Stefan Pierer (KTM): «Wildcards mit Pedrosa denkbar»
Stefan Pierer, Vorstand Hubert Trunkenpolz und Dani Pedrosa
Als Pol Espargaró nach dem elftem MotoGP-Gesamtrang von 2019 im November ankündigte, er wolle die Weltmeisterschaft 2020 auf der KTM RC16 unter den Top-5 oder Top-6 beenden, erschien diese Zielsetzung wegen der extrem starken Konkurrenz als illusorisch. Aber jetzt sind 2 von 14 Rennen gefahren, und KTM liegt in der Konstrukteurs-WM punktegleich mit Stefan Pierers Lieblingsgegner Honda an vierter Position; Pol Espargaró hat sich in der Tabelle der Fahrer-WM auf Platz 5 vorgekämpft.
«Wir ernten jetzt die Früchte unserer Arbeit», freute sich KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer, als beim Andalusien-GP vor einer Woche in Jerez erstmals drei KTM-Fahrer ins Qualifying 2 vordrangen und alle drei Asse von Podestplätzen träumten. Doch das böse Erwachen kam wenige Sekunden nach dem Start, als Miguel Oliveira von Brad Binder abgeräumt wurde und nur noch Pol Espargaró als Top-Ten-Kandidat übrigblieb.
Stefan Pierer, der Vorstandsvorsitzenden der Pierer Mobility AG mit den Marken KTM, Husqvarna Motorcycles, GasGas und der Elektro-Fahrradsparte Pexco mit den Marken Husqvarna und R-Raymon), bedauert zwar den Abgang seines Teamleader Pol Espargaró zu Repsol-Honda. Er war aber immer überzeugt, dass der 29-jährige Kämpfer aus Spanien auch in seiner vierten und letzten KTM-Saison aufopfernd kämpfen wird. «Pol will ja auch beweisen, dass er der richtige Fahrer für das künftige Team ist. Und wir werden alles tun, um ihm bis zum letzten Tag das bestmögliche Material zur Verfügung zu stellen.»
Stefan Pierer verkündete schon vor dem Einstieg von KTM, man werde nicht mit dem Olympischen Gedanken des Dabeiseins begnügen. Er stellte Suzuki immer als leuchtendes Beispiel hin, weil die Japaner bereits im zweiten Jahr nach dem Neueinstieg 2016 mit Maverick Viñales in Silverstone siegten. Damals bekam der Suzuki-GSX-RR-Motor von Pankl Racing in Österreich eine Frischzellenkur, worauf die Motorleistung nichts mehr zu wünschen übrig ließ. Übrigens: Stefan Pierer besaß damals als Großaktionär über die Pierer Industrie AG noch 63 Prozent der Firmenanteile von Pankl Racing.
«Unser Ziel für die MotoGP-Saison 2020 sind einstellige Ergebnisse», hielt Stefan Pierer im Interview mit SPEEDWEEK.com fest. «Ganz klar. Vielleicht ist es da oder dort auch einmal drinnen, dass wir um Podestplätze fighten können. Pol hat es ja beim ersten Jerez-GP nur um 0,9 Sekunden verpasst. Wir haben in diesem Jahr eine ganz ungewöhnliche Saison. Wir haben an fünf Schauplätzen erstmals zwei Rennen hintereinander. Da kannst du dich relativ gut einstellen, was die Datenlage betrifft, weil du eine Woche später eine zweite Gelegenheit hast. Wir haben auch bei den Tests vor dem Re-Start der Saison ermutigende Ergebnisse erzielt. Ich erhoffe mir auch bei den kommenden Rennen einiges.»
Red Bull-KTM musste im Mai den bevorstehenden Abgang von Pol Espargaró verkraften, der mehr als die Hälfte aller Top-Ten-Plätze von KTM in der Königsklasse erzielt hat. KTM hat dann kurz mit Andrea Dovizioso verhandelt, dessen Gagenforderung von ca. 4 Millionen Euro aber in der Coronakrise nicht ins Konzept der Österreicher passte. Deshalb fiel die Wahl auf den letztjährigen WM-Sechsten Danilo Petrucci.
