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Motoren für Red Bull: Entscheidung Ende Oktober?

Von Günther Wiesinger
​Die Red-Bull-Ingenieure betonen, dass bis Februar kein Formel-1-Rennauto gebaut werden kann, wenn die Motorenfrage nicht demnächst geklärt wird. Dietrich Mateschitz will sich noch nicht festlegen.

Am Anfang herrschte Verwunderung. Im Februar 2014 rieben sich die Verantwortlichen bei Red Bull Racing und der Scuderia Toro Rosso verwundert die Augen. Warum war der renommierte französische Renault-Konzern im neuen Turbozeitalter nicht in der Lage, bei den ersten Testfahrten ein fahrbereites Fahrzeug auf die Strecke zu schicken?

Vorübergehend keimte Hoffnung auf. Beim Barcelona-GP 2014 gab sich Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz noch der Hoffnung hin, Renault würde einen erheblichen Teil des Power-Handicaps von rund 80 PS bis zum Österreich-GP im Juni in Spielberg wettmachen.

Daraus wurde nichts.

Später entstand Missmut, Ärger, Enttäuschung. Mit Kritik an Renault wurde nicht gespart. Denn die Franzosen entwickelten zu langsam, mit zu wenig Manpower und zu geringen finanziellen Ressourcen.

Denn die «power units» aus Frankreich wurden 2015 noch unzuverlässiger. Am PS-Abstand zu Mercedes änderte sich nichts. Ferrari holte deutlich stärker und rascher auf.

Red Bull bezahlt für die Triebwerke beider Teams jährlich rund 54 Millionen Euro an Renault. Bisher schauten 2015 bei 14 Grands Prix erst drei Podestplätze heraus – Daniil Kvyat wurde Zweiter auf dem Hungaroring, Daniel Ricciardo Zweiter in Singapur, der Australier Ricciardo darüber hinaus Dritter in Ungarn.

Im Vorjahr feierte RBR noch drei GP-Siege, Daniel Ricciardo wurde hervorragender WM-Dritter.

2015 wurde die Situation mit Renault noch schlimmer. «Die Lage ist hoffnungslos, aber nimmer ernst», nahm Mateschitz das Desaster zwischendurch mit Humor. 

Der Energy-Drink-Hersteller stellt sich bei solchen Gelegenheiten gern die Frage der Sinnhaftigkeit. «Renault nimmt uns nicht nur Geld, sondern auch die Lust und die Motivation», stellte Mateschitz fest. Und weiter: «Wir sind schlechte Edelkomparsen.»

Den Siegeswillen und den Erfolgshunger, der seit zwei Jahren nicht mehr gestillt werden kann, nehmen manche Kritiker anders wahr. Red Bull wird als schlechter Verlierer bezeichnet.

Damit wird man sich abfinden müssen, auch wenn bei den Rückzügen von Firmen wie Alfa Romeo, Jaguar, Cosworth, Toyota und BMW die üble Nachrede ausblieb. Denn solche Entscheidungen werden nicht im Affekt getroffen, es stehen betriebswirtschaftliche Überlegungen dahinter.

Red Bull ist ein Getränkeproduzent, kein ewiges Formel-1-Team wie Williams oder McLaren und kein Automobilhersteller wie Ferrari, Mercedes, Renault oder Honda.

Die Formel-1-Beteiligung ist für die Österreicher ein Marketing-Instrument, ein Vehikel zur globalen Image-Werbung. Wenn ein Rennstall, der in sieben Jahren viermal die Konstrukteurs-WM gewann und dazu zweimal Zweiter war, keine konkurrenzfähigen Motoren mehr erhält, darf man sich freilich über Rückzugsgedanken nicht wundern.

Bei Aussichten auf bestenfalls siebte Plätze ist das Red-Bull-F1-Budget von schätzungsweise 300 bis 400 Millionen Euro dauerhaft schwer zu rechtfertigen.

Didi Mateschitz: «Wir bemühen uns um Motoren»

Red Bull Racing hat das Formel-1-Establishment durcheinander gewirbelt, jetzt schlägt das Establishment zurück.

Red Bull hat den Motoren-Vertrag mit Renault, der 2016 einschloss, gekündigt. Macht man das, wenn man unbedingt weiterfahren will und keine sinnvolle Alternative auf dem Tisch hat?

«Wir bemühen uns um Motoren, aber wir kriegen keinen. Zumindest nicht den, den wir wollen», erklärte Dietrich Mateschitz heute gegenüber SPEEDWEEK.com.

Stehen die Zeichen also auf Rückzug der beiden Formel-1-Teams?

