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Ohne Crutchlow: Britische Hoffnungen ruhen auf Moto2

Von Günther Wiesinger
Sam Lowes bekam in der Startaufstellung Besuch von Kumpel Cal Crutchlow

Sam Lowes bekam in der Startaufstellung Besuch von Kumpel Cal Crutchlow

Den Briten droht nach dem Rücktritt von Cal Crutchlow (35) eine MotoGP-WM ohne Beteiligung. Dafür geht Sam Lowes mit drei Siegen aus dem Vorjahr im Rücken gestärkt in die Moto2-Saison 2021.

Cal Crutchlow hat seine Rennfahrerkarriere nach einer enttäuschenden und von Verletzungen geprägten Saison 2020 beendet, der 35-Jährige ist nur noch als Yamaha-Testfahrer im Einsatz. Als erster britischer GP-Sieger in der «premier class» seit Barry Sheene leistete er einen entscheidenden Beitrag dazu, dass die lange Durststrecke für die GP-Fahrer aus dem United Kingdom zu Ende ging.

Nun droht im Worst-Case aber eine MotoGP-Klasse ohne Briten, obwohl Promoter Dorna Sports S.L. einen Vertrag mit dem Bezahlsender BT Sport hat und wenn möglich je einen britischen Fahrer pro Klasse sehen möchte. Aber im vorläufigen Teilnehmerfeld für 2021 erhielt Lorenzo Savadori bei Aprilia den Vorzug gegenüber Bradley Smith. Eine endgültige Entscheidung werde aber erst nach den Wintertests fallen, kündigte der Hersteller aus Noale an. Der Waliser Chaz Davies galt zwar als Kandidat auf den zweiten Platz im Aprilia-Werksteam, er blieb aber in der Superbike-WM und unterschrieb bei Go Eleven Ducati.

Jahrelang dominierten die Briten einst das Geschehen im GP-Sport. Aber vor der Saison 2015 stammten die letzten Titelgewinne (125 ccm, 250 ccm und 500 ccm) aus den Jahren 1969, 1971 und 1977.

Danny Kent gewann dann auf der Leopard-Honda 2015 die Leichtgewichts-Moto3-Klasse.

Unglaublich: In der kleinsten Klasse (125 ccm/Moto3) hatten die Briten seit Dave Simmonds (1969/125 ccm/Kawasaki) keine Weltmeisterschaft gewonnen, in der mittleren Kategorie gehen die Briten seit 1971 (250 ccm/Phil Read/Yamaha) und in der Königsklasse seit 1977 (Barry Sheene/500 ccm/Suzuki) leer aus. Der letzte Halblitersieg gelang Sheene 1981 in Anderstorp/Schweden.

Crutchlow siegte mit der Nummer 35 genau 35 Jahre später wieder in der Königsklasse – zum Entzücken der britischen Fans.

Danny Kent hat 2012 mit der Red Bull-KTM schon zwei Moto3-WM-Rennen gewonnen und eine erste Talentprobe abgeliefert.

Kents Landsmann Sam Lowes gewann dann 2015 auf Speed-Up den Texas-GP, aus dem erträumten Moto2-Titelgewinn wurde freilich noch nichts.

Auch in der Königsklasse (500 ccm/MotoGP) müssen die britischen Fans weiter auf den ersten Titelgewinn seit Barry Sheene (Suzuki) im Jahr 1977 warten.

Aber mit Cal Crutchlow kam in Le Mans 2013 erstmals seit Misano 1989 (Simon Buckmaster) ein Brite in der Königsklasse auf Rang 2. Und weil damals in Misano die Werksfahrer alle streikten, muss man eigentlich auf Assen 1985 zurückschauen, als «Rocket Ron» Haslam Platz 2 beschlagnahmte.

Danach haben auch Scott Redding (Pramac Ducati) und Bradley Smith (Tech3-Yamaha) in der «premier class» Podestplätze eingefahren – jeweils 2.

Der groß gewachsene Scott Redding begeisterte die Briten schon in der Moto2-WM mehrmals: Er gewann 2013 in Le Mans und führte die WM mit 24 Punkten Vorsprung an. Den Titel entriss ihm aber schließlich Pol Espargaró.

Redding gewann immerhin am 1. September 2013 den Moto2-Heim-GP in Silverstone und war damit der erste britische GP-Pilot, der in Donington Park (2008, 125 ccm) und in Silverstone (2013, Moto2) zwei WM-Heimrennen gewonnen hat.

In den beiden kleinen Klassen war das vorher seit Chas Mortimer (Sieg auf der TT 1972/125 ccm und TT 1976/250 ccm) keinem Engländer mehr gelungen.

