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Aki Ajo: Erfolg mit Zuckerbrot und Peitsche

Kolumne von Günther Wiesinger
Der Finne Aki Ajo hat in den letzten 13 Jahren mit seinen Teams sechs Fahrer-WM-Titel gewonnen – 2016 erstmals gleich zwei mit Binder und Zarco. Wie lautet sein Erfolgsgeheimnis?

Der finnische Teambesitzer Aki Ajo hat uns während der Moto3-WM-Saison 2013 mehrmals erzählt, er sei dabei, dem spanischen Hitzkopf Luis Salom ruhiges, finnisches Blut zu injizieren, um dem inzwischen tödlich verunglückten Red Bull KTM-Werksfahrer während der Rennen zu mehr Gelassenheit, Ruhe und Übersicht zu verhelfen.

Meistens wirkt Aki Ajo, der ehemalige Rennfahrer und leidenschaftliche Teamchef, ungeheuer unerschütterlich und nervenstark.
 
Aber nach Highlights wie dem Titelgewinn von Brad Binder beim Aragón-GP im September 2016 gingen auch mit Aki Ajo die Emotionen durch. Der Teamchef gab mit brüchiger Stimme die ersten Interviews. Kein Wunder, denn in der Moto3-WM war er in den Jahren mit seinen Titelanwärtern Luis Salom (2013), Jack Miller (2014) und Miguel Oliveira (2015) dreimal hintereinander beim Finale knapp gescheitert.

Besonders schmerzhaft war der Titelverlust 2015, denn der Portugiese Oliveira hatte nach dem Misano-GP 110 Punkte auf den späteren Weltmeister Danny Kent wettgemacht und den Fight schließlich nur um sechs Punkte verloren.

Auch der sensationelle Erfolg des 15-jährigen Türken Can Öncü beim Moto3-WM-Debüt 2018 beim Regenrennen in Valencia brachte den finnischen Teambesitzer aus der Fassung.

Dabei betont Aki Ajo gerne, Siege und Titelgewinn seien im Motorsport nicht das Wichtigste.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit.

Wer mit Mike di Meglio (2008), Marc Márquez (2010), Sandro Cortese (2012) und Brad Binder viermal Weltmeister in der kleinsten GP-Klasse war, will sich nicht mit Almosen zufrieden geben, schon gar nicht, wenn langjährige treue Partner wie KTM und Red Bull und WP Suspension hinter diesem Projekt stehen.

Aki Ajo hat sich auf ein Risiko eingelassen, als er sich für 2012 mit der Offroad-Firma KTM für das Moto3-Abenteuer verbündete, während die meisten anderen Teambesitzer auf Honda setzten – oder auf Kalex-KTM, weil sie dem Gitterrohrstahlrahmen und der WP Suspension misstrauten.

Aber das Risiko hat sich gelohnt. Kein Hersteller war in den neun Moto3-Jahren erfolgreicher als die Innviertler, die fünf Fahrer-Titel und fünf Marken-WM-Titel und bisher total 110 GP-Siege errangen.

Aki Ajo hat gelernt, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. 2014 betrieb er noch drei getrennte Moto3-Teams mit zwei Marken (KTM und Husqvarna) und mit fünf Piloten. 2016 setzte er nur noch zwei Fahrer pro Klasse (Moto3 und Moto2) ein. 2021 werden es der WM-Sechste Jaume Masia und Red Bull Rookies-Cup-Sieger Pedro Acosta sein, in der Moto2-WM Raúl Fernandez und Remy Gardner. «Ich habe in den letzten Jahren herausgefunden, dass Zweier-Teams die ideale Lösung sind», sagt Ajo.

Starke Moto2-Bilanz

Denn Ajo Motorsport ist seit 2015 auch in der Moto2-WM aktiv – mit einer hinreißenden Erfolgsquote. Zwei Titelgewinne und nicht weniger als 15 Moto2-GP-Siege mit Johann Zarco wurden in den ersten zwei Jahren gefeiert, eine einmalige Bilanz, die alle Gegner vor Neid erblassen ließ. Dann baute KTM für 2017 selbst erstmals eine Moto2-Maschine, das Red Bull Ajo-Team heimste im ersten Jahr drei Siege ein und brachte Miguel Oliveira auf den dritten WM-Rang (hinter Morbidelli und Lüthi). 2018 landeten Oliveira und Brad Binder auf den WM-Rängen 2 und 3. Beide KTM-Fahrer gewannen je drei Grand Prix. 2019 verpasste Binder den Titelgewinn nur um 4 Punkte gegen Alex Márquez.

Auch die Moto2-Bilanz 2020 kann sich sehen lassen. Tetsuta Nagashima gelang bei den ersten zwei Rennen in Doha und Jerez ein erster und ein zweiter Platz, er war dann WM-Leader, fiel aber in der WM bis auf den achten Rang zurück und wurde deshalb durch Portugal-Sieger Gardner ersetzt. «Ich traue Remy sehr viel zu. Er wird auch ein Kandidat für die MotoGP-WM», ist Ajo überzeugt, dessen Rennstall total schon 96 GP-Siege und 196 Podestplätze vorzuweisen hat.

