60 Jahre Formel V: Randale am Nürburgring
«Mit sofortiger Wirkung zieht sich das IGFA-Team (IGFA = Internationale Gesellschaft zur Förderung des Automobilsports, die Redaktion) aus der Formel V zurück, da der erhoffte Zweck der Nachwuchsförderung scheinbar nicht erreicht werden kann.» Das verkündete das IGFA Racing Team per Pressemitteilung montags nach dem turbulenten Formel V-Europacup-Rennen am Nürburgring im August 1967.
IGFA-Team-Patron Hans Günther Lehmann, ein impulsiver Kölner Verleger, hatte bereits direkt vor Ort über die «Wildwest-Fahrerei der Österreicher und speziell des Herrn Marko» gewettert. Obendrein vermutete der wütende Lehmann auch noch, «dass die Piloten aus der Alpenrepublik mit nicht regelkonformen Motoren fahren und keiner sich traut, den faulen Zauber aufzudecken».
Passiert war dies: Die Formel V startete vor dem deutschen Formel 1-Grand Prix zu einem Fünf-Runden-Rennen über Nordschleife. Die drei IGFA-Austro V standen aussichtsreich in den Startreihen zwei, drei und fünf. Direkt nach dem Start kam es eingangs der Südkehre zu einer Rauferei zwischen den drei führenden Österreichern Marko, Rojkowski und Riedl. Das Geplänkel endete mit einem Dreher von Marko. Der riss bei dieser Gelegenheit auch gleich alle drei IGFA-Piloten mit ins Verderben.
Als Auslöser der Chaos-Nummer wurde sogleich Marko an den Pranger gestellt. Sicher, er hatte sich gedreht und so erst das ganz große Chaos ausgelöst. «Wildwest aus Österreich», «Skandal-Rennen am Ring», «Wehe, wenn der Doktor kommt» oder «Blonder Österreicher ruiniert das Rennen deutscher Piloten» – so lauteten danach die Headlines der Boulevard-Zeitungen und Magazine.
Lehmans Wutanfall und seine Pressemitteilung wurden auch in den Redaktionsstuben der Tages- und Fachpresse mit Begeisterung aufgegriffen. So musste Formel V-Europa-Generalsekretär Anton Konrad, der seinen neuen Job erst ein paar Wochen zuvor angetreten hatte, gleich als Feuerwehrmann ran und die Wogen glätten.
Sein fünfseitiges Antwortschreiben an IGFA-Chef Lehmann schloss der FV-Europa-Geschäftsführer mit der Feststellung: «Ihre peinlichen Wutausbrüche und unhaltbaren Anschuldigen waren weit schlimmer als alles, was zuvor in der Südkehre passiert ist. Wenn überhaupt jemand in Schleudern gekommen ist, dann Sie, verehrter Herr Lehmann, mit Ihrem Benehmen und dem Inhalt Ihrer Pressemitteilung.»
Zumal sich schnell herausstellte, dass Marko zu Unrecht als Schuldiger benannt wurde. Wenn man überhaupt von Schuld sprechen konnte, dann ging das bestenfalls auf das Konto seiner Austria-Kumpels. Denn einer von ihnen, vermutlich Pankl oder Quester, hatte Marko den seitlich außen platzierten Tankdeckel im Nahkampf eingangs der Südkehre abrasiert, woraufhin in der Linkskurve Benzin überschwappte, auf dem der Doktor dann erst selbst ausrutschte und sich dabei drehte. Der Rest ist bereits geschildert.
Dass man damals fälschlicherweise so hart mit Marko ins Gericht gegangen ist, hat dessen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn noch jahrelang beschäftigt.
Selbst mich als guten Freund, immerhin ist Helmut der Taufpate meiner Tochter, hatte er im Verdacht, als einer der drei betroffenen Fahrer neben Helmut Kelleners und Hannelore Werner die falsche These vom Wildwest-Österreicher mit verbreitet zu haben. Fast bei jedem späteren Interview hat er mir seinen Frust zu diesem Thema aufs Brot geschmiert.







