Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Nach Ferrari, Red Bull: Rosberg (Mercedes) mit Halo

Von Mathias Brunner
​Formel-1-Weltmeister Mercedes-Benz wird in Spa-Francorchamps das dritte GP-Team, das mit dem Kopfschutz Halo (Heiligenschein) ausrückt. Nico Rosberg fährt im ersten freien Training einen Test.

Ferrari hat vor der Formel-1-Sommerpause in Silverstone eingelöst, was schon für das GP-Wochenende von Österreich versprochen gewesen war: Ein Fahrversuch mit dem neu geformten Kopfschutz Halo (Heiligenschein).

Die zweite Version des Kopfschutzes Halo (Heiligenschein) ist im ersten freien Training zum britischen Grand Prix ausgeführt worden. Am Ferrari von Sebastian Vettel. Eigentlich war dieser Versuch schon vor einer Woche auf dem Red Bull Ring in der Steiermark geplant, musste dann aber wegen verschiedener Probleme bei Ferrari verschoben werden.

Am Red Bull Ring war der Bügel lediglich bei statischen Versuchen benützt worden, einen Fahrer aus dem Wagen zu holen. Ein Ferrari-Mechaniker spielte Testpuppe. Anwesend waren das medizinische Fachpersonal des Red Bull Rings sowie Vertreter des Autoverbands FIA. Ausprobiert wurde in Österreich, den Piloten trotz aufgesetzten Bügels aus dem Wagen zu holen, was nicht ganz reibungslos verlief. Der Halo ist über einen Bolzen mit dem Chassis verbunden. Es dauerte rund zehn Minuten, den Mechaniker aus dem Wagen zu holen.

Der Plan von Ferrari, Sebastian Vettel schon im freien Training von Österreich mit dem Titanbügel auf die Bahn zu schicken, wurde vereitelt: Zunächst gab es Probleme mit dem Dienstwagen des vierfachen Formel-1-Champions, dann nahte eine Gewitterfront. Da hat die Scuderia andere Prioritäten als den Halo.

Der Testlauf – um zu erkennen, wie die leicht geänderte Bügelform die Sicht des Piloten beeinträchtigt – ist mit gemischten Ergebnissen zu Ende gegangen. Seb sagte: «Die Sicht nach vorne ist okay, selbst wenn du diese Strebe im Sichtfeld hast. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Sicht nach schräg oben, auch wenn wir natürlich nicht ständig in den Himmel gucken. Ich weiss nicht, wo die Forschung da genau steht. Der Sinn und Zweck ist allen klar. Aber wir brauchen mehr Fahrversuche.»

Anderes berichtete Red Bull Racing-Testfahrer Pierre Gasly. Der Franzose fuhr ebenfalls in England zwei Installationsrunden, in Deutschland sagte der Formel-1-Sicherheitsdelegierte Charlie Whiting dazu: «Er fand das Gefühl klaustrophobisch.»

Ob sich auch Nico Rosberg eingeschlosssen fühlt, werden wir am kommenden Freitag, 26. August erfahren: Dann nämlich rückt der deutsche Mercedes-Fahrer als vierter Fahrer (nach Räikkönen, Vettel und Gasly) mit einem Halo aus. Dieses Mal wird es darum gehen, wie der Heiligenschein die Sicht beeinträchtigt, wenn es auf einer Piste bergauf und bergab geht. Spa-Francorchamps ist dazu prädestiniert.

Es ist geplant, dass der 19fache GP-Sieger zu Beginn des ersten freien Trainings auf der belgischen Traditionsrennstrecke zwei bis drei Runden zurücklegt, um sich ein Bild zu machen.

Auch Force India will offenbar mit dem Halo ausrücken.

Halo: Was bisher geschah

Die erste Version wurde des Halo im vergangenen März im Rahmen der Wintertests in Barcelona präsentiert, damals handelte es sich um eine reine Attrappe aus Kohlefaser. Die die neue Ausgabe des Halo wurde deshalb in seiner Form leicht verändert, weil bei Versuchen der FIA-Sicherheitsspezialisten der Helm des Piloten mit den Streben in Berührung gekommen ist.

