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Jonas Folger: Ist das Jahr 2018 schon gelaufen?

Von Günther Wiesinger
Jonas Folger: Wann ist er wieder im Paddock zu sehen?

Jonas Folger: Wann ist er wieder im Paddock zu sehen?

Jonas Folger ist seit 167 Tagen nicht in Erscheinung getreten. Seine Krankheit ist langwieriger als erwartet, sie begleitet ihn seit dem zehnten Lebensjahr.

Jonas Folger ist seit 167 Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Seit dem Japan-GP Mitte Oktober 2017.

Damals erklärte sein Tech3-Yamaha-Teambesitzer Hervé Poncharal sichtlich bestürzt, Jonas habe «wie ein Geist» ausgesehen.

In den Tagen vor, das war vor dem Motegi-GP in Japan, war Jonas Folger nicht einmal in der Lage, das Hotelbett verlassen. Er war psychisch angeschlagen.

Rund zweieinhalb Wochen vorher hatte der 24-jährige Bayer beim Aragón-GP nach einer ziemlich rätselhaften Performance am Sonntag nach den punktelosen Rennen niedergeschlagen erklärt, er freue sich jetzt auf zwei rennfreie Wochenenden, er fühle sich kraftlos, ausgelaugt, er müsse frische Energie tanken.

An diesem Wochenende schwante Hervé Poncharal erstmals, dass mit Folger etwas nicht stimmte. «Er wollte schon eine Woche vor dem Österreich-GP die Teilnahme in Spielberg absagen, er war dort krank, zwei Wochen später in Silverstone ebenfalls», wunderte sich der Franzose. Und am Donnerstag in Aragón klappte Folger in der Tech3-Hospitality zusammen.

Magenvirus vor dem Katar-GP 2017

Ich habe die internationale Karriere von Jonas Folger als Berichterstatter vom ersten Tag an mitverfolgt. Wie einzelne andere Personen im Paddock, vorrangig Mitglieder seiner früheren Teams wie Ajo, Aspar Martinez, AGR und Intact sowie langjährige Bekannte der Familie. Schließlich war Onkel Alexander «Xan» Folger 1995 der erste Sieger im ADAC Junior-Cup. Seither ist die Familie im deutschen Motorradrennsport fest verankert, dazu gehört natürlich auch Jonas’ Vater Jakob, der viel Zeit, Geld und Nerven geopfert ab, bis es dem Junior gelang, in der WM Fuß zu fassen.

Jonas’ Cousin Sebastian Zankl begleitete den MotoGP-Rookie 2017 zu allen Tests und Grand Prix, er agierte als «personal assistant», er nahm dem Verwandten viele lästige Tätigkeiten ab.

Sebastian Zankl schilderte den Zustand von Jonas am Dienstag und Mittwoch vor dem Japan-GP als extrem besorgniserregend. Der Yamaha-Pilot war nicht mehr wiederzuerkennen.

Insider wussten, dass Jonas Folger manchmal an einer bakteriellen Infektion litt, die ihm manchmal sehr und manchmal weniger stark zu schaffen machte. Es hing vom Stresslevel von und von der Belastung ab.

Auch eine Woche vor dem Saisonstart in Katar wurde der MotoGP-Neuling von einem Magenvirus geschwächt. «Er ging so schnell weg wie er gekommen war», berichtete Mutter Anka.

Nach dem Vorfall in Motegi rückten auch frühere Teammitglieder wie Aspar-Sportdirektor Gino Borsoi und Aspar-Teamkollege Randy de Puniet mit der Sprache heraus.

Inzwischen ist Jonas Folger fast seit einem halben Jahr außer Gefecht.

Seine Fans hoffen auf eine baldige Rückkehr, am liebsten zu Tech3-KTM 2019, aber vorläufig lässt sich keine Prognose abgeben.

Zu lange wurden die gesundheitlichen Probleme vertuscht und unter den Teppich gekehrt, um den Traum von der MotoGP-Karriere nicht zu gefährden. Teilweise verständlich, aus heutiger Sicht fragwürdig.

Jetzt stehen nicht mehr Rundenzeiten und WM-Punkte im Vordergrund, sondern einzig und allein die möglichst vollständige Genesung.

Mit 24 Jahren steht Jonas Folger die Welt und die Zukunft offen – wenn es gelingt, die Schatten der Vergangenheit, die Immunschwäche, die Überbelastung, das Erschöpfungssyndrom, das Burn-out oder wie auch immer seine Krankheit bezeichnen mag, hinter sich zu lassen.

Es deutet Vieles darauf hin, dass die Belastung in den WM-Klassen 125 ccm, Moto3 und Moto2 gerade noch erträglich waren, in der MotoGP stürzte dann zu viel auf den zerbrechlichen Jonas Folger ein.

Neben dem Druck von Yamaha, des Teamkollegen Zarco, der Sponsoren, der Erwartungshaltung des Teams, der Fans und Medien kam die zusätzliche Belastung durch PR-Termine, der Hausbau, dazu musste Zeit die junge Familie mit Tochter und Kindesmutter sowie die Freundin untergebracht werden.

Vielleicht wurde nicht oft genug «Nein» gesagt.

