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Stefan Dörflinger: Der König der Schnapsglas-Klasse

Von Günther Wiesinger
Der 70-jährige Schweizer Stefan Dörflinger wird beim Sachsenring-GP für seine vier WM-Titel geehrt. Im Interview erzählt er, warum ihn die großen Klassen nie gereizt haben.

Stefan Dörflinger wird am kommenden Donnerstag auf dem Sachsenring bei einer feierlichen Ehrung durch Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta in die virtuelle «Hall of Fame aufgenommen, wie viele andere MotoGP-Legenden vor ihm. Er wird seine WM-Siegermaschinen von 1983 und 1984 mitbringen, die 50-ccm-Krauser und die 80-ccm-Zündapp. Dazu eine Schaufensterpuppe mit seinem Aprilia-Marlboro-Lederkombi von 1990 und seinen Helm. Der langjährige Mechaniker Bryan Fogg aus England sollte sich um die Maschinen kümmern, aber er hat einen Schlaganfall erlitten und musste sich entschuldigen.

«Steffi» Dörflinger fuhr in seinen besten Jahren in den kleinen Klassen in Werksteams von Kreidler und Zündapp. Die ersten Erfolge errang er in der Schweizer Meisterschaft, für die er sich aber nie richtig begeistern konnte. «Ich habe die ersten Rennen 1970 bestritten. In der Schweiz fanden damals nur Bergrennen statt, das hat mir nie gefallen, diese Scheißberge hochzufahren.»

Nur ein Rundstreckenrennen im Jahr gehörte zur Schweizer Meisterschaft, es fand jeweils in Hockenheim statt. Dörflinger: «Damals existierten in der Schweiz die Lizenz-Kategorien Debütant, National und International. In Hockenheim sind alle drei Lizenzklassen gemeinsam in einem Rennen gefahren. Da habe ich als Debütant gegen die Inter-Fahrer gleich gewonnen, weil es ringsrum gegangen ist…»

Dörflinger gehörte mit 172 Zentimetern zu den größeren 50-ccm-Piloten. «Damals wog ich 60 bis 62 kg. Heute sind es 3 kg mehr», lacht der 70-jährige Basler, der inzwischen seit 27 Jahren mit Corinne (52) verheiratet ist.

Dörflinger: «Die 125er war ein Spesen-Motorrad»

In der 50-ccm-Zweitakt-Ära war es gang und gäbe, dass manche Fahrer ihre ganze Karriere in den kleinen Klassen verbrachten. Nieto, Martinez, Lazzarini, Tormo und etliche Niederländer (dank van Veen-Kreidler) gehörten dazu.

Aber Dörflinger stellte auch in der 125er-WM seinen Mann. 1981 beendete er den Hockenheim-GP mit einer MBA-Krauser auf dem 2. Platz, 1979 gelang ihm beim Jugoslawien-GP Rang 3. Insgesamt hat er in der 125-ccm-Klasse 31 Top-Ten-Plätze verbucht.

Nach der Saison 1983 wurde der Hubraum in der Schnapsglasklasse von 50 auf 80 ccm erhöht. Die Leistumg stoeg von ca. 23 auf 34 PS. Nach 1989 wurde diese Kategorie aus dem WM-Programm gestrichen, die 350er fielen schon nach 1982 dem Rotstift zum Opfer. Nach 1992 gehören nur noch 125, 250 und 500 ccm zum fixen GP-Programm, manchal auch die Seitenwagen.

Dörflinger galt als Gentleman-Fahrer, als Stilist im Sattel. Nicht nur dank seiner Erfolge, sondern auch durch sein gepflegtes Auftreten und seine guten Umgangsformen war er bei allen Werken und Sponsoren gern gesehen.

Der Schweizer fuhr nach dem Ende der 80er-WM 1990 noch eine komplette Saison in Marlboro-Lackierung auf einer Aprilia 125, er zog sich nach dem Finale in Ungarn vom Rennsport zurück.

Seit dem Rückzug 1990 hat Dörflinger nur einmal einen Grand Prix besucht, 2004 in Valencia. Deshalb freut er sich jetzt auf das Treffen mit alten Gefährten wie Dieter Braun und Toni Mang sowie Jorge Martinez, der auf der Derbi ein starker Gegner war.

Trotz respektabler Ergebnisse hat Dörflinger in der 125er-WM den richtigen Duchbruch nie geschafft. «Zur damaligen Zeit war die 125er für mich in erster Linie ein Spesen-Motorrad», schildert er. «Ich bin damit nur gefahren, um bei den Veranstaltern das doppelte Startgeld kassieren zu können, bei den Grand Prix und bei den internationalen Rennen. So richtig hat mich die 125er nie interessiert.»

