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Pit Beirer: «Wollen Sport sehen, kein Schlachtfeld»

Von Günther Wiesinger
KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer befürwortet die Erhöhung des Mindestalters im GP-Sport und in den Nachwuchsserien und macht handfeste Gründe dafür geltend.

Nach den drei tödlichen Unfällen von Jason Dupasquier, Hugo Millán und Dean Berta Viñales in diesem Jahr wurden vor einer Woche das Mindestalter für die GP-Klassen Moto3 und Moto2 von 16 auf 18 Jahre angehoben. Diese Vorschrift tritt 2023 in Kraft und birgt einige Ungereimtheiten. Denn wer vorher in einem jüngeren Alter in die WM einsteigt, muss nicht mehr raus. Deshalb ist zum Beispiel der Niederländer Zonta van den Goorbergh (er wird am 1. Dezember 16) der neue Moto2-Pilot beim NTS RW Racing Team geworden.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, Husqvarna und GASGAS, befürwortet die neuen Vorschriften, von der auch alle Nachwuchsmeisterschaften betroffen sind.

Die neuen Regeln finden bei den meisten Fahrern und Verantwortlichen viel Zustimmung. Aber es wird auch zu ein paar merkwürdigen Vorkommnissen kommen. Manche Teams müssen jetzt überlegen, wie sie ihre Talente vor dem 18. Lebensjahr noch rechtzeitig in die WM bringen.

So hat der noch nicht 16-jährige David Alonso 2021 den Red Bull Rookies Cup gewonnen. Er könnte als Cup-Gewinner schon vor dem 16. Geburtstag in die Moto3-WM aufsteigen. Aber Teambesitzer Jorge «Aspar» Martinez schickt ihn im GASGAS Junior-Team noch ein Jahr in die Junioren-WM. Wenn er sie nicht gewinnt, kann Alonso womöglich 2023 nicht in die WM einsteigen!

Pit, du hast von einer Übergangsperiode gesprochen, weil jetzt noch etwas Unklarheit bei gewissen Streitfragen herrscht, die in der Eile nicht reiflich überlegt wurden.

Aspar ist ein vernünftiger Mensch, er hat ein Gefühl für die Talente. Er wollte den Burschen noch ein Jahr in Spanien fahren lassen, bevor er ihn in die WM bringt.

Jetzt ist halt das Thema: Wenn er ihn 2022 nicht in den GP-Sport bringt, fährt er 2023 auch nicht in der Moto3-WM.

Wenn Alonso einige Wildcard-Einsätze fährt, das gilt nicht? Und die Regelung, dass er als Rookies-Cup-Sieger früher in die WM darf, die verfällt bis dahin?

Naja, das muss man jetzt alles noch im Detail prüfen.

Aber ich möchte das Thema jetzt nicht an den Schicksalen von einzelnen Fahren aufhängen, denn der Schritt ist einfach richtig.

Jetzt wird es einzelne Schicksale von Piloten geben, bei denen es die Karriere echt verändern wird. Aber wir können nicht für ein Mindestalter von 18 Jahren plädieren und dann die Schlupflöcher für die 16-Jährigen suchen.

Die neue Regel ist da, sie ist hart. Doch sie ist richtig.

Denn man hat über alle möglichen Maßnahmen diskutiert. Es hat zwischen 60 bis 100 Safety-Meetings mit den Fahren gegeben, um über diese gefährlichen Szenen zu sprechen. Man hat den jungen Fahrern immer wieder klar gesagt, was sie alles nicht tun sollen.

Aber die Sündenböcke aus der letzten Reihe oder aus der Boxengasse starten zu lassen, das hat alles nichts gebracht und keine Verbesserung bewirkt.

Ich glaube, dass es vernünftig ist, jetzt diesen Schritt mit der Erhöhung des Mindestalters zu machen. Dann haben die Jungs ein bisschen mehr Zeit und weniger Druck, denn sie müssen nicht mehr mit 16 Jahren einen guten GP-Platz erwischt haben, weil sie sonst nie mehr in diese Szene reinkommen.

Wir werden jetzt dieses Reglement nicht mehr wegen einzelnen betroffenen Fahrern kippen.