Vielleicht wurden die Anforderungen unterschätzt. Schon beim Österreich-GP Mitte August wirkte Jonas ausgebrannt, die Freude schien verflogen, er rätselte über das Formtief, grübelte am Set-up und über die schwachen Leistungen im Regen, dann kam der 280-km/h-Abflug wegen Bremsproblemen im Silverstone-Warm-up. Mag sein, dass die Belastungen in den WM-Klassen 125 ccm, Moto3 und Moto2 gerade noch erträglich waren, in der MotoGP stürzte dann zu viel auf den zerbrechlichen Nachwuchsfahrer ein.

Zusammenbruch in Brünn 2011

Dass Jonas Folger schon 2011 im Red Bull Ajo-Aprilia-125-Team zuerst im Mai an einer Chlamydien-Infektion erkrankte und dann beim Rundgang um die Strecke in Brünn am Donnerstag aus rätselhaften Gründen kollabierte, war kein Geheimnis. Die Ursache für diesen Zusammenbruch wurde nie wirklich eruiert.

Inzwischen ist bekannt: Schon im Alter von zehn Jahren erlitt Jonas beim Minibike-Fahren einen Zusammenbruch. Er litt unter Erbrechen, er klagte über Schmerzen und Kopfweh, ihm war speiübel. Im Krankenhaus Altötting grübelten die Ärzte über die Ursache, sie wurden nicht fündig und entfernten prophylaktisch und als Vorsichtsmaßnahme die Mandeln des jungen Rennfahrers.
Den Eltern machten schwere Zeiten durch. Jonas Folger befand sich damals in Lebensgefahr. Er wäre bei der Operation fast verblutet, als eine Naht platzte.

«Jonas wäre fast gestorben», schilderte Vater Jakob einige Jahre später. Jonas habe mit zehn Jahren nur 28 kg gewogen, ergänzte er.

Trotzdem biss sich Jonas Folger später im harten GP-Geschäft immer wieder durch. Er schaffte fünf GP-Siege und 19 Podestplätze. Er galt als größtes deutsches Talent der letzten 30 Jahre, opferte alles für seine große Leidenschaft.

Als er einsah, dass er in der kleinsten WM-Klasse oft zu sehr auf sein Talent vertraut und zu wenig trainiert hatte, übersiedelte er nach Spanien, wo er in der MotoGP-Academy der Dorna schon im Alter von 12 bis 15 Jahren einen Teil seiner Kindheit verbracht hatte.
Es ist absolut richtig, verständlich und zielführend, wenn sich Jonas Folger bis zu seiner Genesung von der Öffentlichkeit fernhält.

Jonas war und ist jedoch der populärste deutsche Motorrad-GP-Rennfahrer, an seinem Fortkommen besteht also öffentliches Interesse.

Spitzensportler verdienen gutes Geld, weil die Rennen vor dem Fernseher von viele Zuschauern verfolgt werden und weil die Fans zu Tausenden zu den Rennen pilgern, die entsprechenden Motorradfabrikate oder Zubehör kaufen.

Im Paddock werde ich jeden Tag mehrmals gefragt: Wie geht es Jonas Folger?

Die Teammitglieder und Rennfahrerkollegen erkundigen sich nicht aus Sensationsgier, sondern aus persönlichem Interesse.
Burn-out, Depressionen, Überbelastung – das sind Themen, die im Spitzensport und im Berufsleben vielfach als Tabu gelten.

Das Magazin «DER SPIEGEL» veröffentlichte in der Ausgabe 11/2018 eine hoch interessante, lesenswerte, berührende und herzergreifende Titelgeschichte dazu.

Ein Fazit: Die richtige Hilfe zu finden, ist für die Betroffenen oft ein Glücksspiel.

Die Fachärzte sind sich selbst nicht immer einig.

Ulrich Hegerl (64), ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Leipzig. Er ärgert sich über den Begriff Burn-out. «Den gibt es als Diagnose nicht», betont Dr. Hegerl. Die meisten Patienten, die sich deswegen eine Auszeit nehmen, erfüllten auch die Diagnose-Kriterien einer Depression. «Und wenn man eine Depression hat, soll man es auch Depression nennen», sagt er.

Bei Jonas Folger wurde nach langem Hin und Her im November das Gilbert-Syndrom diagnostiziert. Das sollte innerhalb von drei Wochen geheilt werden, hieß es damals.

Als Jonas Folger am 14. Januar seine Teilnahme an der MotoGP-WM 2018 abgesagte und alle Verträge kündigte, berichteten seine überraschten und bis dahin loyalen Geschäftspartner: «Es ist eher ein Burn-out als alles andere.»

Vor wenigen Tagen kam eine Anfrage von Milwaukee-Aprilia. Folger könnte dort Eugene Laverty für drei Events ersetzen.

Aber Jonas ist noch ganz offenbar nicht so weit. Endlich gönnt er sich die Auszeit, die nach den Vorkommnissen von 2017 unvermeidlich war.

Die nächsten Schritte nach der Genesung müssen wohlüberlegt sein.

Tom Lüthi ist mit 31 Jahren noch in die MotoGP gekommen. Valentino Rossi ist mit 39 Jahren noch Weltklasse. Max Biaggi wurde mit 42 Jahren Superbike-Weltmeister.

Jonas Folger hat alle Zeit der Welt.

Was bedeutet schon ein einzelnes (verpasstes) Jahr in einem Menschenleben.

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