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Sandro Cortese (30): «Ich will noch sehr alt werden»

Von Günther Wiesinger
Sandro Cortese will sich mit seiner Entscheidung Zeit lassen

Sandro Cortese will sich mit seiner Entscheidung Zeit lassen

Nach der Saison 2017 verließ Sandro Cortese die Moto2-WM in Richtung Superbike-Paddock: Auf den Supersport-WM-Titel folgten zuletzt Verletzungen. Wie geht es für den Berkheimer nach dem Wirbelbruch weiter?

Vor drei Jahren trennten sich die Wege von Sandro Cortese und dem deutschen Dynavolt Intact-GP-Moto2-Team. Der Berkheimer versuchte dann, seine Moto2-WM-Karriere bei Forward oder Kiefer fortsetzen zu können, aber beide Deals scheiterten. Nach einem Winter voller Ungewissheit einigte sich Cortese erst Ende Januar 2018 mit Yamaha-Supersport-Teamchef Vesa Kallio – und gewann auf Anhieb die Weltmeisterschaft in dieser 600-ccm-Klasse.

Dieser Erfolg brachte Sandro einen Vertrag im Yamaha-Superbike-Team von Mirko Giansanti für 2019 ein. Doch am Saisonende wurde er als respektabler WM-Zwölfter abserviert, weil er mit bald 30 Jahren in diesem Junior-Team nicht mehr als Idealbesetzung galt. Statt Marco Melandri und Sandro Cortese fahren dort in diesem Jahr Caricasulo und Gerloff.

Cortese ließ im Winter nach der Saison 2019 seine im Juli in Silverstone ramponierte linke Schulter operieren. Die Teamsuche erwies sich wieder einmal als beschwerlich. Immerhin durfte er vor dem Saisonstart statt des verletzten Leon Camier zweimal für Barni-Ducati die V4-Panigale testen. So wurde Teambesitzer Lucio Pedercini auf ihn aufmerksam; er engagierte ihn kurz vor dem Saisonstart für sein Outdo-Kawasaki-Team.

Nach dem fürchterlichen Crash am 8. August in Portimão, wo Cortese mit 130 km/h gegen eine Betonmauer krachte, steht der siebenfache GP-Sieger wie vor drei Jahren an einer wichtigen Wegkreuzung. Er will jetzt zuerst einmal wieder fit werden. Dann muss er die Frage klären, ob er seine Rennfahrerkarriere fortsetzen soll. Für 2021 kann der zweimalige Weltmeister nicht mit lukrativen Angeboten rechnen.

Sandro, dein siebter Rückenwirbel war zertrümmert, Knie und Knöchel mussten operiert werden. Das Metall an den fünf Wirbeln bleibt sieben bis acht Monate in deinem Rücken. Du musst dich auf eine lange Genesungszeit gefasst machen.

Ja, klar. Natürlich, ich bin jetzt daheim. Aber ich habe jetzt in den letzten drei Wochen in der Klinik Murnau alle Untersuchungsergebnisse gesehen und bin einfach dankbar, dass ich in ein paar Monaten wieder normal gehen darf.

Du hast in deiner Karriere Dutzende Stürze relativ glimpflich überstanden. Dein Teamchef Pedercini meinte, du wirst im September wieder Rennen fahren. Das war eine Illusion. Was geht dir jetzt durch den Kopf? Denkst du an Wayne Rainey, der im Rollstuhl sitzt, weil er 1993 den Warnschuss von Donington nicht wahrhaben wollte und weiterfuhr bis zum nächsten verheerenden Crash in Misano?

Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe mir über meine Zukunft Stand heute noch gar keine Gedanken gemacht. Ich will zuerst körperlich so dastehen, dass ich behaupten kann: «Okay, ich bin wieder gesund.»

Dann werde ich mir überlegen, was ich in Zukunft machen soll. Ich weiß, dass meine Genesung noch viele Monate dauern wird.

Ich nehme mir jetzt dafür jede Zeit der Welt. Ich bin 30 und will noch sehr alt werden. Und zwar mit einem Körper, der auch mit 50, 60 oder 70 noch gut dasteht.

Wenn ich jetzt etwas überstürze, kann das gut gehen, aber vielleicht bekomme ich in zehn Jahren die Quittung dafür, weil sich Verschleiß bemerkbar macht, weil ich zu früh wieder angefangen habe. Das macht wirklich keinen Sinn.

Das bedeutet: Deine Karriere ist eventuell beendet oder zumindest für 2021 einmal auf Eis gelegt.

Ich will jetzt dazu kein offizielles Statement abgeben. Jeder weiß, dass meine Verletzungen gravierend sind und es sehr, sehr lange dauern wird, bis ich wieder gesund bin. Und diese Zeit nehme ich mir, egal wie lange das dauert.

