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Yamaha: Warum Rossi trotzdem bekommt, was er will

Kolumne von Michael Scott
Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis und Valentino Rossi

Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis und Valentino Rossi

Yamaha nahm das Zepter in die Hand und besetzte mit Maverick Viñales und Fabio Quartararo die Plätze im MotoGP-Werksteam bis 2022 ungewöhnlich früh. Und Valentino Rossi?

Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Ein Blankoscheck. Eine Win-Win-Situation.

Wer könnte es Valentino Rossi übelnehmen? Der letzte Karriere-Akt des ältesten Fahrers in der MotoGP-Startaufstellung ermöglicht ihm genau das, was er von Yamaha will. Egal, ob es der neunfache Weltmeister wollte oder nicht.

Dem japanischen Werksteam, das immer noch damit zu kämpfen hat, wieder mit Honda und Ducati gleichzuziehen, waren in den vergangenen paar Jahren wegen Valentinos Präsenz die Hände gebunden.

Rossi ist wohl der Beste aller Zeiten. Aber er hat sein Verfallsdatum wohl auch schon weit überschritten. Sein letzter von insgesamt 89 Siegen in der Königsklasse – Assen 2017 – liegt weit zurück.

Yamaha wagt es nicht, den Superstar fallen zu lassen. Man stelle sich nur Reaktionen der Fans vor. Nicht zu vergessen seine eigene Wut, wenn ihm die Möglichkeit genommen würde, die acht Siege zu holen, die ihm noch fehlen, um Agostinis Rekord von 122 Siegen durch alle Klassen hindurch zu brechen. Oder, besser auf den Punkt gebracht, wenn man ihm die Chance nehmen würde, weiterhin auf dem Top-Level des Sports zu kämpfen, den er so leidenschaftlich liebt.

Mit nur zwei Werksmaschinen, wovon eine scheinbar bis in alle Ewigkeit für Rossi reserviert war, musste Yamaha zusehen, wie junge, talentierte Fahrer aus dem eigenen Kundenteam zu anderen Herstellern abwanderten.

Dazu gehörten Cal Crutchlow und Andrea Dovizioso oder in der jüngeren Vergangenheit – und noch schmerzhafter – auch Johann Zarco. Sein Wechsel zu KTM raubte Yamaha einen Fahrer, dessen Stil perfekt zu ihrer süßen, aber irgendwie langsamen M1 passte, und stürzte den Franzosen gleichzeitig in einen Abgrund seiner Karriere, aus dem er sich vielleicht nie wieder erholen wird.

Yamaha blieb nur noch, sich keine Gedanken zu machen und zu hoffen, dass bald ein anderer Franzose auftauchen würde. Unglaublicherweise passiert das tatsächlich – Fabio Quartararo betrat die Bühne, der, wie Zarco vor ihm, die Yamaha-Werksfahrer in seiner Rookie-Saison immer und immer wieder in die Knie zwang und Weltmeister Marc Márquez in der zweiten Hälfte des Jahres mit steigender Intensität Paroli bot.

Auf einmal schien die gescholtene YZR-M1 doch kein so schlechtes Motorrad mehr zu sein und Yamaha wollte sich diesen jungen Franzosen nicht auch durch die Lappen gehen lassen.

Auf der anderen Seite war Quartararo genauso vorgewarnt und wollte nicht riskieren, dasselbe Schicksal wie Zarco zu erleiden – egal wie verlockend die Angebote aus finanzieller Sicht auch gewesen sein mögen. Nur einen Tag nachdem Maverick Viñales seine Vertragsverlängerung verkünden konnte und damit den Gerüchten den Wind aus den Segeln nahm, dass er Yamaha verlassen würde, kamen die Bestätigung, dass sein Teamkollege für 2021 und 2022 Fabio Quartararo sein wird.

Und Rossi? Der kann machen, was er will. Im offiziellen Statement von Yamaha hieß es dazu: Sollte Rossi sich entscheiden 2021 weiterzumachen, sichert ihm Yamaha eine «M1 in der Factory-Spezifikation und vollen Support von ingenieurstechnischer Seite» zu.

Jetzt kann dem «Dottore» wenigstens niemand mehr vorwerfen, dass er irgendjemand im Weg stehen würde.

Es wäre spannend gewesen, dieses Gespräch zu belauschen. Wir bekommen nur Kleinigkeiten hinter vorgehaltener Hand mit. Und wir wissen bereits (weil er es uns unzählige Male erklärt hat), dass Rossi seine Entscheidung darüber, ob er 2021 weiterfahren wird oder nicht, noch hinauszögern wird. Er will einige Rennen fahren. Das liegt, wie er sagte, daran, dass ihm nur die Rennstrecke gewisse Antworten geben kann und er mit 41 Jahren herausfinden möchte, ob er noch gut genug und vor auch noch motiviert genug ist.

Der Kontext bereitete Yamaha Sorgen, da Rossi ihnen die Schuld an seinen schwächelnden Ergebnissen während der vergangenen zwei Jahre gab. Es fehlt an Beschleunigung und Topspeed und der Hinterreifen verhielt sich auch nicht so, wie er sollte. Unter anderem beklagte sich Rossi über diese Mängel, während er sich die Seele aus dem Leib fuhr und damit nichts erreichte, wobei ihm eine Siegeschance nach der anderen genommen wurde.

Gelingt es dem Werk aus Iwata, die M1 so weit zu verbessern, dass es für Rossi Sinn macht, weiterzufahren? Oder noch besser: Werden sie je einen V4-Motor bauen, wie er es sich gewünscht hat?

Yamaha saß in der Klemme. Viñales stellte sich nach drei immer schwieriger werdenden Jahren auf die Beine und drohte damit, Angebote von anderen Teams anzunehmen, sollte sein Status bei Yamaha nicht der des Nummer-eins-Fahrers sein. Zu den Angeboten, die auf seinem Tisch lagen, zählten sein ehemaliges Suzuki-Team, dessen Motorrad immer besser wird, und eine Einladung von Ducati, die Unmengen an Geld anboten. Auch er hatte der M1 die Schuld an seinen enttäuschenden Resultaten gegeben.

Viñales glaubte, dass die Entwicklung des Motorrads von Rossis Input in die falsche Richtung geleitet wurde, während seine Ideen und Wünsche nicht so gewürdigt wurden, wie er es verdient hätte. Trotzdem gewann er 2019 zwei Rennen und im Jahr davor auch eines. Das gelang ihm, weil er mehr oder weniger das ganze Jahr über mit demselben Motorrad fuhr und die «Verbesserungen», die sein Teamkollege vorschlug, ignorierte.

Die Antwort von Yamaha schien der perfekte Kompromiss zu sein: Viñales bekommt seine Chance als Teamleader, dazu zählt man auf das massive Potential von Quartararo. Und Valentino kann es sich aussuchen.

Wird er dieses Jahr gehen? Wenn ja, wohin? Quo vadis, Vale?

Die Antwort: «Ich gehe wann und wohin ich will.»

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