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Pit Beirer zu Smith: «Panikreaktion nicht notwendig»

Von Günther Wiesinger
«Wir diskutieren jetzt nicht mehr über die Fahrer», sagt KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Wir wollten Bradley Smith nicht ins Verderben schicken. Das hat er nicht verdient.»

Bradley Smith hat (26) zwar in diesem Jahr bei 14 Rennen nur drei WM-Punkte mehr erobert als Testfahrer Mika Kallio (34), trotzdem bleibt das Fahreraufgebot von Red Bull Factory Racing für die MotoGP-Saison 2018 unverändert.

Nach dem Österreich-GP in Spielberg, wo Kallio den überragenden zehnten Platz erzielte und Smith punktelos blieb, waren bei Red Bull und KTM logischerweise Diskussionen entstanden, ob Smith für 2018 gegen Kallio getauscht werden sollte.

Als Smith zuletzt in Aragón mit Platz 19 wieder punktelos blieb und Kallio auf Platz 11 brauste, wurde die Situation nicht einfacher.

«Wir brechen keine Verträge», hatte KTM-Firmenchef Stefan Pierer beim Grand Prix auf dem Red Bull Ring festgestellt.

Damals wurde trotzdem überlegt, Smith für 2018 einen Testfahrer-Job und etliche Wildcard-Rennen anzubieten – bei vollen Bezügen.

Aber jetzt sind die Würfel gefallen. KTM spricht Smith weiter das Vertrauen aus. Kallio wird 2018 bis zu sechs Rennen als Wildcard-Fahrer bestreiten, er bekommt auch für 2017 außerplanmäßig noch den Valencia-GP als Draufgabe.

Nach dem Österreich-GP hatte Smith bereits den Crew-Chief von Mika Kallio erhalten – den Spanier Esteban Garcia. Kallio trat dann in Aragón mit Chassis-Designer Xavier Soldevila als Cheftechniker an.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, erklärte gegenüber SPEEDWEEK.com die Hintergründe der Entscheidung.

Pit, Bradley Smith stand in letzter Zeit stark in der Kritik. Seine Leistungen ließen oft zu wünschen übrig. Du hast selbst erklärt, dass du gerne einen Fahrer hättest, der bei den Grand Prix auch am Freitag und Samstag zur Entwicklung der KTM RC16 beiträgt.

Was wir heute verlautbart haben, ist ja eigentlich keine sensationelle Neuigkeit. Denn wir machen nichts anderes, als mit ihm gemeinsam den Vertrag zu erfüllen, den wir haben. Es ist nur die Spekulation, dass Mika Kallio den sicheren Fahrerplatz bekommt, nicht bestätigt worden. Das Thema ist endgültig vom Tisch. Wir werden 2018 mit jenen zwei Stammfahrern antreten, die wir für diese Aufgabe unter Vertrag haben – mit Pol Espargaró und Bradley Smith.

Wir haben von KTM-Seite immer klargestellt, dass es unser vorrangiges Ziel ist, Bradley ein Motorrad hinzustellen, mit dem er wieder an alte Leistungen anknüpfen kann.

Der mögliche Fahrertausch war in erster Linie in den Medien kolportiert worden.

Ich gebe zu: Wir haben die Situation natürlich auch beobachtet und überlegt.

Aber wir haben am Schluss gesehen, dass der Druck der Öffentlichkeit für den Bradley zunehmend größer wurde. Der Kerl konnte gar keine Leistungen mehr bringen, wenn jede Woche überall geschrieben und geredet wurde, dass er um seinen Sattel für nächstes Jahr fährt.

In diesem Fall bin ich doch zu stark Sportler, dass ich sagen könnte, ich kann jetzt so einen Fahrer den Wölfen zum Fraß vorwerfen.

Denn erstens hat er das nicht verdient.

Zweitens hat sich Bradley extrem früh auf das MotoGP-Abenteuer mit uns eingelassen. Damals gab es viele Fragezeichen, wie gut das Team und das Motorrad sein würden. Es gab nicht einmal ein Motorrad zum Anschauen, als er sich für uns entschieden hat.