«Die Voraussetzung fürs Weitermachen sind konkurrenzfähige Motoren», lautet die Antwort des erfolgreichen Unternehmers.

Ein Rückzugs-Dementi hört sich anders an.

Denn Mercedes kommt nicht in Frage, Honda macht exklusiv mit McLaren weiter, Ferrari will keine 2016-Werksmotoren herausrücken.

Bei Toro Rosso brennt zeitlich der Hut. Die Ingenieure des Junioren-Teams betonen, es sei inzwischen unmöglich, das 2016-Fahrzeug rechtzeitig für die ersten Februar-Testfahrten fertigzustellen, weil bisher das Triebwerksfabrikat nicht bekannt ist und deshalb nicht mit den CAD-Zeichnungen und der Konstruktion begonnen werden kann. Man habe in diesem Jahr wegen der problematischen Renault-Aggregate vor dem ersten Rennen auch nur 500 km getestet, entgegnet Dietrich Mateschitz. «Irgendwann Ende Oktober», lautet seine letzte Frist für einen Motorenvertrag.

Bernie Ecclestone ist sich bewusst, dass ein Verlust der beiden RB-Teams schmerzlich wäre. Das Formel-1-Feld würde 2016 nur noch 18 Autos umfassen.

Aber bisher zeichnet sich nicht ab, dass Ferrari einen potenziellen Titelrivalen mit den bestmöglichen Kraftquellen versorgen will. Dann hätte ja Sebastian Vettel gleich bei Red Bull bleiben können.

Und: Wie soll es Ferrari jetzt logistisch noch stemmen, vier zusätzliche Autos mit den aufwändigen «power units» auszurüsten? Es müsste längst Material für mindestens zehn bis zwölf zusätzliche Antriebseinheiten bestellt werden, es müssten zahlreiche neue Techniker engagiert werden.

Erinnern wir uns: Als Aufwand und Ertrag nicht mehr stimmten, hat Dietrich Mateschitz das NASCAR-Projekt beendet, er hat Ende 2002 die Sponsorship mit dem Red Bull-WCM-Yamaha-500-Team nicht mehr erneuert, weil Yamaha keine 990-ccm-Viertakter liefern wollte, auch die Red Bull Air-WM wurde für drei Jahre still gelegt, um ein neues Management zu installieren, die Fluggeräte sicherer zu machen und mehr Schauplätze zu finden.

Die grüne Formel 1 als Irrweg

«Einen Nachteil von 80 PS kann kein Chassis und kein Fahrer kompensieren», hielt Red-Bull-Chef Mateschitz kürzlich ernüchtert fest.

Und es geht nicht nur um das Motorenthema. Die Formel 1 ist in ihrer aktuellen Konstellation keine Erfolgsgeschichte. Selbst Ecclestone bezeichnete die Meisterschaft kürzlich als «beschissen». Diese Rennserie ist zu technologisch geworden, zu langweilig, die Autos haben keinen kernigen Sound mehr, die «grüne Formel 1» von FIA-Präsident Jean Todt hat sich als Irrweg erwiesen, die Hybrid-Technik stellt sogar den Weltkonzern Honda vor unlösbare Probleme.

Wie auch immer in den nächsten Wochen entschieden wird: Red Bull wird dem Motorsport in vielfältiger Weise verbunden bleiben – in der DTM, bei den Sportwagen, bei der Dakar-Rallye, bei der WRC mit dem VW-Werksteam, bei allen Aktivitäten von KTM bis zum gemeinsamen MotoGP-WM-Einstieg 2017, bei der Partnerschaft mit HRC und Repsol im Honda-Werksteam mit Marc Márquez und Dani Pedrosa, mit dem Red Bull-Rookies-Cup und so weiter.

Übrigens: Von den vier aktuellen Formel-1-Piloten hat nur Ricciardo einen kugelsicheren Vertrag für 2016. Die anderen jungen Piloten (Daniil Kvyat, Max Verstappen, Carlos Sainz) sind über langfristige Verträge an Red Bull gebunden, wie Motorsportchef Dr. Helmut Marko erklärt hat.

Am Standort von Red Bull Racing in Milton Keynes existiert zum Beispiel auch die Firma «Advanced Technology», die regelmässig Fremdaufträge in den Bereichen Aerodynamik, Motoren und so weiter übernimmt.

Dazu werden bei Red Bull längst Szenarien überlegt, welche Aufgaben die Mitarbeiter von RBR und STR im Falle eines Formel-1-Rückzugs per Saisonende 2015 übernehmen könnten.

«Das wäre das erste Mal, dass wir keine alternativen Ideen hätten», sagt Didi Mateschitz.

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