Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Allan McNish: «Das sind die Sorgen von Ferrari»

Von Vanessa Georgoulas
Allan McNish: «Das Tempo-Defizit ist geblieben, doch nun kommen die roten Renner auch nicht mehr so zuverlässig ins Ziel»

Allan McNish: «Das Tempo-Defizit ist geblieben, doch nun kommen die roten Renner auch nicht mehr so zuverlässig ins Ziel»

Für Ex-GP-Pilot Allan McNish ist klar: Hinter den Mercedes-Spitzenreitern hat sich das Kräfteverhältnis verändert. Erster Verfolger der Silberpfeile sei nicht mehr Ferrari, sondern Red Bull Racing.

Der Blick in die Ergebnislisten der jüngsten sechs Grands Prix ist für Allan McNish Beweis genug: «Red Bull Racing hat Ferrari als ersten Verfolger der Silberpfeile abgelöst», ist der Ex-GP-Pilot überzeugt. Tatsächlich rangiert in dieser Liste hinter Weltmeister Lewis Hamilton, der seit dem Barcelona-Lauf stolze 110 WM-Zähler sammeln konnte, gleich Red Bull-Eigengewächs Max Verstappen mit 77 Punkten.

Ferrari-Star Sebastian Vettel musste sich in den Rennen von Barcelona, Monaco, Kanada, Aserbaidschan, Österreich und Grossbritannien mit 65 Punkten begnügen, das reicht nur für den vierten Platz hinter WM-Leader Nico Rosberg und vor Daniel Ricciardo, der trotz viel Pech nur einen WM-Zähler weniger als der Heppenheimer erntete.

McNish rechnet vor: «Sebastian hat seit dem Rennen in Barcelona zwölf Punkte weniger gesammelt als der Teenager, der in Spanien bei seinem ersten Einsatz für das Red Bull Racing-Team gleich einen Sieg holen konnte. Zusammengerechnet haben Ricciardo und Verstappen 13 WM-Zähler mehr als das Ferrari-Duo Vettel und Kimi Räikkönen geholt.»

Der 46-jährige Schotte zählt auf: «Das ist eine Folge mehrerer Faktoren: So konnte Red Bull Racing mit der neuen Ausbaustufe des Motors, die Ricciardo seit dem GP in Monte Carlo und Verstappen seit dem darauffolgenden Wochenende in Kanada im Heck haben, deutliche Fortschritte erzielen. Hinzu kommt, dass Ferrari-Zugpferd Vettel von der eigenen Technik eingebremst wurde. Gleich mehrmals liess ihn die Standfestigkeit seines Dienstwagens in Stich. Und Ferrari schaffte es auch nicht, ein konstantes Tempo aus dem Renner zu kitzeln.»

McNish fährt fort: «In den vergangenen Jahren war die Standfestigkeit eine der Stärken von Ferrari. Auch wenn das Auto nicht schnell war, so glänzten die Renner aus Maranello doch durch ihre Zielankünfte. Diese sorgten auch dafür, dass Vettels Vorgänger Fernando Alonso zwei Mal um den WM-Titel mitkämpfen konnte. Das Tempo-Defizit ist geblieben, doch nun kommen die roten Renner auch nicht mehr so zuverlässig ins Ziel. Vettel hatte gleich mehrere Probleme mit dem Getriebe, und das ist aktuell eine der Hauptsorgen von Ferrari.»

Und der dreifache Le Mans-Sieger erklärt: «Das war bisher ein schwieriges Jahr für Ferrari, was sich auch in den letzten Grands Prix zeigt. Im Kanada kämpfte die Scuderia um den Sieg mit, doch in Silverstone war das Team aus Maranello wieder nirgends. In Baku und Österreich lag die Leistung irgendwo dazwischen.»

McNish kennt auch den Grund dafür: «Der Ferrari hat nur ein schmales Arbeitsfenster: Wenn die Reifen auf Betriebstemperatur gebracht werden können, stimmt auch die Performance. Wenn nicht, dann kommt die Scuderia auf keinen grünen Zweig. Eines der grössten Probleme von Ferrari besteht darin, dass die Leistung ausgerechnet im Qualifying nicht stimmt.»

«Ich glaube nicht, dass dies nur daran liegt, dass Ferrari nicht genug Abtrieb hat», sagt der 16-fache GP-Pilot. «Das ist ein Faktor, doch bei der Aerodynamik geht es nicht darum, Bestwerte zu erzielen, sondern im Schnitt der Beste zu sein. Was bringt dir ein Bestwert, wenn das Auto als Folge davon so unberechenbar wird, dass der Fahrer nur 80 Prozent des Potenzials abschöpfen kan. Autos müssen bei allen Bedingungen und jedem Wetter funktionieren, auf allen Strecken und Reifenmischungen. Die besten Autos kombinieren viel Abtrieb mit einem grossen Arbeitsfenster.»

McNish räumt auch unumwunden ein: «Dieses Problem hat nicht nur Ferrari. Auch Force India ist in den engen, langsamen Ecken gut unterwegs, bekundet aber Probleme mit schnellen, ineinander übergreifenden Kurven. Williams hingegen hat auf Strecken mit wenig Grip sehr grosse Schwierigkeiten, wie wir in Monaco gesehen haben, und auch wenn es kalt und nass ist. Er betont aber auch: «Ferrari hat einen ganz anderen Anspruch und auch ein Budget, von dem die kleinen Teams nicht einmal zu träumen wagen.»

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