Damit ist Aki Ajo längst zum erfolgreichsten Teambesitzer in den kleinen Klassen avanciert. Er stellt Aspar Martinez, Sito Pons, Emilio Alzamora und Fausto Gresini in den Schatten, auch wenn diese Herrschaften als Rennfahrer wesentlich erfolgreicher waren als Aki, der als 125-ccm-GP-Fahrer nie einen WM-Punkt ergattert hat. Der Finne bestritt in seiner Karriere nur einen Grand Prix, und zwar in der 125er-Klasse. Das war auf dem Salzburgring im Jahr 1993. Über die damalige fahrerische Performance des Weltmeister-Machers (Platz 25) hüllen wir den Mantel des Schweigens.

Natürlich hat auch Aki Ajo nicht überall ein goldenes Händchen gehabt und manchmal nicht immer das Maximum aus seinen Schützlingen herausgeholt. Danny Kent zum Beispiel blühte erst 2015 bei Leopard richtig auf. Auch Rookies wie Karel Hanika, Bo Bendsneyder oder Can Öncü konnten sich unter dem erfolgsorientierten Teamchef nie richtig entfalten.

Anderseits Ajo hat auch aus aussichtslosen Fällen schon Titelanwärter geformt. Für 2016 gab es zum Beispiel vor der Saison mindestens drei Fahrer, die höher eingeschätzt wurden als Brad Binder. Wer hätte dem Südafrikaner diese beispiellose Siegesserie mit sieben GP-Erfolgen 2016 zugetraut?

Über sein Erfolgsgeheimnis will Aki Ajo nicht reden. Aber er führt ein hartes Regime, er agiert mit Zuckerbrot und Peitsche. Selbst sein Sohn Niklas durfte 2014 im Husqvarna-Ajo-Werksteam mit keinen familiären Vergünstigungen oder mit übertriebener väterlicher Zuneigung rechnen. Aki verbat sich jede Bevorzugung. Er wollte den Junior sowieso lieber in der Box beim Arbeiten sehen als auf der Rennstrecke. Als er einmal verletzt war, teilte er ihn gleichen als Data-Recording-Ingenieur ein. Niklas ist inzwischen Manager des Ajo-Junior-Teams, er führte Can Öncü 2018 zum Sieg in Valencia. Niklas agiert auch als Crew-Chief im Ajo-Team.

Wer erfolgsorientiert arbeitet, wer Akis Zielstrebigkeit teilt und die nötige Angriffslust an den Tag legt, genießt bei Ajo Motorsport ein herrliches Leben.

Wer die hohen Ansprüche nicht erfüllt, muss gehen. Das haben zweifellos hoch talentierte Fahrer wie Jonas Folger, Arthur Sissis, Danny Kent, Karel Hanika, Bo Bendsneyder und andere zu spüren bekommen. Und in den letzten Jahren auch Darryn Binder und Nagashima.

Ob die erfolgreiche Marke «Ajo Motorsport» irgendwann auch in der MotoGP-WM eine Rolle spielen wird, lässt sich schwer einschätzen.

Als gewiefter und manchmal schlitzohriger Geschäftsmann weiß der Weltmeister-Macher, dass sich so manche Kollegen in der Königsklasse finanziell schwer verausgabt haben – man denke nur an Luis d'Antin, an das Interwetten-Team von Dani Epp 2010, an Martinez, Forward und Avintia.

Als «Aspar» Martinez ein MotoGP-Team betrieb, konnte er sich bald kein Moto2-Team mehr leisten und in der Moto3 nicht mehr um den Titel kämpfen. Er war auf kostenloses Mahindra-Material angewiesen. Nach 2018 sperrte er es zu, gewann mit KTM zweimal (Fahrer: Rául Fernandez und Izan Guevara) die Junioren-WM und 2020 mit Albert Arenas auch die Moto3-WM.

Ajo hat in den beiden kleinen Klassen 2016 die Weltmeisterschaft im selben Jahr gewonnen – mit Brad Binder und Johann Zarco. Er kann auf die MotoGP vorläufig gut verzichten.

Der Finne hat sogar geholfen, den Finnland-GP wieder zurück auf den Kalender zu bringen – 2021 wird erstmals ein WM-Lauf auf dem neuen KymiRing gefahren.

Deshalb sollten zwei finnische Rennfahrer für die WM aufgebaut werden. Patrick Pulkkinen fuhr 2017 bei Prüstel-Peugeot die Moto3-WM. Und Supersport-WM-Talent Niki Tuuli wurde 2018 zum Petronas-Moto2-WM-Team befördert. Aber beide Finnen haben keinen GP-Vertrag mehr, Tuuli gewann immerhin bei Ajo 2019 ein Rennen des neuen MotoE-Weltcups.

Die WM-Titelgewinne von Ajo Motorsport

2008: 125 ccm, Mike di Meglio auf Derbi
2010: 125 ccm, Marc Márquez auf Derbi
2012: Moto3, Sandro Cortese auf KTM
2015: Moto2, Johann Zarco auf Kalex
2016: Moto2, Johann Zarco auf Kalex
2016: Moto3, Brad Binder auf KTM

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