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Jürgen Lingg: «Domi Aegerter war der stärkste Fahrer»

Von Günther Wiesinger
Dynavolt-Intact-Teamchef Jürgen Lingg über die Problematik des MotoE-Weltcups, die Hoffnung auf längere Akku-Laufzeiten und die Favoritenrolle von Domi Aegerter.

Der MotoE-Weltcup war bei manchen GP-Teams von Anfang an ein ungeliebtes Kind, die meisten Rennställe wurden von der Dorna mit der Teilnahme zwangsbeglückt. Und nach der Saison bröckelt der Support für diese unpopuläre elektrische Rennserie, in der sich überwiegend abgetakelte Fahrer aus der Superbike- oder GP-Szene tummeln. Sogar Sete Gibernau raffte sich 2019 noch einmal zu einem Comeback auf, dazu der 125-ccm-Weltmeister von 2011, Nicol Terol.

Weil die Finalläufe der MotoE-Saison 2021 am 18. und 19. September mit dem Langstreckenklassiker Bol d’Or in Le Castellet zusammenfallen, haben sich in den letzten zwei Wochen einige Topfahrer aus der MotoE zurückgezogen. Das Marc-VDS-Team zog sich ganz aus dem Weltcup zurück, weil kein passender Nachfolger für Mike di Meglio gefunden wurde.

Bei LCR muss das hauseigene E-Team 2021 ohne Niccolò Canepa und Xavier Siméon auskommen – wegen der Endurance-WM, die Vorrang hat. LCR will das neue LCR-E-Team-Fahreraufgebot bald bekanntgeben.»

Canepa legt den Fokus auf die Langstrecken-WM bei YART-Chef Mandy Kainz.

Glück hatte Domi Aegerter, 2020 zweifacher Laufsieger und Gesamtdritter in der MotoE-Serie auf der Energica Ego Corsa des Dynavolt Intact-Teams. Es gibt keine Überschneidung für die Supersport-WM, die er auf einer Yamaha R6 des Ten-Kate-Teams bestreitet.

Für das Intact-Team macht der fast lautlose Weltcup Sinn, da Teamgründer Stefan Keckeisen mit dem Verkauf von Akkumulatoren sein Geld verdient.

Die Mannschaft aus Memmingen debütierte 2019 mit Jesko Raffin in der damals neuen MotoE-Serie und hofft 2021 mit Aegerter auf den Titelgewinn.

Die MotoE hat zwei abenteuerliche erste Jahre hinter sich. Es begann mit dem Vollbrand des Zelts beim Test in Jerez Mitte März 2019, als mehr als 20 Maschinen ein Raub der Flammen wurden und der Saisonauftakt von Mai auf Juli verschoben werden musste.

Und während vor Beginn des Weltcups von den Funktionären und der FIM betont wurde, man werde die Batterien mit erneuerbaren Energien laden und sicher nicht mit Generatoren, standen 2019 nur Diesel-Generatoren für die Ladetätigkeit zur Verfügung. Solar-Panels wurden zur als Attrappen auf die Dächer der Ladestationen gelegt. Serien-Sponsor Enel, der italienische Energie-Konzern, machte sich in aller Öffentlichkeit lächerlich und brüskierte Dorna-Chef Ezpeleta, der von Partner Enel mehr Nachhaltigkeit und mehr grüne Energie erwartet und gefordert hatte.

Der italienische Kleinserien-Hersteller Energica liefert die Einheits-Motorräder, die schon 2019 wegen ihrer lächerlichen Reichweiten von ca. 30 bis 40 km und ihrem hohen Gewicht auffielen. Aber die Renndistanzen wurden auch 2020 nicht länger.

«Aber es waren 2020 Fortschritte zu sehen. Die Ladezeiten der Batterien wurden verkürzt, außerdem kriegen sie die Batterien jetzt besser gekühlt», hält Dynavolt-Teamchef Jürgen Lingg fest. «Aber man muss ganz klar sagen, auch da ist noch Luft nach oben. 2019 war schon schwierig, 2020 kam Corona. da ist die Entwicklung auch flach gelegen, vermute ich. Aber sie bemühen sich. Wir hoffen, dass wir für die kommende Saison eine besser Akku-Laufzeit kriegen.»