Die reglementarischen Schritte vor der Einführung eines Halo: Vorschlag der Arbeitsgruppe an die Strategiegruppe, Abstimmung dort, dann Abstimmung der Formel-1-Kommission, Abnicken durch den FIA-Weltrat.

Sollte sich jemand querlegen, hätte die FIA ein entscheidenden Ass im Ärmel: Änderungen aufgrund der Sicherheit kann der Autoverband ohne Zustimmung der üblichen Gremien umsetzen. Aber das ist nach dem Veto der Strategiegruppe vor dem Hockenheim-GP nicht passiert. FIA-Präsident Jean Todt will sich nicht mit den Rennställen und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone zugleich anlagen, der sich wiederholt gegen die Einführung des Halo ausgesprochen hat.

Und was wird aus dem Aeroscreen, der Schutzscheibenlösung von Red Bull?

FIA-Sicherheitsexperte Laurent Mekies bestätigt: «Was mich angeht, so ist die Entwicklung des Aeroscreen nur eingefroren. Wir hatten die besagte Deadline, und wir hätten uns schwer getan, zwei verschiedene Konzepte rechtzeitig fertig zu bringen. Wir kamen zum Schluss: Mit dem Aeroscreen schaffen wir das einfach nicht. Aber wenn wir den Halo fertig haben, dann bin ich sicher, dass wir uns das nochmals sehr genau anschauen. Das Aeroscreen-Konzept ist für mich nicht erledigt.»

Noch immer ist der Anblick des Bügels nicht nur für Traditionalisten schwer verdaulich: Elegant sieht anders aus, von der Bordkamera gesehen, wirkt der Halo klobig und wie ein Fremdkörper.

Aber wir werden früher oder später um die Einführung eines solchen Systems nicht herumkommen. Sky-Formel-1-Experte Marc Surer: «Stell dir vor, der Halo wäre für die kommende Saison umsetzbar, die FIA legt das alles aber auf Eis, und dann haben wir erneut einen schweren Unfall mit Kopfverletzungen oder gar einem toten Fahrer. Jeder würde doch der FIA zum Vorwurf machen: „Ihr hattet eine Lösung bereit, aber ihr habt sie nicht eingeführt.“ Der Kopf ist einfach der letzte Teil des Piloten, der in modernen Autos nicht so geschützt ist wie der restliche Körper.»

Williams-Technikchef Pat Symonds: «Aus ästhetischer Sicht ist der Halo äusserst fragwürdig, es sieht einfach wie eine Notlösung aus. Aber Sicherheit muss einfach wichtiger sein als Eleganz. Lieber eine hässliche Lösung jetzt als gar keine Lösung – und dann ist es bei einem weiteren schlimmen Unfall zu spät. Sollten wir untätig bleiben und haben erneut einen Toten, dann wird das einfach nicht zu rechtfertigen sein. Mir selber wäre eine Lösung wie von Red Bull vorgeschlagen lieber.»

Vor dem Grossen Preis von Deutschland in Hockenheim hat die so genannte Strategiegruppe die Einführung des Halo für 2017 verschoben. Die FIA bestätigte kurz darauf: «Die Strategiegruppe hat einstimmig entschieden, dass 2018 einen Cockpitschutz eingeführt wird. Angesichts des engen Zeitrahmens wird es als ratsam eingeschätzt, den Rest des Jahres und den Beginn der kommenden Saison für weitere Versuche zu verwenden. Das schliesst zahlreiche Versuche im Rahmen der freien Trainings ein. Während der Halo derzeit die bevorzugte Kopfschutzlösung ist, ist die Strategiegruppe der Ansicht, mehr Entwicklungszeit könnte zu einer kompletteren Version führen.» (Der Aeroscreen von Red Bull. M.B.) Der Halo bleibt eine starke Option für 2018.»

Es ist der Wunsch der FIA, dass noch 2016 alle Rennställe den Halo mindestens einmal am Auto haben, um den Piloten ein besseres Urteil zu erlauben. McLaren-Honda zeigte den Halo am eigenen Wagen bei einem Ausstellungsfahrzeug am Goodwood Festival of Speed. Es ist noch nicht klar, wann Fernando Alonso oder Jenson Button damit auf einer GP-Bahn ausrücken.

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