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Dominique Aegerter: Kein Ende der Talfahrt in Sicht

Von Günther Wiesinger
Domi Aegerter mit seinem neuen Manager Oliver Imfeld

Domi Aegerter mit seinem neuen Manager Oliver Imfeld

Seit mehr als vier Jahren hat Dominique Aegerter in der Moto2-WM keinen Podestplatz geschafft. Auch mit der ruhmreichen Marke MV Agusta gelang keine Kehrtwende.

Der Schweizer Dominique Aegerter (28) verfügt einige treue Geldgeber und über eine begeisterte Anhängerschaft, kein GP-Fahrer treibt so viel Aufwand für seine Anhänger wie der bodenständige und immer ansprechbare Moto2-Pilot. Aber die langjährigen Domi #77-Supporter werden auf eine harte Probe gestellt. Denn der MV-Augusta-Pilot erlebt die schwierigste Phase seiner GP-Karriere. Fünf Punkte aus sieben Moto2-WM-Läufen 2019 – da lässt sich nichts mehr schönreden. Die WM-Karriere des beliebten Rohrbachers befindet sich auf dem Tiefpunkt. Dabei fuhr Aegerter 2013 noch auf dem Leven von Landsmann Tom Lüthi: Er beendete die WM damals als Fünfter, Lüthi als Sechster. 2014 gelang Lüthi der vierte WM-Rang, Aegerter der fünfte. Nur Rabat, Kallio und Viñales waren besser als die beiden Schweizer.

Doch seit dem aberkannten GP-Sieg beim Regen-GP in Misano 2017 auf der Suter von Kiefer Racing (es wurden unerlaubten Ölzusätze gefunden, Tom Lüthi wurde im Nachhinein beim Motegi-GP zum Sieger erklärt) muss Aegerter einen Rückschlag nach dem andern hinnehmen.

Zuerst starb Teambesitzer Stefan Kiefer (51) völlig überraschend beim Malaysia-GP im Oktober 2017. Danach platzte die Übernahme des Kiefer-Teams durch David Pickworth und dessen ominöse russischen Geldgeber. Erst am 7. Januar 2018 stand fest: Aegerter kann die Moto2-Saison mit Kiefer und KTM bestreiten. Aber es mussten mehr als 600.000 Franken gefunden werden. Also starteten Aegerter und seine Familie ein aufwändiges Crowdfunding, das die Rekordsumme von 253.327 Franken einbrachte, aber dem Athleten immens viel Energie abverlangte. Es folgte die Trennung von Manager Dr. Robert Siegrist, die Resultate 2018 fielen grossteils enttäuschend aus.

Domi musste sich 2018 neben der Rennfahrerkarriere über weite Strecken mit Bruder Kevin selbst um sein Management kümmern und die Möglichkeiten für 2019 prüfen, darunter waren sogar etliche Angebote für den MotoE-Weltcup.

Heute drängt sich die Frage auf, ob Aegerter nicht besser das NTS-Moto2-Angebot des seriösen niederländischen RW-Racing-Teams hätte annehmen sollen. Der Schweizer hätte einen Ein-Jahres-Vertrag bekommen, er hätte eine Mitgift von ca. 200.000 Euro abliefern müssen. RW bot ihm dafür Werbeflächen für seine privaten Sponsoren an. «Wir hätten Dominique für seine Geldgeber Werbeflächen auf dem Motorrad geboten», verriet das NTS-RW-Racing-Team im September 2018. Außerdem hätte ihm das RW-Team die Spesen zu allen Rennen und 300 Euro pro WM-Punkt bezahlt. Aber Aegerter pokerte und hoffte auf ein besseres Angebot von RW – vergeblich. Es kam keines.

«Wir suchen mit unserem japanischen Chassis-Partner NTS langfristige Kooperationen», sagt RW-Racing-Teammanager Jarno Janssen im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Das gilt auch für die Fahrerverträge. Deshalb haben wir uns mit Bo Bendsneyder auf zwei Jahre geeinigt und mit Steven Odendaal weitergemacht.»

Domi Aegerter: Die Leistung stagniert

Als letzte Rettung für Aegerters Moto2-WM-Pläne 2019 entpuppte sich schließlich Forward. Nicht gerade die beste Adresse im Paddock. Bei Suter Industries wurden im Auftrag von MV Agusta im Sommer 2018 zwei Gitterrohr-Stahlrahmen gebaut. Aegerters Chancen stiegen, als der Vertrag mit Romano Fenati nach dem Misano-Eklat in aller Eile aufgelöst wurde. «Beim Silverstone-GP wollte mir Forward noch 80.000 Gage bezahlen, aber nachher kamen Mitgift-Forderungen, die von Grand Prix zu Grand Prix höher wurden», klagte Aegerter im Herbst 2018. Dass der Vertrag zwischen MV und Suter nach dem 30. November nicht verlängert wurde, kam überraschend.

Doch es gab in der Moto2-WM keine Alternative; Aegerter musste in den sauren Forward-Apfel beißen. In der Saison 2018 offenbarte Aegerter Burnout-Symptome, er wirkte überfordert. Teamchef Jochen Kiefer bemerkte, dass Domi manchmal mit den Kräften am Ende war. Er rechnete mit einem neuen deutschen Sponsor und engagierte deshalb für 2019 den 18-jährigen Rookie Lukas Tulovic.

«Ich will mich endlich wieder aufs Fahren konzentrieren können», seufzte Aegerter im Vorjahr mehrmals. Er hatte sich 2018 in der WM einen Top-5-Platz zum Ziel gesetzt und die WM als Siebzehnter beendet.