Im Vorjahr belief sich die Ladezeit auf ca. 2,5 Stunden. «Das ist ein bisschen Temperatur-abhängig», weiß Lingg. «Dann kann man im Training 45 km fahren. Der Plan wäre, dass man künftig in den Rennen zehn Runden fahren kann statt fünf, sechs oder sieben. Das wäre top.»

Die Fahrer klagten über das blamable Fahrzeuggewicht von 265 kg, das dazu führte, dass kaum die Zeiten der 55 PS starken Moto3-Klasse erreicht wurden. Allein die Batterie wiegt 100 kg.

Welche Leistung die MotoE-Bikes aufs Hinterrad bringen, wissen die Teams sogar nach zwei Jahren nicht. Der Hersteller schwiegt sich mit Details aus.

«Theoretisch könnten die MotoE-Maschine bis zu 140 PS leisten, aber das geht von der Laufleistung her nicht», schilderte Jürgen Lingg. «Es kommt immer auf das Mapping der Batterien an, und dazu haben wir keine Infos. Ich schätze mal, wir haben in den Trainings und Rennen gute 100 PS.»

«Bei den Rundenzeiten sind wir in der MotoE annähernd an der Moto3 dran», ergänzt der Intact-Teamprinzipal. «Aber es wird schwierig, die Moto3 einzuholen, denn diese 250er sind mittlerweile richtig schnell. Und sie werden auch konstant verbessert. In der Moto3 geht die Entwicklung recht schnell voran.»

Domi Aegerter will 2021 unbedingt den MotoE-Weltcup gewinnen. «Auf dem Papier zählt er auf jeden Fall zu den Favoriten», räumt Lingg ein. «Aber wir dürfen bei den Erwartungen jetzt nicht denselben Fehler machen wie in der Moto2-WM 2020. Denn Vorjahressieger Torres ist wieder dabei, Granado fährt jetzt für das Sepang-Team. Es sind einige starke Fahrer im Feld. Das wird nicht einfach.»

Aegerter gewann 2020 zwei Rennen, fiel aber am Ende auf den dritten Gesamtrang zurück. Lingg: «Ich glaube, Domi war im Vorjahr schon der stärkste Fahrer im MotoE-Feld. Aber er ist zweimal hintereinander abgeschossen worden, in Misano und in Le Mans. In Frankreich ist es im ersten Rennen passiert, dadurch hat er im zweiten Rennen als Letzter starten müssen. Ich habe dieses Reglement von Anfang angeprangert. Es darf ja nicht sein, dass du bei einem Sturz, Defekt oder Abschuss doppelt bestraft und auf den letzten Startplatz versetzt wirst... Es gab vor der Saison eine Abstimmung, ob die E-Pole für beide Rennen zählen soll oder nur für das erste. Da habe ich schon gesagt, die E-Pole muss für beide Läufe zählen. Denn wenn der Fahrer die E-Pole verbockt, ist er selber schuld. Aber wenn ein Fahrer im ersten Rennen abgeräumt wird, wird er doppelt bestraft. Für mich war von vornherein ersichtlich, dass das jetzige System unfair ist.»

Kalender MotoE-Weltcup 2021:

02. Mai Jerez/Spanien
16. Mai. Le Mans/Frankreich
06. Juni: Barcelona/Spanien
27. Juni Assen/Niederlande
15. August: Red Bull Ring/Österreich
18. September: Misano/Italien
19. September: Misano/Italien

MotoE-Weltcup-Stand nach 7 Rennen

1. Jordi Torres 114 Punkte
2. Matteo Ferrari 96 Punkte
3. Dominique Aegerter 96 Punkte
4. Di Meglio 75 Punkte
5. Casadei 74 Punkte
6. Tuuli 53 Punkte
7. Granado 53 Punkte
8. Hook 52 Punkte
9. Canepa 51 Punkte
10. Simeon 45 Punkte
11. Tulovic 39 Punkte
12. Zaccone 37 Punkte
13. Medina 36 Punkte
14. de Angelis 35 Punkte
15. Cardelus 34 Punkte
16. Marcon 33 Punkte
17. Herrera 33 Punkte
18. Kornfeil 15 Punkte

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