Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

«Vorsicht, Sebastian, dein Rhabarber schmilzt!»

Kolumne von Red Bull Racing Spy
Malaysia war für uns im vergangenen Jahr ein gutes Rennen: Doppelsieg, dazu fünf Mal den Boxenstopp-Rekord gebrochen. Leider sprach alles nur von der Affäre «Multi 21».

Zwischen dem ersten und dem zweiten Training finde ich ein wenig Musse, um über den Malaysia-GP nachzudenken – ich nenne es das klassische Achthemden-Rennwochenende. Es ist ungefähr wie in Kimi Räikkönens Sauna, nur ohne Vodka und Legos. Ich würde zu diesem Zeitpunkt jetzt eigentlich für eine schnelle Kippe hinter die Box verschwinden, aber das ist sinnlos – erstens haben die Malaysier im Fahrerlager bestimmte Rauchzonen vorgeschrieben (wir reden von Holzflächen zwei auf vier Meter, immerhin mit Palmen aufgehübscht) und zweitens wird die Zigarette aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit in Sekundenschnelle labbrig.

Malaysia war für uns im vergangenen Jahr ein gutes Rennen: Doppelsieg, dazu fünf Mal den Boxenstopp-Rekord gebrochen. Leider spricht niemand vom einen wie vom anderen, denn der Malaysia-GP ist vor allem wegen der Affäre namens «Multi 21» in Erinnerung – ein an sich streng geheimer Boxenbefehl unseres Teams, der bald nicht mehr so geheim war und später seinen Weg auf Kaffeebecher und T-Shirts fand.

Die ganze Sache war in der Box ein wenig brenzlig. Unseren Fahrern Mark Webber und Sebastian Vettel war eben ins Auto gefunkt worden, sie sollten es für den Rest des Rennens locker angehen lassen. Aber bald wurde auch uns klar, was sich auf der Rennstrecke anbahnt. Nicht dass es das erste Mal gewesen wäre, dass sich unsere beiden Fahrer etwas in die Haare gerieten, aber selbst für unseren Geschmack war das Ganze etwas zu öffentlich.

Zur Erinnerung für jene, die damals auf Weltreise waren: Vettel ignorierte die Stallorder, quetschte sich an Mark vorbei und gewann den Malaysia-GP. Die Order «Multi 21» bedeutete einfach, dass die Startnummer 2, also Mark, vor der Startnummer 1, Vettel, ins Ziel kommen sollte. Im umgekehrten Fall hätte die Order «Multi 12» geheissen.

Ich würde nicht behaupten, dass die Stimmung nach dem Rennen und unmittelbar vor der Siegerzeremonie unterkühlt war, aber es soll sich um den ersten Fall von Blitzeis-Bildung im Grossraum Sepang gehandelt haben.

Seb hat sich später bei uns entschuldigt. Es wäre übertrieben zu sagen, wir hätten ihn mit einem fetten Schmatzer freudig begrüsst. Einige liessen ihn wissen: hätte er – wie befürchtet – seine Reifen ruiniert und damit unsere Chancen auf einen Doppelsieg oder wäre er Webber gar in die Kiste gerumpelt, dann hätten wir ihn an seinen Ohren an den nächsten Fangzaun gehängt. Gewiss, wir hatten in den vergangenen Jahren gute Autos, aber keiner setzt leichtsinnig einen Doppelsieg aufs Spiel.

Mark war die Ruhe selber, während sein Blick umherschweifte – auf der Suche nach scharfkantigen Objekten. Tobsuchtsanfälle sind nicht so sein Ding, er konzentriert sich lieber auf das Wesentliche. Wir waren etwas beunruhigt und ahnten Schlimmes, als er zum folgenden Rennen in China mit einem Einmillimeter-Marinesoldaten-Haarschnitt auftauchte, aber im Gegensatz zu Mark kam Sebastian ungeschoren davon.

Die Affäre war bedauerlich, weil Sepang wirklich ein tolles Rennen gewesen war – nicht zuletzt mit fünf Weltrekorden bei sechs Boxenstopps. In der Nachbesprechung des Rennens nörgelte der Teammanager dann an jenem Stopp herum, der seiner Meinung nach etwas durchschnittlich gewesen war. Einige beteuern bis heute, dass er zwischendurch so etwas sagte wie «Gudschjob», aber vielleicht war das auch nur ein «Hatschi» oder ein Huster oder ein Räuspern, das ist im Nachhinein etwas schwer zu sagen.

Vor dem Malaysia-GP stellt sich die Frage: Lauert hinter einer Palme ein neues «Multi 21» auf uns?

Nein, Freunde, natürlich nicht, denn wir fahren dieses Jahr ja mit den Nummern 1 und 3. Wir hätten also «Multi 31», wenn überhaupt.

Inzwischen haben auch die letzten Langsamdenker überrissen, was der Code bedeutet, also mussten sich unsere Ingenieure etwas Neues ausdenken.

Die meisten von uns haben Code-Sprache hinter sich gelassen, seit wir nicht mehr in kurzen Hosen zu Baumhäusern hochklettern, wo die doofen Mädchen keinen Zutritt haben und über Schatzkarten gebrütet wird. Aber in der Formel 1 sind Verschlüsselungen so üblich wie in Sepang ein Tag über 30 Grad.

Ich bin also sehr gespannt, was wir dieses Mal zu hören bekommen. Ich hoffe, es handelt sich um etwas Exotisches, etwa in der Art von: «Daniel, das wütende Zebra trägt einen Zylinder.» Oder «Vorsicht, Sebastian, dein Rhabarber schmilzt!»

Aber vielleicht verwirren unsere Jungs die Gegner auch voll und ganz mit einem Satz, bei welchem die Köpfe der Gegner gewiss tüchtig rauchen würden. Denn welche geheimnisvolle Botschaft, so wären sie überzeugt, würde sich hinter einem Funkbefehl verstecken wie: «Seb, hör auf, Daniel zu jagen, du ruinierst deine Reifen ...»

Der «Red Bull Racing Spy» ist ein anonymer Kommentator, der ab und an zur Feder greift, um aktuelle oder frühere Ereignisse (nicht immer bierernst) zu beleuchten.

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