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Kein Einzelfall: Polizei besuchte Forward Racing

Von Günther Wiesinger
In Misano hatte Cuzari (Mitte) die Polizei als Sponsor

In Misano hatte Cuzari (Mitte) die Polizei als Sponsor

Das Forward Racing Team, inzwischen nur noch in der Moto2-Klasse dabei, macht seit Jahren durch unbezahlte Rechnungen bei Fahrern, Mechanikern, Hospitality-Partnern und Zulieferfirmen von sich reden.

Beim jüngsten San-Marino-GP in Misano (18. bis 20. September) wunderten sich einige Teammitglieder in den Nachbarboxen von Forward über das Erscheinen der Polizei. Nachher war zu hören, es seien zwei Sätze Räder und ein MV-Agusta-Rahmen beschlagnahmt worden. Beim MV Agusta Forward Racing Team mit Sitz in Lugano in der Schweiz sei während des Grand Prix von San Marino und Rimini eine einstweilige Verfügung der italienischen Justiz vollstreckt worden, wurde im Fahrerlager berichtet. Forward soll einem italienischen Unternehmen aus der Saison 2017 noch den Teil eines vereinbarten Betrags von zirka 30.000 Euro schuldig geblieben sein, wurde im Paddock des Misano World Circuits kolportiert.

Das Mitglied eines Konkurrenz-Teams meinte im September, es sei nicht ungewöhnlich, dass bei Forward die Polizei vorbeischaue. Das Forward-Team beteuert hingegen immer wieder, man bezahle brav alle Rechnungen.

Das Forward Racing Team macht allerdings seit Jahren durch unbezahlte Rechnungen von sich reden – bei Fahrern, Mechanikern, Hospitality-Partnern und Zulieferfirmen. Und nicht nur das. Teambesitzer Giovanni Cuzari wurde nach dem Sachsenring-GP 2015 für rund vier Wochen im Tessin in Untersuchungshaft gesteckt. Die Vorwürfe wogen schwer: Verdacht auf Bestechung, Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Im Oktober 2017 wurde Cuzari in diesem Zusammenhang vom «Tribunale di Milano» zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta nahm Forward aus Sorge um den Ruf der Rennserie nach der Saison 2015 die beiden MotoGP-Plätze weg. Stefan Bradl und Loris Baz bestritten die Saison damals auf Open-Class-Yamaha-Maschinen. Bradl wechselte in der Sommerpause nach der Inhaftierung des Teamchefs zu Aprilia und saß im August ab Indy auf der italienischen Werksmaschine.

Schon 2015 rankten sich abenteuerliche Geschichten um das Forward-Team, das 2015 in der Moto2-WM als FTR-Werksteam auftreten wollte, diesen Plan laut ausposaunte – und dann beim ersten großen IRTA-Test in Valencia nicht auftauchte. Es kam nämlich nie ein Deal mit FTR zustande, stattdessen wurden die alten Kalex-Bestände des Blusens-Teams gekauft. Kalex verweigerte den Technik-Support, weil ein Chassis bereits 23 Stürze hinter sich hatte.

Immer häufiger waren zu diesem Zeitpunkt bei Forward Klagen über unbezahlte Rechnungen und unbezahlte Fahrergagen zu hören, von Colin Edwards über Loris Baz und Stefan Bradl bis zu italienischen Opfern. Ex-Baz-Crew-Chief Andrea Oleari und Ex-Partner Marco Curioni klagten ausstehende Summen bei Gericht ein.

Die Lügen und Halbwahrheiten gehörten weiter zum Geschäftsprinzip des undurchsichtigen Rennstalls, der immer wieder für ominöse Sponsoren warb.

Vor der Saison 2028: Die Lügen über Suter-Bikes

Moto2-Hersteller Suter belieferte 2017 noch die Teams Intact und Kiefer mit den MMX2-Maschinen aus Turbenthal und zog sich dann aus der Moto2-WM zurück. Forward Racing kündigte vor der Saison 2018 an, man werde künftig das exklusive Suter-Werksteam bilden.

Eskil Suter, Geschäftsführer von Suter Industries, offenbarte im November 2017 eine andere Sicht der Dinge. «Wir liefern unser 2017-Material an Forward, aber es wird keine Weiterentwicklung mehr stattfinden und kein On-Track-Support. Und wir liefern nur gegen Vorkasse.» ?

Denn in der MotoGP-Klasse hatte Suter die Suter-BMW-Open-Class-Bikes an Forward geliefert – und in punkto der Zahlungsmoral beim Tessiner Rennstall schlechte Erfahrungen gemacht.

Heute sagt Eskil Suter im Rückblick auf den Moto2-Deal mit Forward 2018: «Wir haben damals einfach eine Lagerräumung gemacht.»

Forward Racing wurde aber nicht müde, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen. In Misano 2017 wurde ein Moto2-Bike im MV-Agusta-Design vorgestellt. Schon zwei Jahre vorher hatte Cuzari beim Sepang-GP gegenüber SPEEDWEEK.com verkündet: «Ich übernehme bei MV Agusta für 2016 das Superbike- und das Supersport-Team, wir werden spätestens 2017 oder 2018 in die MotoGP einsteigen und für 2019 die neuen Moto2-Einheitsmotoren liefern.»

Nichts von diesen Märchen wurde in die Tat umgesetzt.

Statt der geplanten MV-Agusta-Motorräder musste Forward also 2018 mit den ausrangierten Suter-MMX2-Maschinen fahren.

Ein Jahr später erfolgte tatsächlich der Moto2-Einstieg von MV Agusta – mit einem Gitterrohrstahlrahmen, der nachweislich bei Suter Industries in der Schweiz konstruiert und gebaut wurde – für das Testteam von Forward.

«Wir haben den Vertrag sicherheitshalber mit dem MV-Agusta-Werk abgeschlossen, noch im Sommer 2018 zwei Chassis geliefert und die Testfahrten mit Technik-Support unterstützt», erinnert sich Firmenchef Eskil Suter. «Aber auch das MV-Werk hat keine Anstalten gemacht, die Rechnungen zu bezahlen. Also haben wir das Material zurückgefordert. MV hat dann eine andere Firma gesucht, die die Rahmen gebaut hat. Unser Design und die Pläne haben sie ja besessen.»

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