Fausto Gresini: «Nur die TV-Übertragung reicht nicht»
Fausto Gresini ist mit seinem Rennstall in der Moto3- und Moto2-WM sowie dem MotoE-Weltcup vertreten, dazu kommt das Joint-Venture mit Aprilia in der MotoGP-Klasse – insgesamt hängen daran 70 Arbeitsplätze. «Natürlich bin ich besorgt», seufzte der 59-Jährige mit Blick auf die Coronakrise.
Seine Heimat Italien gehört mit bisher 168.941 bestätigten Coronavirus-Fällen zu den am schwersten getroffenen Ländern, 22.170 Tote sind im Zusammenhang mit Covid-19 zu beklagen. Der zweifache 125er-Weltmeister sah nicht nur tatenlos zu und ermöglichte kurz vor Ostern mit seiner Spende den Ankauf eines neuen Beatmungsgerätes für das «San Pier Damiano Hospital» von Faenza.
Ob und unter welchen Bedingungen die Motorrad-WM 2020 fortgesetzt werden kann, steht derzeit noch nicht fest. Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta machte im SPEEDWEEK.com-Interview zu Beginn der Karwoche kein Geheimnis daraus, dass längst auch das Worst-Case- Szenario einer kompletten Absage in Betracht gezogen werden muss.
Unterdessen wird überlegt, wie der Menschenauflauf an der Rennstrecke und im Fahrerlager auf ein Minimum reduziert werden kann, falls im Herbst die Durchführung eines Grand Prix möglich sein sollte – wenn, dann wohl nur in Form von Geisterrennen.
«Man will versuchen zu fahren und die Rennen um jeden Preis auszutragen», glaubt Gresini. «Es ist klar, dass in diesem Moment alles nur Mutmaßung ist, und es ist ganz natürlich, dass man immer vom schlechtesten Fall ausgeht. Dazu gehört es, Rennen ohne Zuschauer abzuhalten, mit einem verkleinerten Fahrerlager, weil man die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Pandemie so klein wie möglich halten muss. Das ist also ein Vorschlag, aber es ist nicht der einzige», erklärte er im Gespräch mit den Kollegen von GPOne.com.
«Wenn es um die Hospitality-Trucks geht, die verboten werden könnten, dann ist das für mich nicht machbar, die sind unverzichtbar», ergänzte Gresini. «Genau aus dem Grund, weil man verhindern will, dass die Leute aus dem Fahrerlager unterwegs sind und zum Beispiel in Restaurants zum Essen gehen und somit ein Risiko eingehen. Man muss versuchen, alles in der eigenen Hospitality zu machen und vielleicht die Bewegung auf die Fahrt zum Hotel zu limitieren.»
Dass die Teams keine Gäste – und damit keine Sponsoren – an die Rennstrecke bringen dürfen, ist für den italienischen Teambesitzer zwar das kleinere Übel, aber trotzdem ein Dorn im Auge: «Alles wird davon abhängen, wann wir wieder anfangen und wie groß die Schwierigkeiten in dem Moment sein werden. Je später man anfängt, desto mehr Möglichkeiten hat man, alles normal zu öffnen. Wir möchten alle das Fahrerlager und die Strecke für die Gäste nutzen. Vielleicht die Anzahl reduzieren, aber wenigstens die Möglichkeit haben… Es gibt im Moment viele Möglichkeiten, aber im Moment sind es eben nur Möglichkeiten. Wir haben noch keine klare Vorstellung davon, was wir machen können.»
Die TV-Übertragung allein werde das Überleben der GP-Teams nicht sichern, ist Gresini überzeugt. «Das reicht nicht. Aber es ist eine Möglichkeit, damit wir die Tätigkeit wieder aufnehmen können – was das Erste ist, das wir tun müssen. Die Sponsoren sind ein wichtiger Part für ein Team, es ist wichtig, Gäste zu den GPs bringen zu können. Aber sicher werden wir darauf verzichten, wenn das notwendig ist, damit wir wieder Rennen fahren können. Es ist aber nicht das, was wir wollen», bekräftigte er.
Ducati-Rennchef Gigi Dall'Igna brachte zuletzt den Vorschlag ein, auch in der Königsklasse der Motorrad-WM nur ein Motorrad pro Fahrer zuzulassen. «Mit dieser Idee bin ich nicht einverstanden, weil man die Kosten damit nicht groß reduzieren würde», entgegnet Gresini. «Ein Ersatzmotorrad brauchst du trotzdem in der Box, wenn auch in seine Einzelteile zerlegt. Der eigentliche Kostenpunkt ist, ein Motorrad zu produzieren. Ein zweites, drittes oder viertes kostet dann nicht viel mehr. Andere wichtige Dinge müssen eingefroren werden, man muss vielleicht das Personal überdenken. Es gibt viele Dinge, die man machen kann und die wir uns alle gemeinsam genau anschauen müssen, um zu sparen.»
Ein erster Schritt wurde bereits gemacht: Die Entwicklung von Motor und Aero-Paket wurde für die MotoGP-Klasse bis zum ersten Rennen der Saison 2021 eingefroren. Anschließend greift wieder das bisherige Regelwerk – was gleichzeitig bedeutet, dass Honda, Yamaha, Ducati und Suzuki die Motorenspezifikation erst 2022 ändern werden können.
Für die kleineren Klassen gilt: Die Moto2- und Moto3-Bikes von 2020 werden auch im kommenden Jahr eingesetzt werden.
Damit 2020 noch möglichst viel Action geboten werden kann, steht unterdessen auch zur Debatte, zwei aufeinanderfolgende Grand Prix in Folge im selben Land oder zumindest in angrenzenden Ländern durchzuführen, zum Beispiel Barcelona und Aragon in Spanien oder Mugello und Misano in Italien.
«Diese Idee scheint mir sehr intelligent», kommentierte Gresini. «Ich hoffe, dass die WM im Juli beginnt, aber es ist wohl wahrscheinlicher auf den August zu warten, vielleicht in Österreich und Brünn. Dorna verfügt über eine Reihe von Vorschlägen, die auch von den Teams kommen. Sie sammeln sie und arbeiten dann daran. Dieser Vorschlag ist auf dem Tisch, aber sie müssen mit allen reden, den Rennstreckenbetreibern und den Organisatoren. Es gibt viele Ideen, aber auch die Probleme, die man lösen muss, sind nicht wenige.»