Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Motoren: Österreich liegt zwischen Baku und Mexiko

Von Mathias Brunner
Arbeit im Renault-Motorenwerk von Viry-Châtillon

Arbeit im Renault-Motorenwerk von Viry-Châtillon

​SPEEDWEEKipedia: Leser fragen, wir finden die Antwort. Heute: Wie wirkt sich die Höhe über Meeresspiegel auf die Turbomotoren aus? Wo liegt da der Red Bull Ring gemessen an den Extremen in der Formel 1?

In loser Reihenfolge gehen wir in Form von «SPEEDWEEKipedia» auf Fragen unserer Leser ein. Dieses Mal will Katja Christen aus Olten wissen: «Der Österreich-GP wird doch in den Bergen der Steinermark ausgetragen. Ich möchte gerne wissen: Wie wirkt sich die Höhe über Meeresspiegel auf die Turbomotoren aus? Und wo liegt da der Red Bull Ring gemessen an den Extremen in der Formel 1?»

Fangen wir hinten an: Das Spektrum reicht von 28 Metern unter dem Meeresspiegel in Baku (Aserbaidschan) bis zu jenen 2250 Metern über Meer, die das Atmen in Mexiko-Stadt erschweren – den Menschen und den Motoren. Spielberg als Heimat des Red Bull Ring liegt dazwischen, mit 660 Metern über Meer.

Als die Formel 1 im vergangenen Jahr nach 23 Jahren Dörnröschenschlaf nach Mexiko-Stadt zurückkehrte, machten sich die Motortechniker so ihre Sorgen. Klar haben die Teams Simulationsprogramme, einige Hersteller betreiben sogar Prüfstände in Klimakammern, um Bedingungen wie in Mexiko zu simulieren. Aber nichts ersetzt das echte Fahren.

Jahrelang galt die Rennstrecke von Interlagos als der grosse Motoren-Würger: Mit rund 800 Metern über Meer war die brasilianische Traditionsbahn der höchstgelegene Grand-Prix-Kurs. Die Faustregel gilt: Wenn weniger Sauerstoff für den Verbrennungsvorgang zur Verfügung steht, sinkt die Motorleistung. Ingenieure kalkulierten mit einem Leistungsverlust von einem Prozent je 100 Meter Höhe. Das heisst: In Brasilien produzieren die Triebwerke etwa acht Prozent weniger Leistung als in Monaco. Das heisst auch: In Mexiko würden wir von einem Leistungsverlust von mehr als einem Fünftel sprechen, da liegen wir bei rund 160 PS – just jene Power, die heute von der Energierückgewinnung geliefert wird.

Für die Techniker der neuen Turbo-Generation war Mexiko ein Schritt ins Unbekannte. Viele von ihnen waren nicht in der Formel 1 tätig, als der GP-Sport noch in Mexiko zu bestaunen war.

Lorenzo Sassi von Ferrari sagte: «Die dünnere Luft führte bei den einstigen Saugmotoren zu einem markanten Leistungsverlust. Mit dem Turbo kannst du das kompensieren. Das Mehr an Boost bezahlst du aber mit weniger Leistung aus der Energierückgewinnung.»

Rémi Taffin von Renault meinte: «Aufgrund der dünnen Luft werden die Motoren unter ganz besonderen Bedingungen betrieben, Bedingungen, die ein anderes Gesamtpaket in Sachen Kühlung erfordert. In Mexiko geht es darum, zu optimieren, was du hast.»

Anders gesagt: Die Motoren sollen die gleiche Leistung bringen, haben aber gewissermassen Probleme beim Atmen. Die dünnere Luft senkt den Luftwiderstand (daher die hohen Topspeed-Werte), erschwert aber die Kühlung. Gleichzeitig wird die Drehzahl des Turbos beschleunigt, um den Leistungsverlust zu kompensieren. Das führte zu Fragezeichen bezüglich der Standfestigkeit. Die meisten Motorhersteller drehten ihre Lader mit rund 100.000/min, vom Reglement her erlaubt wären 125.000/min. Erst mit der Zeit wagten sich die Spezialisten von Renault, Honda, Ferrari und Mercedes an solche Grenzen, um nicht die Zuverlässigkeit zu kompromittieren.

Im Mexiko-GP 2015 erwiesen sich die Befürchtungen dann als unbegründet: Von den 20 Autos schied nur ein Wagen wegen eines Motorproblems aus – Fernando Alonso wusste schon vor dem Rennen, dass es ein Problem mit dem Generator gibt, der am Turbolader Energie sammelt. Er drehte aus Respekt für die mexikanischen Fans eine Runde und kam dann an die Box zurück. Alle anderen Renner fuhren ohne ersichtliche Triebwerksprobleme ins Ziel.

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