Dörflingers Landsmann Bruno Kneubühler stieg von der 50er- bis zur 500er und 750er-Klasse auf. Dörflinger schaffte es kurz in die 250er-Klasse, WM-Punkte holte er dort nie. «Fahrer wie ich haben sich damals auf die kleinen Klassen spezialisiert. Wenn du dort konkurrenzfähig warst und immer um den WM-Titel gekämpft hast, hatte ein Klassenwechsel keinen großen Reiz. So war halt damals das System. Mich haben die hubraumstarken Motorräder nie gereizt. Für mich wäre das auch nicht finanzierbar gewesen.»

Als Serien-Weltmeister kassierte Dörflinger damals geschätzte 200.000 Franken im Jahr; solche Einnahmen blieben den meisten Halbliter-Piloten versagt.

Titel

Zu Dörflingers Zeiten waren Todesstürze auf den teilweise nicht permanenten GP-Strecken keine Seltenheit. Sein Schweizer 50-ccm-Rivale Ueli Graf verunglückte 1977 auf dem gefährlichen Straßenkurs in Opatija tödlich. Clubkollege Werner Pfirter starb 1973 bei einem Verkehrsunfall, die Schweizer Hans Stadelmann (1977 in Salzburg), Werner Giger, aber die Schweizer Michel Frutschi (Le Mans 1983), Werner Giger (1974 in Hämeenlinna), Gespannfahrer Ernst Trachsel (bei der TT auf der Insel Man 1978) und Franz Kunz (Le Castellet 1977) verunglückten auf Rennstrecken.

Zu dieser Zeit wurde auf dem 14,1 km langen Strassenkurs in Spa-Francorchamps von Phil Read 1974 mit der MV Agusta 500 im Zeittraining ein Schnitt von 210,012 km/h erzielt. Barry Sheene fuhr dann 1975 mit der Suzuki 500 sogar 217,948 km/h Schnitt, 1976 bereits 218,135 km/h.

Krauser trat immer als Retter auf

Dörflinger wurde in der kleinsten WM-Klasse von 1982 bis 1985 viermal hintereinander Weltmeister, aber nie zweimal hintereinander auf demselben Fabrikat.

Dörflinger: «Ich bin 1982 im van-Veen-Kreidler-Werksteam gefahren. Immer wenn ein Werk Konkurs gegangen ist, hat Sponsor Mike Krauser den Rennstall und das Material aufgekauft. 1984 habe ich als Zündapp-Werksfahrer die erste 80-ccm-WM der Geschichte gewonnen. 1983 habe ich bereits Testfahrten mit der 80er gemacht, weil diese Rennmaschinen auch Konstrukteur Herbert Rittberger gebaut hat. Nach der Saison 1983 hat Zündapp Bankrott gemacht, Krauser hat das Werksteam wieder aufgekauft…»

Von der Standfestigkeit der heutigen Rennmotoren konnten die Zweitakt-Asse damals nur träumen. «Kolbenklemmer, kaputte Kurbelwellen, es gab viele Ausfälle. Deshalb war wichtig, dass man über gutes Material verfügte», hält Dörflinger fest.

1989 fand die letzte 80er-WM statt. «Damals bin ich mit 41 Jahren hinter Manuel Herreros noch einmal Vizeweltmeister geworden. Wenn Peter Öttl bei seinem Sturz in Brünn kurz vor dem Ziel den Spanier mitgerissen hätte, wäre ich den Weltmeistertitel gewonnen», erinnert sich Steffi.

Auch der Österreicher Hans Hummel hat einmal unfreiwillig einen WM-Titelgewinn des Schweizers vereitelt. «1980 hätte ich auf dem 22,8 km langen Nürburgring das letzte 50-ccm-Rennen der Saison gewinnen müssen; Lazzarini hätte nicht Zweiter werden dürfen. Ich habe Hummel in der letzten Runde 5 km vor dem Ziel überholt und den WM-Lauf gewonnen. Aber Hummel ist leider kurz nach meinem Überholmanöver gestürzt, so ist Lazzarini auf Platz 2 gelandet. Hummel hat sich zwar aufgerappelt, aber er ist fünf Meter hinter Lazzarini ins Ziel gekommen», kann sich Dörflinger heute noch bestens an diese Szene und den verpassten WM-Titel erinnern.

Stefan Dörflingers Titelgewinne:

1982: 50-ccm-Weltmeister auf Kreidler
1983: 50-ccm-Weltmeister auf Krauser
1984: 80-ccm-Weltmeister auf Zündapp
1985: 80-ccm-Weltmeister auf Krauser

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