Es ist jetzt meine Reaktion darauf zu sagen: Bradley ist viel Risiko mit uns eingegangen, er hat kein fertiges Motorrad zum Loslegen gehabt.

Ich habe das schon früher einmal erwähnt: Es bleibt weiterhin ein ganz großes Ziel von uns, auch den Bradley dorthin zu bringen, wo er sein kann und wo er fahren kann.

Er bekommt jetzt vor den letzten vier Rennen ganz bewusst das Signal, dass wir zu 100 Prozent hinter ihm stehen.

Bradley Smith war bei Tech3-Yamaha 2015 WM-Sechster. Aber als 2014 sein Vertrag erstmals auslief, stürzte er in der ersten Saisonhälfte oft. Erst nach der Vertragsverlängerung brachte er die übliche Leistung. Auch jetzt kam er mit dem Druck nicht gut zurecht, den aber jeder GP-Fahrer ertragen muss.

Wenn du jede Woche auf den Rennplatz kommst und die erste Frage jedes Journalisten lautet: ‚Wie viele Stunden darfst du jetzt in dem Team noch bleiben?’, dann hast du als Fahrer bei jeder Entscheidung im Hinterkopf: ‚Wenn ich jetzt einen Fehler mache, bin ich eventuell aus dem Team draußen.’ Das galt für jede Fahrwerksveränderung, für jede Reifenwahl und so weiter.

Deshalb wollte ich jetzt einmal ganz hieb- und stichfest klarstellen: Bradley Smith fährt nicht um seinen Vertrag für nächstes Jahr. Er soll für sich fahren und vor allem wieder Spaß am Motorradfahren haben.

Dieser Druck war zu groß, den konnte momentan keiner aushalten. Deshalb mussten wir ihm diesen Druck wegnehmen.

Ich habe beim letzten Test in Aragón festgestellt, dass Bradley dort zweimal gestürzt ist. Ich möchte die Verantwortung nicht auf unserer Seite haben, dass wir ihn auf Grund dieses Drucks irgendwo ins Verderben schicken.

Wir müssen jetzt die Uhren auf Null stellnd wieder vernünftig arbeiten. Denn die Basis des Teams und des Motorrads ist inzwischen so gut, dass wir auch einem Fahrer helfen können, der vielleicht ein bisschen in Schwierigkeiten steckt.

Was passiert, wenn sich 2017 und auch 2018 die Resultate trotz aller dieser Maßnahmen nicht wesentlich verbessern und Kallio weiter schneller ist?

Nein, wir werden und wollen dann nicht reagieren.

Denn ich habe mir in Ruhe in der kurzen Pause die Bilanz seit unserem Projektstart durch den Kopf gehen lassen.

Wenn ich mir jetzt anschaue, wo das Projekt steht, wo das Motorrad steht, welche Abstände wir zur Spitze haben – es ist ja alles super perfekt gelaufen.

Den Anspruch zu haben, dass zwei Werksfahrer genau gleich schnell sind, das wünschen sich viele Teams. Das gelingt nie allen.

Wenn es uns gelingt, uns mit einem Fahrer an der Spitze zu zeigen und der zweite Fahrer weniger schnell ist, geht die Welt nicht unter.

Mein Ziel hat sich nicht verändert: Wir wollen das Projekt auf eine solide Basis stellen.

Und das kann uns nicht gelingen, wenn wir anfangen, Mitte des Jahres Fahrer auszutauschen.

Es waren in diesem Jahr so viele Eindrücke zu verarbeiten, auch für uns, für mich. Man ist in so einer Situation schon mal geneigt, eine Panikaktion zu machen. Aber die ist nicht notwendig. Es läuft alles gut. Das Motorrad funktioniert, wir haben ordentliche Resultate.

Und wenn Mika Kallio als Überraschungsgast zu den Rennen kommt und unseren beiden Werksfahrern um die Ohren fährt, dann genießen wir das. Aber wir können deshalb nicht jedes Mal eine Fahrerdiskussion in Gang bringen.

Darüber wird jetzt nicht mehr diskutiert.

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