Aegerters letzter Moto2-WM-Podestplatz liegt mittlerweile vier Jahre zurück: Platz 3 in Mugello 2015 auf Kalex.

Inzwischen hat Aegerter mit Oliver Imfeld, der aus der Musikbranche kommt, einen neuen Manager gefunden. Der Luzerner ist sich der Schwierigkeit seiner Aufgabe bewusst. Mit bald 29 Jahren und einem Sieg bei 204 Grand Prix ist Aegerter inzwischen in der Moto2 schwer vermittelbar. Selbst Rookies wie Enea Bastianini (WM-8.), Augusto Fernandez (WM-7.), Fabio Di Giannantonio und Jorge Martin laufen ihm den Rang ab. Acht Fahrer aus den aktuellen Top-Ten sind zwischen 21 und 23 Jahre alt, nur Lüthi (32) und Schrötter (26) liegen darüber.

Der eidgenössische Routinier Aegerter bestreitet die Moto2-WM seit 2010 und hat zwischen 2011 und 2014 seine beste Zeit erlebt. Er schloss die WM in dieser Phase auf den Rängen 8, 8, 5 und 5 ab. Nicht weniger als 32 Mal in Serie fuhr er damals in die Punkteränge.

Seither stehen folgende Gesamtränge zu Buche: 17. (2015 auf Kalex), 12. (2016 auf Kalex), 12. (2017 auf Suter) und 17. (2018 auf KTM), jetzt liegt er mit der MV Agusta an 22. Stelle der WM. Sein einstiger Rivale und Teamkollege Tom Lüthi war Moto2-Vizeweltmeister 2016 und 2017, er hat bisher 17 GP-Siege verbucht, er war 2015 schon Weltmeister in der 125-ccm-Klasse.

Missglückte Teamwechsel, Managementfehler, vier unterschiedliche Fabrikate in den letzten vier Jahren mit gleichbleibenden Ergebnissen, fortwährend schwache Quali-Ergebnisse, Stagnation bei der Rennperformance – das sind Aegerters Kennzeichen der letzten Jahre. Er sei beim Fahren oft zu verkrampft, war vom emsigen Trainierer aus Rohrbach oft zu hören. Das könnte erklären, warum #77 zum Beispiel beim heissen Cataluyna-GP trotz seines beispielhaften Trainingsfleisses über konditionelle Mängel klagte.

Der überstürzte Abgang Ende 2016 beim Schweizer CGBM-CarXpert-Team kam in erster Linie zustande, weil Aegerter nach zwei Kalex-Jahren unbedingt zurück zu Suter wollte, obwohl der Schweizer Hersteller damals in der WM quasi zwei Jahre nicht präsent war und alle Topfahrer auf Kalex erfolgreich waren. «Domi wechselte damals vom reichsten Team im Paddock zu einem der ärmsten, eine Kurzschlusshandlung», meint ein Beobachter der Szene. Vor allem verschlechterte sich die finanzielle Situation dramatisch, weil sich der langjährige Mäzen Olivier Métraux (von Domis erstem Grand Prix an dabei mit Firmen wie Technomag, CarXpert, Derendinger und Garage Plus) von Domi zurückzog, den er zehn Jahre lang wie einen Sohn behandelt hatte.

Der neue Manager Oliver Imfeld sucht momentan nach positiven Aspekten. «MV Agusta und die Forschungsabteilung CRC entwickeln das Motorrad emsig weiter. Wir haben immerhin schon fünf WM-Punkte», lautet seine Bilanz. «Die Zeitrückstände werden geringer.»

Aber ein stürmischer Aufwärtstrend ist beim besten Willen nicht zu erkennen: Aegerter erzielte 2019 die Startplätze 24, 20, 29, 23, 25 , 21 und 21. Auch die Rennergebnisse offenbaren bisher keinen Durchbruch: 18, 20, 14, 13, Ausfall, 17 und 16.

Imfeld verweist auf die Moto2-Probleme bei KTM und die Abwesenheit von Suter in der Mittelgewichtsklasse. Aber KTM hat in der MotoGP-WM 2019 schon fünf Top-Ten-Ergebnisse, führt überlegen in der Moto3, hat die Dakar-Rallye zum 18. Mal in Serie gewonnen, die Supercross-WM zum fünften Mal in Serie (2019 mit der Zweitmarke Husqvarna) und kämpft in der MXGP und in der MX2 an der Spitze mit. Außerdem verkauft KTM 265.000 Motorräder im Jahr, MV Agusta nicht einmal 10.000.

Und Suter Industries hat immerhin in der Moto2-WM zwei Konstrukteurs-WM-Titel (2011 und 2012) gewonnen und 2012 dazu die Fahrer-WM mit Marc Márquez. Suter ist in der Cross-WM mit der «Anti Hopping Kupplung» mit Jeremy Seewer erfolgreich. Dazu bauen die Schweizer seit bald fünf Jahren die erfolgreichen MotoGP-Alu-Chassis für Ducati Corse, auch wenn das wegen der Geheimhaltungsklauseln nicht an die große Glocke hängt wird.

Ausserdem hält Firmenchef Eskil Suter fest: «Forward kriegt von mir keine Schraube mehr.»

Oliver Imfeld hofft auf Fortschritte bei MV Agusta und Forward und setzt auf die Kenntnisse von Crew-Chief Mauro Noccioli. Ein Teamwechsel steht nicht zur Diskussion. Imfeld: «Dominique hat bei Forward einen Vertrag für 2020.»

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