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Nicky Hayden: Der Abschied von einem coolen Superstar

Von Günther Wiesinger
Wir wollten es tagelang nicht wahrhaben. Aber am Wochenende hat sich bereits abgezeichnet, dass sich Nicky Hayden von seinem Rennradunfall nie mehr erholen wird. Ein Drama: Nicky wollte im Sommer heiraten.

Es war eine Entscheidung, vor die niemand jemals im Leben gestellt werden möchte. In den Tagen nach dem schweren Rennradunfall von Nicky Hayden mussten seine Eltern Rose und Earl gemeinsam mit den Geschwistern Tommy, Roger, Kathleen und Jenny entscheiden, ob man den klinisch toten Motorradstar künstlich am Leben erhalten wollte, obwohl nach dem Unfall praktisch keine Gehirnströme mehr gemessen werden konnten. Mindestens zwei lebenswichtige Organe hatten bereits unmittelbar nach dem Unfall versagt. Deshalb sprachen die Ärzte von einem Polytrauma.

Tommy Lee Hayden, Ex-Rennfahrer, Bruder und Manager von Nicky, schickte am Donnerstag und Freitag noch alle vorhandenen Befunde an Neurologen in Amerika. Aber offenbar kamen keine positiven Nachrichten aus den USA nach Cesena, bei diesem schweren Schädel-Hirn-Trauma waren sämtliche ärztlichen Künste machtlos.

Nickys schwer geprüfte Lebensgefährtin Jackie wachte tagelang im Ospedale Maurizio Bufalini in Cesena, von Honda Motor Europe kamen Marco Chini und Motorsport-Direktor Robert Watherston.

Für Nickys langjährige Freundin Jackie ging die Welt unter. Die Hochzeitsvorbereitungen waren voll im Gange, beim Superbike-WM-Lauf vor acht Tagen in Imola zeigte sie die Fotos der bisherigen Einkäufe ihrer Freundin Pippa Laverty.

Noch gestern waren in Le Mans überall Aufkleber und Hinweise mit der Aufschrift «Go Nicky #69» zu sehen, auch Marc Márquez fuhr drei Tage lang mit dem Hashtag #staystrongnicky um die Strecke.

Livio Suppo, der Teamprinzipal von Repsol Honda, der Hayden einst zu Ducati geholt hat, ihn dann in seiner Honda-Zeit wieder ins Open-Class-Honda-Team von Jorge Martinez transferierte und dann den Wechsel ins Honda-Superbike-Team befürwortete, reiste nach dem Le-Mans-GP sofort nach Italien und fuhr nach Cesena, um der befreundeten Familie beizustehen.

Es ist zu vermuten, dass die Familie Hayden nicht zuletzt deshalb bis Montag mit dem Entschluss gewartet hat, weil man beim GP de France in Le Mans den Motorradsportfans nicht die gute Laune verderben wollte.

Dort unterhielten sich die Rennfahrerfreunde von Nicky Hayden ausgiebig über die Ursache der überhand nehmenden schweren Rennradunfälle. Pol Espargaró: «In Spanien starben im Jahr 2016 insgesamt 33 Rennradfahrer, jetzt waren es 2017 in knapp fünf Monaten schon 28.»

Eine Ursache ist sicher die Zunahme des Autoverkehrs, ein weiterer das weitgehende Fehlen von Radwegen in Italien und Spanien.

Wenige Stunden vor dem fatalen Rennradunfall traf Nicky Hayden übrigens zufällig seinen Freund Kevin Schwantz an der Adria. Nicky lud den Texaner zu einer Rennradtour ein.

«Ich war joggen und auf dem Rückweg zu meinem Hotel», erzählte Kevin Schwantz, der 500-ccm-Weltmeister von 1993 auf Suzuki. «Ich bin von Gabicce Mare weggelaufen und habe Nicky getroffen, der auch trainiert hat. Wir sind ein Stück des Weges miteinander gelaufen. Nicky hat mich dann gefragt, ob ich am Nachmittag mit ihm einen Rennradausflug machen möchte. Ich musste dankend ablehnen, weil ich kein Rennrad dabei hatte und keine passende Bekleidung. Ein paar Stunden später habe ich vom Unfall gehört...»