Reddings Moto2-GP-Erfolg in Silverstone 2013 bedeutete gleichzeitig den ersten Sieg eines Briten beim Heimrennen in der mittleren Klasse seit Tom Herron 1976 bei der TT auf der Insel Man 1976.

Scott Redding hätte 2013 auch der erste britische Weltmeister in der mittleren Hubraumklasse (250 ccm/Moto2) seit Phil Read 1971 (!) werden können. Aber der Quali-Crash in Australien machte alle Hoffnungen zunichte. Die sieben Podestplätze, die Redding 2013 in 17 WM-Rennen sammelte, hatte in der mittleren Klasse zuvor Rod Gould als letzter Brite 1972 auf der 250-ccm-Werks-Yamaha erzielt.

Seit Barry Sheenes drei Siegen in der 500-ccm-Klasse 1979 hatte es bis zum Jahr 2013 gedauert, bis mit Redding wieder ein Brite drei GP-Siege in einer Saison in irgendeiner Solo-GP-Klasse errungen hat. Redding ist zudem der erste Brite seit Phil Read 1971, der in der mittleren Klasse (250 ccm/Moto2) drei Siege in einer GP-Saison errungen hat.

Danny Kent aus dem Leopard Honda-Team von Stefan und Jochen Kiefer holte 2015 in der Moto3-WM die Kastanien aus dem Feuer; er hat 2015 ausserdem als erster britischer Fahrer seit Barry Sheene in der Leichtgewichtsklasse (125 ccm, seit 2012 die Moto3) zwei WM-Rennen hintereinander gewonnen.

Nach der Blütezeit mit Barry Sheene (er gewann die 500er-WM auf Suzuki 1976 und 1977) haben die Briten im GP-Sport eine jahrzehntelange Dürreperiode erlebt. Dafür gab es Serienerfolge in der Superbike-WM – mit Fogarty, Hodgson, Toseland, Sykes und zuletzt Rea. Redding tritt seit 2020 ebenfalls in der seriennahen Weltmeisterschaft an.

In der Königsklasse hatten die Briten eigentlich seit 2013 wieder etwas zu feiern. Cal Crutchlow hat in der «premier class» insgesamt 19 Podestplätze abgeräumt, darunter drei Siege. Jetzt droht dort eine erneute Durststrecke.

So ruhen die Hoffnungen vor allem auf Moto2-Routinier Sam Lowes (30), der im Vorjahr seine vierjährige Durststrecke beendete und gleich drei Rennen in Folge gewann (in Le Mans und beim Aragón-Doppel). Als erster britischer Fahrer seit Phil Read 1971 gewann er in der zweithöchsten Klasse drei Rennen in Serie.

Damit schob sich Lowes auch in der Liste der erfolgreichsten Briten in der 250 ccm/Moto2-Kategorie in die Top-5 nach vorne: Phil Read führt die Liste mit 27 Siegen an, gefolgt von Mike Hailwood (21), Rod Gould (10), Bill Ivy (7), Sam Lowes (6) sowie Fergus Anderson, Maurice Cann und Scott Redding (je 3); dann folgen Mick Grant, Bob McIntyre, Cecil Sandford, Ralph Bryans, Arthur Wheeler, Charlie Williams und Chas Mortimer (je 2) sowie Alan Carter, John Hartle, Tom Herron, Bill Lomas, Jeremy McWilliams, Tommy Woods, Derek Minter, Tommy Robb, Alan Shepherd, John Surtees und Ray McCullogh (je 1).

Jake Dixon war in Le Mans auf dem besten Weg, sich ebenfalls in diese Liste einzutragen. Allerdings stürzte der Petronas-Sprinta-Fahrer fünf Runden vor Schluss in Führung liegend. Auf die Enttäuschung folgten die Ränge 4 und 7 beim Aragón-Doppel, dann ging die Saison Briten, der am heutigen 15. Januar seinen 25-jährigen Geburtstag feiert, aber frühzeitig zu Ende: Im FP2 des Europa-GP in Valencia (6. November) verletzte er sich schwer am rechten Handgelenk. Bis zum Auftakt in die neue Saison plant er, wieder voll fit zu sein.

Das Vereinigte Königreich hat 2021 auch in der kleinsten Klasse ein Ass im Ärmel: Der Schotte John McPhee (bisher drei GP-Siege) war in der Moto3-WM 2020 Siebter – und die Top-5 der WM-Tabelle stiegen allesamt in die zweithöchste Klasse der Motorrad-WM auf.

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