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So tickte Benetton: Die Rock-Stars der Königsklasse

Von Mathias Brunner
​Rennställe haben in der Formel 1 oft neue Besitzer gefunden, manchmal sind sie dann WM-Anwärter geworden, manchmal gingen sie pleite. Die Geschichte von Benetton ist spektakulär, wie ein neues Buch zeigt.

Vor kurzem hat Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner gesagt: «Als wir in die Königsklasse kamen, da galten wir nur als die Party-Truppe, welche das Leben und die Formel 1 nicht so ernst nimmt wie die etablierten Rennställe.»

Dabei ging mir durch den Kopf: Moment mal, die lauteste Musik in der Box, die schönsten Models im Fahrerlager, aufsehenerregende Marketing-Coups, einige der besten Piloten am Lenkrad – das hatten wir doch schon alles mal, als es Red Bull in der Königsklasse noch nicht gab. Diese Mannschaft hiess damals Benetton, die Rock-Stars im GP-Fahrerlager. Autor Damien Smith nennt sie im Titel seines neuen Buches, ebenfalls passend, die Rebellen der Formel 1.

GP-Teams haben immer wieder Veränderungen durchlaufen. Die meisten modernen F1-Fans der Generation Netflix wissen nicht, dass der heutige Alpine-Rennstall beispielsweise seinen Ursprung beim Südafrikaner Ted Toleman hatte. Die Mannschaft aus Enstone trat unter ganz verschiedenen Namen an:

1981–1985: Toleman
1986–2001: Benetton Formula
2002–2009: Renault F1
2010: Lotus Renault GP
2011–2015: Lotus F1
2016–020: Renault F1
Seit 2021: Alpine F1

Nach einigen Jahren in der Formel 2 stieg der südafrikanische Unternehmer Ted Toleman mit ungetesteten, halbfertigen Wagen in die Formel 1 ein. Weder das Auto war bereit, noch der neue Hart-Turbomotor, damals in Belgien 1981. Die Anfänge waren zäh, die Motorschäden zahlreich.

Ein Jahr später schafften es die Wagen regelmässig in die Startaufstellung, in Holland gab es die schnellste Runde, in Brands Hatch fuhr Derek Warwick bis zum Ausfall auf Rang 2. Der Schwachpunkt war noch immer der Motor, deshalb dauerte es bis Zandvoort 1983, als Warwick die ersten Punkte holte.

1984 dann mit Ayrton Senna das erste Podium, 1985 holte Teo Fabi die erste Pole-Position, auf dem Nürburgring. Danach wurde das Team von Sponsor Benetton inhaliert, mit BMW-Motoren erzielte Gerhard Berger in Mexiko 1986 den ersten Grand Prix-Sieg. Von da an ging es stetig aufwärts. Gesamtsechster 1986, Fünfter 1987, drei Mal Dritter (1988, 1992 und 1993), Gesamtzweiter 1994.

Michael Schumacher wurde mit dem Team 1994 und 1995 Weltmeister, im zweiten Jahr holte das Team den Konstrukteurs-Pokal. Später wurde daraus der Renault-Werksrennstall, weitere Titel folgten mit Fernando Alonso 2005 und 2006, dann erneut mehrere Besitzerwechsel, heute ist das Team das Renault-Aushängeschild in der Königsklasse, unter dem Namen Alpine.

Hätte Ted Toleman im ersten Jahr die Flinte ins Korn geschmissen, hätte der Sponsor die Zahlungen eingestellt, der Rennstall wäre tot gewesen. Wer weiss, was dann aus den Karrieren von Gerhard Berger, Ayrton Senna und Michael Schumacher geworden wäre.

Autor Damien Smith nimmt uns mit auf die Reise mit einem Team, das unkonventionell war und grell. Der langjährige Formel-1-Journlist beginnt damit, wie der italienische Kleiderhersteller Benetton zunächst in der Formel 1 auf die falschen Pferde setzte und wieso sich Luciano Benetton dazu entschloss, vom Geldgeber zum Teambesitzer zu werden.

Damit sind wir wieder bei Ted Toleman und seiner Truppe. Fachkundig und kurzweilig erzählt Smith, wie aus Hinterbänklern im Laufe der Jahre Titelanwärter wurden. Ein wesentlicher Faktor dabei – der clevere Flavio Briatore als Teamchef.

Der Italiener kommt ausführlich zu Wort, ebenso die langjährigen F1-Techniker Rory Byrne und Pat Symonds (der auch das Vorwort verfasst hat). Sie öffnen ihren Anekdoten-Schatz, sehr zum Vergnügen des Lesers.

Briatore war klug genug, das Talent von Michael Schumacher zu erkennen. Nach nur einem WM-Lauf mit Jordan 1991 arrangierten Flavio und Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone den Wechsel des jungen Deutschen von Jordan zu Benetton. Briatore wollte einen Siegfahrer, Ecclestone einen potenziellen Weltmeister aus Deutschland.

Drei Jahre später war Michael Schumacher mit Benetton Champion, er verteidigte seinen Titel 1995 erfolgreich. Als Schumi zu Ferrari zog, begann der Abstieg von Benetton, auch wegen des Verlusts von Renault-Werksunterstützung, trotz des Talents von Gerhard Berger und Jean Alesi herrschte Kater-Stimmung, die Rebellen konnten nicht mehr an frühere Erfolge anschliessen. Ende 2001 übernahm der Renault-Konzern das Team.

Wie Benetton den jahrelang dominierenden Williams-Rennstall in Bedrängnis brachte, was hinter dem Vorwurf steckt, bei den WM-Titel von 1994 und 1995 von Benetton sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen, wieso ausgerechnet diese Querdenker so erfolgreich sein konnten, darüber und über sehr viel mehr erfahren wir gewiss nicht alles, aber so viel wie selten zuvor.

Damien Smith schafft dabei den Spagat, Technik-Fans ebenso zufrieden zu stellen wie Statistik-Freunde oder Leser, die sich für die wirtschaftlichen Hintergründe des Formel-1-Engagements einer Weltfirma interessieren. Vor allem jedoch hat Smith verstanden, dass im Zentrum immer der Mensch steht. Er zeigt uns, wie Fachleute ganz unterschiedlichen Charakters bei Benetton zueinander fanden und über Jahre ein enges Band schmiedeten.

«Benetton – Rebels of Formula 1» ist spannend geschrieben, facettenreich, verblüffend, mit brüllend komischen und tieftraurigen Momenten. Benetton war bahnbrechend und kontrovers, viele Fans haben das Team geliebt, die etablierten Rennställe haben die Neulinge zuerst belächelt, später gefürchtet. Aber egal, wie man dem Rennstall gegenüberstand, Benetton hat gewiss keinen kalt gelassen. Ein weiterer toller Wurf von Evro Publishing.

Das Wichtigste in Kürze

Damien Smith: Benetton – Rebels of Formula 1
Mit einem Vorwort von Pat Symonds
Aus dem Verlag Evro, England
ISBN: 978-1-910505-58-8
Text in englischer Sprache
Format 27,2 x 22,8 cm
344 Seiten
278 Fotos
Für rund 70 Euro im Fachhandel oder direkt bei Evro Publishing

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