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Pirelli: Belgien-Reifen in Monza – riskante Lösung?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel kommt mit in Fetzen liegendem Hinterreifen an die Box

Sebastian Vettel kommt mit in Fetzen liegendem Hinterreifen an die Box

Pirelli tritt beim schnellsten Rennen des Jahres in Monza mit den gleichen Reifenmischungen an, die beim Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps verwendet wurden.

Reifenhersteller Pirelli will in den kommenden Tagen zuerst die FIA und die Rennställe und dann die Öffentlichkeit informieren, was ihre Untersuchung ergeben hat. Die spektakulären Reifenschäden an den Autos von Nico Rosberg (Training) und Sebastian Vettel (Rennen) sind vom Traditionsunternehmen akribisch untersucht worden. Die Analyse gibt den Mailändern offenbar so viel Gewissheit, dass sie die gleichen Mischungen in den Königlichen Park von Monza bringen wird wie vor knapp zehn Tagen in die Ardennen – mittelhart (weisse gekennzeichnete Flanke) und weich (gelb markiert). Ist das nun selbstsicher oder riskant?

Fakt ist: In Monza sind die Geschwindigkeiten noch höher als in Spa-Francorchamps. Natürlich geht da unter den Formel-1-Fahrern Unbehagen um. Alexander Wurz, Präsident der Fahrervereinigung Grand Prix Drivers’ Association (GPDA) hat festgehalten: «Wenn ein Reifen sich dem Ende seiner geplanten Laufzeit näher, darf das nicht in Form einer explosionsartigen Laufflächenablösung passieren.»

Die Gefahr besteht nicht nur, dass ein Pilot nach einer solchen Explosion wegen unkontrollierbaren Fahrzeugs einen schweren Unfall hat, nachfolgende Piloten könnten auch von Trümmerteilen am Kopf getroffen werden. Welche Konsequenzen das hat, haben wir beim IndyCar-Rennen in Pocono gesehen – die Rennwelt trauert um Justin Wilson.

Wurz verlangte im Namen der Rennfahrer von Pirelli eine restlose Aufklärung und die Einführung aller notwendigen Sicherheitsmassnahmen in Monza. Die Rede ist dabei von einer begrenzten Laufzeit der Reifen. Der Autoverband FIA zeigt sich für eine solche Massnahme offen. Durchaus möglich, dass schon in Italien eine solche Maximallaufzeit eingeführt wird – was Pirelli schon 2013 tun wollte, wie sie bestätigt haben: «Im November 2013 hat Pirelli darum gebeten, ein Maximalzahl an Runden festzulegen, die mit einem bestimmten Reifensatz gefahren werden darf, dies zusammen mit anderen Parametern, was den Umgang mit Reifen angeht. Auf diesen Vorschlag wurde nicht eingegangen.»

Pirelli wird in Monza nicht nur darlegen, wie es zu den Reifenschäden am Ferrari von Vettel und am Silberpfeil von Rosberg kommen konnte. Die Italiener werden auch klären müssen, wieso Ferrari davon sprach, man habe ihnen mitgeteilt – 40 Runden könnten mit der mittelharten Mischung problemlos gefahren werden. Doch der rechte Hinterreifen von Vettel ging nach 28 Runden in Fetzen.

Pirelli sprach daraufhin vom übermässigen Abbau des Reifens, was bei den Rennställen hochgezogene Augenbrauen ergab: das übliche Ergebnis eines Reifenabbaus sind in der Regel steigende Rundenzeiten. Doch davon war bei Vettel nichts zu sehen, der sich gegen den aufrückenden Romain Grosjean wehren musste.
Geforscht wurde bei Pirelli im Entwicklungszentrum von Bicocca.

Dort ist versucht worden, die Bedingungen in Belgien zu simulieren. Aus Italien sickerte durch: trotz wiederholter Simulationen kam es nie zu einem erneuten Reifenschaden wie bei Vettel.

Gleichzeitig sollen jedoch viele Reifen Schnittverletzungen aufgewiesen haben, wie Untersuchungen der aus Belgien zurückgebrachten Walzen ergaben. Hier ist die FIA gefragt: Muss besonders nach einem Rahmenrennen wie GP2 oder GP3 mit vielen Zwischenfällen die Pistenreinigung intensiviert werden?

Schon vor der Veröffentlichung der Erkenntnisse von Pirelli ist klar: Wir sprechen hier nicht von einer simplen Angelegenheit, die nur den Formel-1-Alleinausrüster betrifft – die Reifenfrage geht alle etwas an, Rennstrategen, FIA und Pirelli. Das Leben der Fahrer hängt davon ab.

Während die Monza-Bahn noch schneller ist als die belgische Rennstrecke von Spa-Francorchamps, so sind die Belastungen doch anders: es gibt kaum langgezogene Hochgeschwindigkeitskurven, und es gibt auch keine Kompressionsbelastung wie in der Eau-Rouge-Senke. Der Verdacht: diese Bedingungen, zusammen mit einer für Belgien ungewöhnlich hohen Pistentemperatur sowie mit vielen Trümmerteilen auf der Bahn nach zahlreichen Zwischenfällen in den Rahmenrennen, das alles könnte den Schaden am Wagen von Vettel begünstigt haben.

Beim Reifenplatzer von Rosberg hat Pirelli immer betont, es müsse sich um eine Fremdkörpereinwirkung handeln, die zu einer tiefen Verletzung bis hinunter auf die Karkasse führte, ein strukturelles Problem mit dem Reifen könne ausgeschlossen werden.

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