Schrot und Korn

Der Australier Mark Webber (37) hat etwas getan, das im Spitzensport selten ist: Er ist von der ganz grossen Bühne abgegangen, bevor er zurückgetreten werden konnte. Webber fand es an der Zeit, den Blutdruckhochtreiber Formel 1 gegen ein Sportwagenabenteuer mit Porsche auszutauschen.

Was Porsche gewinnt, ist ein Verlust für die Formel 1. Wir haben nicht nur einen gnadenlosen Gasgeber eingebüsst, sondern auch einen Mann, der sich seiner selber immer treu geblieben ist und aufgrund seiner Offenheit im GP-Sport grosse Sympathien genoss. Tränenfaktor: hoch.

Paul Di Resta: Zeit für Selbstfindung

Die britischen Kollegen waren sich einig: der DTM-Champion der Saison 2010 würde der neue Button, ja, was sage ich, der neue Hamilton! Und dann? Dann wurde der wortkarge Paul Di Resta in der Formel-1-WM von seinen deutschen Stallgefährten in den Bereich «schlagbar» zurückgestuft. Zuerst von Adrian Sutil, dann von Nico Hülkenberg, dann nochmals von Adrian Sutil.

Die immensen Erwartungen konnte Di Resta selten erfüllen, und das liegt nicht etwa am Talent. Das hat der Schotte zuhauf. Was er offenbar nicht hat, ist die Gabe, Menschen zu motivieren, oder das Verständnis, dass Medienvertreter zu seinem Job gehören wie Datenausdrucke lesen oder aufs Gaspedal treten. Nun fährt er wieder DTM. Es wäre schade, wenn er keinen Weg in die Formel 1 zurückfände. Denn von der reinen Begabung her gehört er in den GP-Sport. Von der Einstellung her bislang nicht. Tränenfaktor: überschauber.

Charles Pic: War da nicht etwas?

Gut, wir wissen, dass die meisten modernen Grand-Prix-Fahrer nicht mehr wie wahre Vollgashelden aussehen. Nicht jeder Racer kann zu den markanten Zügen eines Carlos Reutemann oder Clay Regazzoni reifen. Schliesslich sah ich auch als junger Journalist nie aus wie Robert Redford in «All the President’s Men». Aber glauben Sie mir: Wenn Ihnen auf der Strasse Charles Pic entgegenkommt, dann verrät seine Körpersprache kaum den stählernen Willen eines Bleifussathleten. Sie würden vielleicht eher an einen schüchternen Konzertpianisten denken. Oder an einen Kirchendiener. Und ich finde Körpersprache sagt durchaus etwas über einen Menschen aus.

Wie auch immer – Charles Pic (23) ist nun zwei Jahre lang Formel 1 gefahren (2012 bei Marussia, 2013 bei Caterham), und wenn es nicht den Transportbetrieb seiner Eltern gäbe, hätte ihn keiner verpflichtet. Ein Bezahlfahrer zu sein, ist an sich nichts Unehrenhaftes: Nehmen wir Juan Manuel Fangio, Niki Lauda und Michael Schumacher – Fangio wurde das GP-Abenteuer von der argentinischen Regierung bezahlt, Niki Lauda pokerte mit einer Bank (und gewann), Schumi wurde der Formel-1-Steigbügel von Mercedes gehalten, alles Bezahlfahrer. Damit haben wir kein Problem. Das Problem ist, was man aus dieser Chance macht.

Was genau hat Charles Pic in der Formel 1 hinterlassen, das eine Fortsetzung der GP-Karriere aufdrängen würde? Er hat weder Timo Glock hinter sich gelassen (gut, das ist auch keine leichte Aufgabe), noch hat er Giedo van der Garde in Grund und Boden gefahren (das wäre schon eher machbar gewesen). Pic kämpft derzeit um seinen Verbleiben im GP-Sport als Testfahrer von Lotus. Wenn er das schafft, freuen wir uns für ihn. Wenn er es nicht schafft, geht die Motorsportwelt zur Tagesordnung über. Tränenfaktor: gering.

Giedo van der Garde: Der unvollständige Holländer

Giedo van der Garde hat sich gesichert, was Charles Pic noch nicht ganz eingetütet hat – einen Platz als Test- und Reservefahrer. Nach einem Jahr bei Caterham fand Teamchef Tony Fernandes trotz der McGregor-Millionen (der Chef der Kleiderfirma ist Giedos Schwiegerpapa, wie praktisch!) keinen Platz mehr bei den Grünen. Nach eigenen Aussagen war das seine eigene Entscheidung.

Das Geld fliesst fortan auf die Konti von Sauber. Die haben nun den falschen Holländer unter Vertrag, oder besser: die falsche Kombination. In einer idealen Welt gäbe es nämlich einen Piloten aus den Niederlanden mit dem Talent eines Robin Frijns, dem Feuer eines Jos Verstappen, der edlen Herkunft eines Carel Godin de Beaufort, der Kraft eines Huub Rothengatter, dem Humor von Jan Lammers und der Mitgift eines Giedo van der Garde – aber wir leben eben nicht in einer idealen Welt. Bei Sauber wird seine vierjährige Erfahrung als GP2-Fahrer gerühmt. Leider lautet die Faustregel: Wer überdurchschnittlich talentiert ist, fährt nicht vier Jahre lang GP2. Tränenfaktor: gering.

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