Aleix Espargaró sagte, man wolle die 14-jährigen Fahrer nicht mehr auf eine schnelle GP-Strecke bringen. Aber im Rookies Cup fahren sie in diesem Alter weiter auf GP-Strecken.

Es geht nicht um die GP-Strecken, es geht um den Druck und um die Weltmeisterschaft.

Die Väter der Talente werden inzwischen zum Teil um stattliche Summen gefragt, wenn sie ihre Söhne in ein GP-Team bringen wollen. Da werden 300.000 Euro fällig, wenn man den Sohn in ein Moto3-GP-Team einkaufen will. Ich habe in Misano eine neue Preisliste dazu gesehen.

Das betrifft einen Fahrer, der jetzt schon Grand Prix fährt und einen Platz für 2022 sucht.

Da werden 300.000 Euro an Mitgift aufgerufen. Dadurch entsteht bei den Fahrern immens viel Druck. Das sind Familien, das sind ja womöglich Existenzen, die da ruiniert werden für eine einzelne Rennsaison.

Im Rookies Cup wird das Einstiegsalter auch um ein Jahr angehoben. Die Talente sollen ja auf den GP-Strecken fahren und dort was lernen. Aber sie sollen nicht den Druck haben, dass sie mit 14 Jahren schon das Ticket für den GP-Sport lösen müssen. Sie sollen lieber eine solide Grundausbildung erhalten.

Das ist besser, als im Rookies Cup ein halbes Jahr mit dem Messer zwischen den Zähnen zu fahren, um dann einen GP-Platz zu bekommen.

Zonta van den Goorbergh kommt aber vor Inkrafttreten des neuen Mindestalters mit kaum 16 noch in die Moto2.

Ja, wir werden in dieser ‚transition period‘ ein paar Sachen erleben, die unlogisch sind. Aber wir mussten ein Strich ziehen. Und natürlich müssen wir nicht glauben, dass durch diese Vorschriften alle Probleme auf der Rennstrecke gelöst werden.

Aber alle Eltern wissen, wie sich die Kinder zwischen 14 und 18 entwickeln. Da passieren täglich Schritte, nicht nur wöchentlich.

Und wenn man mit den Burschen im GP-Sport mit 18 Jahren ein bisschen vernünftiger reden kann, hilft das.

Aber wenn ein 18-Jähriger auf der Startgeraden von ganz links nach ganz rechts fährt, rumpelt es trotzdem.

Also werden diese beinharte Schulung und die knallharten Sperren notwendig sein, um den Jungs zu zeigen: Wir wollen Sport sehen und kein Schlachtfeld.

Aber wenn du überholen willst, musst du irgendwann aus dem Windschatten ausscheren. Das ist halt Rennsport. 

Aber die Leistungsdichte in der Moto3 ist enorm. Es gibt zwei Hersteller, die sich auf Augenhöhe bekriegen. Die Bikes sind so ebenbürtig, das ergibt einen Wahnsinnspulk. 

Deshalb geht es nur mit den Verhaltensregeln der Akteure auf der Strecke. Es geht nicht von außen. 

Mit der Strafe für zwei Rennen von Deniz Öncü als Sturzverursacher in Texas bist zu einverstanden?

Ja, absolut. Mich ärgert es jetzt, dass es genau ihn erwischt hat. Abe man muss fairerweise sagen: Das ist ein wilder Hund. Für mich im positiven Sinne. Er hat schon viele wilde Aktionen gerissen. Jetzt hat es ihn erwischt.

Aber wenn jetzt ein Öncü für zwei Rennen daheim bleiben darf, müsste meiner Meinung nach Rodrigo schon lange keine Lizenz mehr haben. 

Wenn das jetzt ein Neuanfang war und die harten Regeln für jeden angewendet werden, bin ich voll dabei. Aber wenn die Sperre von Deniz eine einmalige Aktion war, habe ich kein Verständnis.

Wir haben die Fahrer angefleht: «Bitte seid im Qualifying vernünftiger, bitte wartet und bummelt nicht auf der Ideallinie, bitte macht diesen ganzen Blödsinn nicht.»

Wenn das alles nichts fruchtet, muss das Konsequenzen haben. Und das haben Dorna, FIM und IRTA jetzt beschlossen. 

Ich stehe dazu, auch wenn es jetzt einen von uns erwischt hat.

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