Formel 1: Max Verstappen muss zuschauen

60 Jahre Formel V: Die hohe Kunst des Schiebens

Kolumne von Rainer Braun
​Zum 60-jährigen Bestehen der Formel V gibt es hier zehn Kurzgeschichten zum Staunen und Schmunzeln, Episode 6: Wie der Schiebetrick das Ergebnis vieler Rennen verzerrte.

Als die Europäer 1968 zu ihrem ersten Formel V-Ländervergleich gegen die USA im Oval von Daytona antraten, wurde schnell klar, warum sie mit Pauken und Trompeten untergingen – die US-Piloten beherrschten die drehzahlförderliche Schiebetechnik perfekt.

«Unsere Niederlage in Daytona hatte auch was Gutes», resümierte Kaimann-Chauffeur Erich Breinsberg damals, «immerhin haben wir gelernt, wie man Schiebezüge organisiert.»

Sogleich praktizierten die Österreicher den Windschatten-Express auch auf europäischen Rennstrecken mit dem Resultat, dass sich die ebenso fragwürdige wie nicht ganz ungefährliche Art des Wettbewerbsvorteils schnell ausbreitete.

Allerdings brauchte es zur Umsetzung des Systems Pisten mit längeren Geraden, wie etwa Salzburg, Hockenheim oder Nürburgring.

Zwischen zwei und maximal vier oder fünf Fahrer verabredeten sich vor den Rennen zu einem Schiebe-Verbund, in dem jeder durch leichtes Auffahren an den Vordermann «ankoppelt» und so lange wie möglich unter Vollgas am anderen kleben blieb.

Durch den über mehrere Rennwagen verlängerten Windschatten erhöhte sich die Drehzahl bis zu 500 Umdrehungen, was rund 10-15 km/h beim Topspeed ausmachte.

Ein perfekt organisierter Schiebezug konnte nahezu jeden alleine an der Spitze fahrenden Ausreißer wieder einfangen und gnadenlos abhängen. So mancher alleine vorneweg fahrende Superstar verlor noch auf den letzten Metern vor der Zielflagge drei, vier, fünf oder noch mehr Plätze.

«Grundvoraussetzung ist absolute Disziplin im Zug», wusste Schiebe-Spezialist Harald Ertl einst zu berichten, «man darf sich möglichst nicht gegenseitig überholen und muss sich auf die Jungs, mit denen man sich da einlässt, blind verlassen können.»

Das war auch bitter nötig, denn so mancher Schiebzug endete mit einem deftigen Massenunfall, weil es innerhalb des «Tatzelwurms» (so nannten es die Österreicher) Fehlreaktionen oder Missverständnisse gab.

Vor allem kurz vorm Ziel, wo dann jeder jeden doch noch schnell überholen wollte.

Weil die Schiebetechnik immer öfter ganze Titelkämpfe verfälschte und zudem im Laufe der Zeit auch nahezu alle anderen Markenpokal-Rennserien erfasste, erließen die Sportbehörden ein generelles Schiebeverbot. Allerdings hielt sich da kaum jemand dran. Abseits einsehbarer Streckenabschnitte wurde munter weiter geschoben, was das Zeug hielt.

Kollege Ertl war übrigens derjenige, der in der letzten Runde beim Schieben mit dem Vordermann gern mal tief in die Trickkiste griff. Und das ging so: Dem Vordermann im Windschatten mit leichtem Überschuss gerade so ans freiliegende Ende des Schaltgestänges fahren, dass der Gang rausspringt – und schon hatte er wieder einen Platz gut gemacht auf dem Weg zur Spitze. Auch dieser fiese Trick fand schnell Nachahmer.

Konkurrent Helmut Bross formulierte es mal so: «Mit Harald Ertl zu fighten, hat eigentlich immer Spaß gemacht. Zwar war er ein gnadenloser Trickser und hat mir mit seiner Getriebenummer so manchen Platz oder gar Sieg geklaut, aber er war nie gemeingefährlich wie leider ein paar andere Zeitgenossen.»

Kaimann-Rennstallchef Kurt Bergmann beendete Ertls Getriebetrick alsbald mit der Anbringung einer robusten Schutzvorrichtung, die das Schaltgestänge bei allen Kaimann-Formel V-Rennwagen vor gezielten Rammstößen absicherte.


Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Ferrari: Grosse Ziele für 2025, enttäuschende Bilanz

Von Mathias Brunner
​Für viele Insider galt Singapur als die beste Chance für Ferrari, 2025 noch einen Grand Prix-Sieg zu erobern. Zu ihnen gehört auch Charles Leclerc. Geht das stolze Ferrari in dieser Saison sieglos aus?
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mo. 20.10., 22:20, Motorvision TV
    FIM X-Trial World Championship
  • Mo. 20.10., 23:15, Motorvision TV
    FIM Sidecarcross World Championship
  • Di. 21.10., 01:45, Hamburg 1
    car port
  • Di. 21.10., 02:00, ORF Sport+
    Formel 1: Großer Preis der USA
  • Di. 21.10., 03:40, Motorvision TV
    Super Cars
  • Di. 21.10., 03:45, Hamburg 1
    car port
  • Di. 21.10., 04:10, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Di. 21.10., 04:35, Motorvision TV
    Gearing Up
  • Di. 21.10., 04:45, SPORT1+
    The Front Row
  • Di. 21.10., 05:05, Motorvision TV
    Motocross: FIM-Weltmeisterschaft
» zum TV-Programm
6.98 07100916 C2010212012 | 6