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MotoGP: So meisterte Michelin die Herausforderungen

Von Günther Wiesinger
Seit Michelin wieder die Rolle des MotoGP-Alleinausrüsters übernommen hat, mussten einige Herausforderungen gemeistert werden. Technik-Direktor Nicolas Goubert spricht über die Fortschritte, die dabei erzielt wurden.

Als Michelin für die Saison 2016 von Bridgestone die Rolle des Alleinausrüsters in der MotoGP-WM übernahm, kündigte Michelin-Projektleiter Nicolas Goubert an: «Die Schräglagen werden in der MotoGP-WM künftig genau so spektakulär sein wie bisher.»

Michelin hat die 500-ccm-Weltmeisterschaft von 1976 an dominiert und auch die MotoGP-Viertakt-Ära von 2002 bis 2006 beherrscht, ehe Ducati 2007 mit Casey Stoner auf Bridgestone zum ersten Weltmeistertitel flitzte. 2008 gewann auch Valentino Rossi auf Yamaha die WM erstmals auf Bridgestone, 2009 wurden die Einheitsreifen von Bridgestone eingeführt – bis Ende 2015.

Die Bilanz von Michelin spricht Bände: Von 1976 bis 2006 wurden in der Königsklasse (500 ccm und MotoGP) 360 GP-Siege errungen. Michelin hat in der Königsklasse von 1976 (auf Suzuki) bis 2006 dominiert. Nur die Amerikaner Kenny Roberts (auf Yamaha und Goodyear 1978, 1979 und 1980), Eddie Lawson (1984 auf Dunlop und Yamaha) sowie Wayne Rainey (1991 auf Dunlop und Yamaha) pfuschten den Franzosen ins Handwerk. Das heisst: Von 1976 bis Ende 2006 hat Michelin in der Königsklasse nicht weniger als 26 von 31 Weltmeistertiteln gewonnen.

Der letzte Sieg von Michelin in der Königsklasse in der Reifenkrieg-Ära gelang Dani Pedrosa am 8. Juni 2008 auf der Repsol-Honda in Barcelona. 2009 wurden erstmals die Einheitsreifen (von Bridgestone) vorgeschrieben.

2016 kehrte Michelin in die MotoGP-Szene zurück. 2015 wurde schon auf fast allen GP-Strecken getestet. Trotzdem verlief der Übergang von Bridgestone zu Michelin nicht ganz reibungslos. Es kam im Februar 2016 beim Sepang-Test zu einem Platzer des Hinterreifens bei Loris Baz; daraufhin wurden dort die weichen Mischungen für die restlichen zwei Testtage zurückgezogen. Aber Michelin warf dem Avintia-Team von Baz vor, man habe mit einem Reifendruck von 1,45 bar statt 1,5 bar operiert...

Beim Grand Prix in Las Termas/Argentinien 2016 löste sich bei Scott Reddings Pramac-Ducati im FP4 hinten die Lauffläche ab. Im Rennen wurde deshalb ein Pflicht-Boxenstopp vorgeschrieben, die Reifen waren für die Renndistanz nicht standfest genug.

Nachher wurden härtere Mischungen und Konstruktionen geliefert, die hitzebeständiger waren, aber der Grip ließ zu wünschen übrig, die Fahrer wetterten – allen voran Jorge Lorenzo. Allmählich wurde der Grip wieder verbessert.

Doch die Probleme begannen schon vor der vergangenen Saison: Bei den Tests 2015 erlebte Michelin bei den Starts zahlreiche Stürze übers Vorderrad. Das hatte zur Folge, dass die Stars, die noch Titelchancen hatten, 2016 die Teilnahme an weiteren Michelin-Testfahrten verweigerten. Beim Montag-Test nach dem Brünn-GP 2016 wurde aber nur noch mit Michelin getestet, denn in der zweiten Saisonhälfte ließ Bridgestone die Weiterentwicklung einschlummern.

Michelin-Technik-Direktor Nicolas Goubert, der für Michelin schon bis 2006 in der MotoGP als Techniker verantwortlich war, zweifelte nie daran, dass mit 17-Zoll-Michelin-Reifen dieselben spektakulären Schräglagen möglich sind wie mit den 16,5-Zoll-Pneus von Bridgestone.

«Ich war ganz sicher, dass wir weiter diese Schräglagen bewundern können», betonte Goubert. «Wenn du dir die Entwicklung der Schräglagenwinkel von den 1950er-Jahren bis heute anschaust, wirst du feststellen, dass er schrittweise immer beachtlicher geworden ist. Aber was manchmal noch viel eindrucksvoller ist, sind die unterschiedlichen Fahrstile. Sie lassen manchmal vermuten, dass sich die Schräglagenwinkel verändert hätten. In Wirklichkeit hat sich in dieser Hinsicht nicht viel getan. Es hängt viel davon ab, ob der Fahrer komplett neben den Sattel rutscht, wenn das der Fall ist, glaubst du, er fahre mit einem fürchterlichen Schräglagenwinkel. Aber es stimmt gar nicht, wenn du einen aufmerksamen Blick auf die Reifenkante wirfst.»

Goubert weiter: «In den sechs Jahren, in denen wir weg waren, hat sich beim Schräglagenwinkel nicht viel verändert. Dieser Punkt war nicht die grosse Herausforderung für uns. Die Fahrer sagen uns beim Comeback bereits sehr früh, dass unser 'edge grip' am Hinterreifen absolut erstaunlich sei. Aber wenn du nur 'edge grip' hast, bringt dich das auch nicht weiter. Es ist viel wichtiger für den Reifenhersteller, in jeder Phase der Kurve einen guten Kompromiss anbieten zu können. Beim Rausfahren aus den Kurven hatten wir anfangs noch Arbeitsbedarf. Wir mussten auch die Balance zwischen hinten und vorne verbessern. Die schwierige Aufgabe war, die richtigen Reifen für alle erdenklichen Verhältnisse zu entwickeln, ohne dass die Basis der Reifen jedes Mal grundlegend geändert werden muss.»

Aber auch im zweiten Jahr wird Michelin regelmässig mit Widerwärtigkeiten des MotoGP-Sports konfrontiert. Die Fahrer klagten oft über eine merkwürdige Allocation und über Mischungen, die nicht zur Rennstrecke passen. Aber besonders bei den Übersee-Rennen müssen die Reifen schon monatelang vorher verfrachtet werden, die Temperaturen entsprechen dann nicht immer den Erwartungen.

So musste Michelin (wie Dunlop in den kleinen Klassen) im März 2017 rasch reagieren und – erstmals – MotoGP-Regenreifen in die Wüste nach Doha einfliegen.

Und wegen des unbekannten neuen Belags und der zusätzlichen 20 MotoGP-Trainingsminuten lieferte Michelin zum Beispiel beim deutschen WM-Lauf vor drei Wochen mehr Reifen und mehr Mischungen als vereinbart an die Teams aus.

 

 

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