Was dann in absehbarer Zukunft passiert, steht heute noch in den Sternen. Alle Sponsoren sowie alle Personen und Fans, die mich immer unterstützt haben, die verstehen, dass ich zuerst einmal gesund werden will.

Die Superbike-WM soll im Februar 2021 beginnen. Die Plätze werden bis September oder Oktober besetzt sein. Ohne dich. Du wirst also vertragslos durch den Winter gehen?

Ja, sagen wir mal: Ich bin das eh allmählich gewohnt. Das war in den letzten Jahren schon mehrmals der Fall.

Im letzten Winter habe ich zehn Tage vor dem Saisonstart auf Phillip Island bei Pedercini unterschrieben.

Könntest du ein Jahr pausieren, eventuell Testfahrer-Aufgaben übernehmen oder locker mit dem Motorrad trainieren und dann 2022 vollfit wieder angreifen? Wird die Wirbelverletzung völlig ausheilen? Oder bleibt das eine Sollbruchstelle?

Die Nachuntersuchung findet kurz vor Weinachten statt. Da wird noch einmal ein MRT gemacht, damit man sieht, wie gut der Bruch nach vier Monaten verheilt ist. Das Gute bei mir: Es ist nur der Wirbel gebrochen, die ganzen Weichteile sind verschont geblieben.

War es wirklich ein Trümmerbruch?

Ja, der Wirbel war gebrochen, und gewisse Knochenteile sind weggeflogen. Dieser siebte Wirbel wurde mit zwei leicht beweglichen Streben und vier Schrauben so fixiert, so dass er in Ruhe verheilen kann. Die beiden Wirbel darunter und darüber wurden ebenfalls fixiert. Aber alle Wirbel müssen beweglich sein, sonst versteifen auch die gesunden Wirbel.

Nach drei bis vier Monaten sollte der siebte Wirbel stabil sein. Nach maximal einem Jahr kommt das Metall raus. Aber fünf Monate nach der Operation entscheidet man, wie es mit der Kallusbildung aussieht und wie schnell der gebrochene Wirbel heilt.

Nach sieben oder acht Monaten kann man das Metall frühestens entfernen.

Ist die Beweglichkeit im Rücken durch die Streben und Schrauben eingeschränkt?

Mein Glück ist, dass der Bruch ziemlich zentral am Rücken passiert ist. Der Nackenbereich und die Lendenwirbelsäule funktionieren einwandfrei. Ich kann mich gut bewegen. Aber durch die Wunde habe ich Schmerzen, deshalb bewege ich mich sehr behutsam.

Am 8. August geschah die erste Operation. Es wird also April oder Mai, bis die Streben und Schrauben wieder rauskommen. Vorher ist ans Motorradfahren nicht zu denken?

Ja. Aber ehrlich gesagt, so weit voraus habe ich noch gar nicht gedacht. Die Ärzte haben mir gesagt, sobald der Bruch stabil ist, werde ich auch keine Beschwerden mehr spüren. Im Moment zwickt es sehr stark, weil ich sehr mager bin und eigentlich jede Schraube einzeln spüre.

Sobald du einigermaßen schmerzfrei bist, musst die dich wieder um den Muskelaufbau kümmern?

Ja, da ist in drei, vier Wochen viel verschwunden. Ich habe in der Corona-Zeit so viel trainiert, jetzt sind eigentlich keine Muskeln mehr vorhanden. Ich werde jetzt drei Wochen zuhause sein. Und sobald ich wieder belasten darf, werde ich direkt auf Reha gehen.

Die Chefärztin in Murnau hat mir den Medical Park in Bad Wiessee am Tegernsee als Reha-Klinik empfohlen, die speziell für Sportler ausgerichtet ist. Dort werden alle verletzten deutschen Skifahrer therapiert. Sie haben auch Knie- und Rückenspezialisten, die sich dann um das Wiederaufbautraining der Sportler kümmern. Ich habe auch hier in Berkheim eine super Physiotherapeutin, die mich schon lange betreut und auch meine Schulter wieder top hinbekommen hat.

Vorläufig werde ich sicher nicht im Freien trainieren dürfen, aber ich darf irgendwann in absehbarer Zeit auf dem Hometrainer wieder gemütlich fahren. Die Muskulatur stützt ja dann auch meinen Rücken wieder.

Ich will nachher auch mit dem Rennrad und Mountainbike wieder draußen trainieren, sobald mir die Ärzte grünes Licht geben. Ich vermisse das jetzt schon.

Aber die Zeit ist jetzt hart.

Aber ich muss mir immer vor Augen halten: Es hätte viel schlimmer ausgehen können.

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