Bei KTM hätte man statt Pol Espargaró auch gerne den 34-jährigen Testfahrer Dani Pedrosa für ein Jahr als Stammfahrer gesehen. «Diese Themen sind sicher alle durchgespielt worden», räumte Stefan Pierer ein. «Aber die Entscheidung liegt beim Fahrer. Und ich glaube, Dani Pedrosa hat sich richtig eingeschätzt, als er uns sagte, nein, das tut er sich nimmer an. Aber ich schließe nicht aus, dass er vielleicht 2021 einmal ein oder zwei Wildcard-Einsätze absolviert. das wäre sicher eine tolle Marketing-Geschichte, vor allem auf den Strecken, auf denen er besonders stark ist.»
Nächstes Jahr werden die Hoffnungen auch auf Miguel Oliveira liegen, der dann seine dritte MotoGP-Saison bei KTM bestreitet und ins Factory Team aufrückt. «Die Coronakrise hat dem Miguel sehr gut getan, er hat seine Schulterverletzung sehr gut auskuriert», freut sich Firmenchef Pierer. «Er ist gut beisammen. Man hat schon gesehen, dass er Pol fordert. Er hat das schon bei den privaten Tests in Misano gezeigt.»
Die starken Darbietungen von Rookie Brad Binder, der in Jerez in manchen Sessions schon Dritter und Fünfter war und sich im zweiten Rennen den neunten Startplatz sicherte, haben Pierer überrascht und begeistert. «Eigentlich darf man im ersten Jahr von Brad nicht zu viel erwarten. Aber wir kennen ihn, er ist ein Renntier. Ich habe schon vor drei Jahren gewusst, wir bringen ihn bis zur MotoGP. Er zieht es im Rennen immer durch! Unsere langfristige Planung mit dem hauseigenen Weg vom Rookies-Cup bis zu MotoGP bewährt sich. Wir sind sehr motiviert. Wir haben trotz der Coronakrise ein gut darstellbares Budget und haben auch Reserven. So können wir uns leisten, die Entwicklung ordentlich voranzutreiben.»
Ergebnisse MotoGP Jerez/E, 26. Juli
1. Fabio Quartararo (F), Yamaha, 41:22,666 min
2. Maverick Vinales (E), Yamaha, +4,495 sec
3. Valentino Rossi (I), Yamaha, +5,546
4. Takaaki Nakagami (J), Honda, +6,113
5. Joan Mir (E), Suzuki, +7,693
6. Andrea Dovizioso (I), Ducati, +12,554
7. Pol Espargaro (E), KTM, +17,488
8. Alex Marquez (E), Honda, +19,357
9. Johann Zarco (F), Ducati, +23,523
10. Alex Rins (E), Suzuki, +27,091
11. Tito Rabat (E), Ducati, +33,628
12. Bradley Smith (GB), Aprilia, +36,306
13. Cal Crutchlow (GB), Honda, +45,683
WM-Stand nach 2 von 14 Rennen:
1. Quartararo, 50 Punkte. 2. Viñales 40. 3. Dovizioso 26. 4. Nakagami 19. 5. Pol Espargaró 19. 6. Rossi 16. 7. Miller 13. 8. Alex Márquez 12. 9. Zarco 12. 10. Morbidelli 11. 11. Mir 11. 12. Bagnaia 9. 13. Oliveira 8. 14. Petrucci 7. 15. Rabat 7. 16. Rins 6. 17. Smith 5. 18. Binder 3. 19. Crutchlow 3.
Konstrukteurs-WM (nach 2 von 14 Rennen)
1. Yamaha 50. 2. Ducati 26. 3. Honda 19. 4. KTM 19. 5. Suzuki 11. 6. Aprilia 5.