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Jürgen Lingg: Große Bedenken, noch größere Freude

Von Thomas Kuttruf
Schnellster im nassen zweiten Training, Dritter im Australien-Grand-Prix – Senna Agius ist in der Moto2-Weltspitze angekommen. Teamchef Jürgen Lingg über unvergessliche Tage, Kaffee, Nudeln und die Oma im Parc Fermé.

Intact-GP-Teamchef Jürgen Lingg engagierte mit dem Australier Senna Agius für die Moto2-WM ein doch eher unbeschriebenes Blatt. Während etliche Beobachter der mittleren Hubraumkategorie den jungen Aussie schon früh in der Saison auf dem Radar hatten – bei seinem zweiten Rennen holte Agius als 14. erste WM-Zähler – ließ der ganz große Durchbruch noch eine Weile auf sich warten.

Im Sinne der Fan-Euphorie hätte es sich mit dem ersten Podestplatz nicht besser abspielen können: Vor heimischer Kulisse auf Phillip Island bestieg der 19-Jährige nun erstmals die große Bühne.

Nach dem großen Fest und vor der neuen Aufgabe am kommenden Wochenende auf dem Chang International Circuit in Thailand schilderte der erfahrene Teamchef der Mannschaft aus Memmingen nochmals die außergewöhnlichen Ereignisse der letzten Tage. Zunächst gestand Jürgen Lingg: «Ich hatte ehrlich gesagt lange sehr gemischte Gefühle in Bezug auf Senna, was das Rennen in Australien angeht. Ich war mir nicht sicher, ob er in der Lage sein wird, mit all dem Trubel, um seine Person klarzukommen. Er ist dabei nicht nur ein 19-jähriger Rookie, sondern eben auch ein extrem ehrgeiziger Typ, der sich immer selbst dem größten Druck aussetzt.»

«Und dazu dann der ganze Medienrummel und die gesamte Familie aus Sydney. Ich hatte echt Bedenken, das es zu viel wird. Unsere Aufgabe besteht vor allem immer wieder darin, ihn zu entspannen. Und wenn er das hinkriegt, ist er extrem gut.», ergänzt Lingg nach der Ankunft in Buriram.

Dazu kommt – das letzte Rennen in Japan verlief überhaupt nicht Plan. Der Intact-Teamchef: «Japan war dazu echt mehr als unbefriedigend. Die unkonstanten Wetterbedingungen und das Phänomen der eigentlich trockenen Piste, aber nasser Luft haben allen die Nerven geraubt. Dazu eben die falsche Reifenentscheidung.»

In Australien löste der junge Athlet selbst dann alle Bedenken auf. Lingg: «Es war schon sehr kurios, was sich bereits am Samstag abgespielt hat. Mit Ausnahme einer Session in Aragon war Senna auf dem Moto2-Bike noch nie im Regen unterwegs. Damit er möglichst viel Zeit zur Eingewöhnung hat, haben wir ihn einfach durchfahren lassen– und er fährt auf Platz 1.»

Am meisten freute sich der Boss dann, dass der Rennsonntag einmal perfekt über die Bühne ging. Jürgen Lingg schiebt den großen Erfolg aber nicht allein auf die Extra-Motivation vor den begeisterten Fans: «Für mich war das fast schon überfällig. Senna hatte bereits mehrmals dieses Jahr die gleich guten Ansätze. Zuletzt in Indonesien hatte er bereits den Speed fürs Podium, wurde dann aber im Rennen abgeschossen. Und er hat jedes Mal dazu gelernt, er hat sich in meinen Augen rundum verbessert und immer nur nach vorne gearbeitet.»

Mit einem großen Schmunzeln berichtete Jürgen Lingg auch von dem positiven «Spirit» der Familie Agius rund um das Großereignis: «Es war wirklich cool – die Familie ist per Auto in zehn Stunden aus Sydney angereist und sie haben es während dem Event an nichts fehlen lassen und sich in einem Ferienhaus so eingerichtet, wie es Senna gefallen könnte. So hat er die Tage verbracht, mit seiner Kaffeemaschine, allen Utensilien für selbstgemachte Pasta – und der Oma, die es sich auch nicht nehmen ließ, am Sonntag ins Parc Fermè zu kommen.»

Kleines, aber feines Detail: Senna Agius trat auf Phillip Island mit einem speziellen Helmdesign an. Jürgen Lingg: «Senna war ganz happy und stolz, denn den Helm hat er gemeinsam mit Casey Stoner gestaltet.»

Speziell in den australischen Medien wird Senna Agius bereits als Hoffnungsträger der Nation und zukünftiger MotoGP-Pilot projiziert. Noch ist es so weit allerdings nicht. Das  Liqui-Moly-Intact-GP-Team war sich bereits früh mit Agius, dessen Familie und Familie für eine zweite Saison auf der deutschen Moto2-Kalex einig.

Verwunderlich ist dabei nicht, dass der 19-Jährige bereits für höhere Aufgaben im Gespräch ist. Jürgen Lingg: «Ein Podium im Debütjahr in dieser unfassbar engen Klasse, die durch den Einsatz der Pirelli-Reifen nochmals näher zusammengerückt ist, das ist außergewöhnlich.»

Die Rookie-Wertung führt Senna Agius mit 63 Punkten klar vor Diogo Moreira und Deniz Öncü an. Wie bitterhart es in der Moto2-WM zugeht, beweisen auch die Resultate der Moto3-Weltmeister der letzten beiden Jahre. Sowohl Jaume Masia als auch Izan Guevara liegen hinter dem aufstrebenden Aussie.

Ergebnisse Moto2-Rennen Phillip Island (20. Oktober):

1. Fermin Aldeguer (E), Boscoscuro, 23 Runden in 35:08,816 min
2. Arón Canet (E), Kalex, +0,194 sec
3. Senna Agius (AUS), Kalex, +7,228
4. Ai Ogura (J), Boscoscuro, +8,385
5. Diogo Moreira (BR), Kalex, +8,397
6. Manuel González (E), Kalex, +10,742
7. Barry Baltus (B), Kalex, +10,775
8. Tony Arbolino (I), Kalex, +17,343
9. Sergio Garcia (E), Boscoscuro, +17,591
10. Marcos Ramirez (E), Kalex, +17,721
11. Jeremy Alcoba (E), Kalex, +29,360
12. Darryn Binder (ZA), Kalex, 29,387
13. Albert Arenas (E), Kalex, +29,864
14. Filip Salač (CZ), Kalex, +30,077
15. Mario Aji (RI), Kalex, +30,465

Moto2-WM-Stand nach 17 von 20 Rennen:

1. Ogura 241 Punkte. 2. Canet 176. 3. Aldeguer 175. 4. Garcia 175. 5. Lopez 163. 6. Gonzalez 163. 7. Roberts 153. 8. Vietti 140. 9. Arbolino 135. 10. Dixon 133. 11. Ramirez 85. 12. Alcoba 79. 13. Chantra 78.14. Arenas 68. 15. Agius 63.

Konstrukteurs-WM:
1. Kalex 362 Punkte. 2. Boscoscuro 353. 3. Forward 16.

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