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Phillip Island: Vom Kalender nicht mehr wegzudenken

Kolumne von Günther Wiesinger
Landschaftlich kommt keine Rennstrecke an Phillip Island heran. Die Atmosphäre ist einzigartig und locker, es herrscht fast Urlaubsstimmung.

Rennfahrer, Teammitglieder und Berichterstatter sind sich einig. der Australien-GP auf Phillip Island war wieder einmal eine Reise wert.

Diese Insel rund zwei Autostunden südlich von Melbourne hat ihre landschaftlichen Reize, der Streckenverlauf ist einzigartig, die Fahrer haben das Meer vor den Augen, Turn 1 ist in der MotoGP-Klasse mit Tempo 320 eine Mutprobe, die Zielkurve auch, die wenigen Rechtskurven machen die Angelegenheit zur Herausforderung.

Schwer vorstellbar: Der asymmetrische Hinterreifen der Factory-Teams war links vier Stufen (!) härter als rechts.

Gardner brachte den GP-Tross nach Down Under

Ich kam 1989 und 1990 zum ersten Mal nach Phillip Island.
Als 500-ccm-Weltmeister von 1987 hatte Rothmans-Honda-Star Wayne Gardner in Down Under eine neue Motorradbegeisterung entfacht, plötzlich befand sich Australien auf der GP-Landkarte.

Doch 1991 wechselte das Geschehen für fünf Jahre nach Eastern Creek bei Sydney, ehe der GP-Tross 1997 wieder in seine Heimat im Staat Victoria zurückkehrte.

Casey Stoner begeisterte die Fans sechs Jahre hintereinander mit Siegen in der MotoGP-Klasse, zuletzt 2012, seither fehlt der Lokalmatador, Jack Miller wird als Moto3-Fahrer noch nicht ernstgenommen. Die «Aussies» mögen keine 250er, hier zählen nur die 1000er.

Der Phillip-Island-GP hat seinen eigenen Charme. Die Piste liegt 10 Minuten vom verschlafenen Nest Cowes (direkt am Meer) entfernt, wo viele Familien aus Melbourne Ferienwohnungen und Ferienhäuser haben, aber vor und nach dem, Grand Prix ist Cowes ausgestorben, gerade ist der Winter zu Ende gegangen. Vor drei, vier Wochen sanken die Temperaturen in der Nacht noch auf 6 Grad.
Die meisten Teams mieten ganze Ferienhäuser für 1200 australische Dollar pro Woche, eine willkommene Abwechslung zum Hotel-Dasein.

In den wenigen Restaurants findet man am Freitag und Samstag kaum einen freien Tisch, man schweift in Vororte aus, nach San Remo oder Rhyll. Am Weg ins Forshore-Restaurant nach Rhyll sah ich am Donnerstag ein neugieriges Wallaby am Strassenrand hocken. Ich fürchte, es wird nachher nicht mehr lange gelebt haben.

Was ist Wallaby ist? Naja, ich bin kein Zoologe, ich würde sagen: Ein dunkelbraunes Känguru. Man sieht sich zumindest ähnlich.
Mitunter hopst auch einmal ein Wallaby während des Trainings über die Rennstrecke, auch andere Exemplare aus der Tierwelt treten dort in Erscheinung, manchmal in selbstmörderischer Absicht. Im Vorjahr schoss Jorge Lorenzo buchstäblich den Vogel ab, als im Qualifying eine Seemöwe in seinem Vorderrad Zuflucht suchte und diese Mitfahrgelegenheit mit dem Leben bezahlte.

Am Freitag in Australien lädt mich mein ehemaliger GP-Fotograf Lou Martin traditionell zum Barbecue ein, er mietet dort jedes Jahr ein Hause für das GP-Wochenende.

Seine Kumpel bezeichnen sich offen als «drinky drinky bastards», Bier ist das Grundnahrungsmittel, das Grillfleisch und die Würste sind Nebensache.

Als wir uns vor ein paar Jahren einmal wegen der kühlen Witterung nach dem Barbecue ins Haus zurückzogen, sass fünf Minuten später ein dicker Opossum auf dem Grill – und frass die Überreste auf.

An der Ortsgrenze von Cowes existiert ein «Wildlife Park», dort sind auch Tasmanische Teufel zu sehen; diese unfreundlichen Raubtiere sind nicht grösser als eine Katze, haben aber die grösste Beisskraft von allen Tieren dieser Welt.

Am Abend brechen manche Fans und GP-Mitglieder zur «Pinguine Parade» auf, sie ist keine 15 Minuten von der Rennstrecke entfernt.
Dort watscheln jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit Hunderte Königspinguine aus dem Meer, sie nächtigen dann in kleinen Höhlen im sandigen Gebüsch in Ufernähe.

Die Parade ist ungefähr so spannend, wie wenn in Thüringen eine Bratwurst platzt. Aber die Japaner sind von diesem Schauspiel hingerissen, sie werden zu Dutzenden in Autobussen herangekarrt und kaufen sich dann Handschuhe mit Pinguinen drauf, Schals und merkwürdige Kopfbedeckungen.

Immerhin eine Abwechslung. In Europa habe ich in Rennstreckennähe noch nicht viele Pinguine angetroffen.

Und warum sie ausgerechnet alle immer ausgerechnet auf genau diesen 200 Metern Strandbreite aus dem Meer auftauchen und nirgends sonst, habe ich bisher nicht erforscht.

Diese Recherche erledige ich nächstes Jahr.

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