Schwantz weiter: «Es fällt mir schwer zu akzeptieren, was da passiert ist. Ich will jetzt nicht behaupten, es wäre alles anders verlaufen, wenn wir gemeinsam unterwegs gewesen wären. Aber vielleicht wären wir ganz woanders hingefahren.»

Inzwischen sind Filmaufnahmen einer Closed Circuit TV-Kamera (CCTV) von dieser Kreuzung in Misano aufgetaucht und ausgewertet worden, die zeigen sollen, dass Nicky Hayden aus einer Nebenstraße rausfuhr und den Vorrang missachtete. Aber der 30-jährige Unfalllenker soll zu schnell unterwegs gewesen sein. Offenbar hörte er auch Musik beim Radfahren.

In der Bufalini-Klinik lag nach dem 20. Mai auch die erfolgreiche deutsche Triathletin Julia Viellehner (31). Sie wurde beim Rennradtraining von einem Lkw gerammt und meterweit mitgeschleift. Die Extremsportlerin aus Windhöring in Bayern war im Trainingslager in der Nähe von Rimini an der Adria, als der Unfall passierte. Der schreckliche Unfall geschah vor den Augen ihres Lebensgefährten Tom Stecher (48) und eines Freundes am Passo delle Forche.

Auch Julia Viellehner wurde nach dem Unglück mit einem Hubschrauber ins Maurizio Bufalini Krankenhaus in Cesena gebracht. Sie befand sich tagelang im künstlichen Koma und musste inzwischen ihren Sport auch mit dem Leben bezahlen. Sie wurde wenige Stunden vor Nicky Hayden für tot erklärt.

Nicky Hayden: Rennfahrer aus Leidenschaft

Der immer freundliche und gut gelaunte Nicky Hayden war ein allzeit liebenswürdiger junger Mann. Er kannte auf der Rennstrecke keine Gnade, er war eine Kämpfernatur, er kämpfte sich nach vielen Verletzungen immer wieder zurück. Auch vor zwei Jahren, als ihm vier kleine Knochen aus dem rechten Handgelenk entfernt werden mussten und die Beweglichkeit beim Gas geben und Bremsen lange Zeit stark eingeschränkt war. «Ich muss halt jetzt einiges mit dem Ellenbogen machen, was ich bisher mit dem Handgelenk gemacht habe», stellte er trocken fest.

Nicky hatte keine Feinde im Fahrerlager, er wurde allseits respektiert, er galt als Kämpfernatur und als leidenschaftlicher Rennfahrer.

«Nicky hatte es längst nicht mehr nötig, Motorradrennen zu fahren. Er hatte finanziell ausgesorgt», sagte Cal Crutchlow in Le Mans. «Aber Nicky fuhr weiter, weil er den Rennsport liebte. Er hätte schon nach der Ducati-Zeit aufhören können. Aber er blieb noch zwei Jahre beim Martinez-Team in der Open-Class. Ich will nicht sagen, er ist dann in die Superbike-Klasse abgestiegen. Aber auch das hätte er sich nicht mehr antun müssen. Er wollte aber weiter Rennen bestreiten. Er wollte Rennen fahren und trainierte dafür wie ein Besessener.»

Teamkollge Stefan Bradl: «Ich bin tief berührt und traurig. Nicky, es war eine Ehre, die Box mit dir geteilt zu haben. Meine Gedanken sind bei deiner Familie. Wir werde dich nie vergessen. #69. RIP.»

In den sozialen Medien meldeten sich in kürzester Zeit Tausende Hayden-Fans zu Wort, in allen erdenklichen Sprachen. »Ride in Peace #69», lautet der Tenor.

Nicky, dein Lachen wird uns fehlen, deine vorlauten Sprüche genau so, dazu dein unverkennbarer Kentucky-Slang. Du warst ein Rennfahrer der alten Schule, immer ansprechbar, du hast dir nie ein Blatt vor den Mund genommen, deshalb haben dich die Fans auf der ganzen Welt geliebt, die weiblichen Fans waren nur knapp in der Unterzahl, vermute ich.

Wenn jemals auf einen Menschen der neumoderne Begriff «cool» zugetroffen hat, dann auf dich.

Wir sind traurig.

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