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MotoGP-WM 2021: Wie stark kann Marc Márquez sein?

Von Günther Wiesinger
Marc Márquez

Marc Márquez

Die MotoGP-Saison 2021 wirft viele Fragen auf. Die Karten wurden neu gemischt, 13 von 22 Plätzen wurden neu besetzt. Die Frage nach den Favoriten erübrigt sich, denn es gibt zu viele.

Die MotoGP-Saison 2021 wirft viele Fragen auf. Die Karten wurden neu gemischt, 13 von 22 Plätzen wurden neu besetzt. Die Frage nach den Favoriten erübrigt sich, denn es gibt zu viele.

Nach der außergewöhnlichen MotoGP-Saison 2020 erwartet uns ein weiteres Jahr mit vielen Ungewissheiten. Niemand kann bisher einschätzen, wie sich die Covild-19-Seuche und die Infektionsraten entwickelt, welche Reisebeschränkungen 2021 bestehen werden, welche Wintertests in den drei GP-Klassen und welche Grand Prix durchgeführt werden können.

Dazu wird es die erste Saison seit 2013 sein, vor deren Start niemand einschätzen kann, wann und in welcher Stärke der sechsfache MotoGP-Weltmeister Marc Márquez nach drei Oberarm-Operationen innerhalb von viereinhalb Monaten auf die Rennstrecke zurückkehren wird.

Klar, der Repsol-Honda-Star hat sich auch nach den Saisons 2018 und 2019 jeweils an der Schulter operieren lassen und dann einige Zeit unter den Nachwirkungen gelitten. Aber diese Eingriffe haben seine Titelchancen nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch wenn die besonders Ducati 2019 darauf gehofft hat, dass Andrea Doviszio bei den ersten drei, vier Rennen genug Vorsprung auf den Titelverteidiger herausholen kann. Doch Márquez fuhr die Konkurrenz in Grund und Boden; er heimste in 19 Rennen zwölf Siege und sechs zweite Plätze ein.

Honda, die Gegner und die Fans gewöhnten sich daran, dass Marc in solchen Jahren 30 teilweise spektakuläre Stürze vollführte, dazu eine Reihe sehenswerter «Saves».

Der Katalane blieb immer unverletzt. Diese Tatsache nährte den Mythos und den Nymbus der Unverletzlichkeit.

Aber ich habe in den vielen Jahren meines Berufslebens schon viele sogenannte Außerirdische erlebt, die wie ein Überfall über den GP-Sport hereingebrochen sind. Der Venezolaner Johnny Cecotto war ein unbeschriebenes Blatt, als er 1973 in Le Castellet bei seinem WM-Debüt mit der Venemotos-Yamaha in den Klassen 250 und 350 ccm als unbeschriebenes Blatt beinahe gleich zwei GP-Siege gefeiert hätte. Kenny Roberts kämpfte 1978 in seinem ersten WM-Jahr gleich in drei Klassen und den Titel (250 cc, 500 ccm, 750 ccm), der Australier Gregg Hansford überrumpelte die WM-Gegner 1978 mit den Werks-Kawasaki als Noboby in den Klassen 250 und 350 ccm. Auch Fahrer wie Freddie Spencer, Max Biaggi, Valentino Rossi, Casey Stoner, Jorge Lorenzo und später Marc Márquez trumpften in der WM aus heiterem Himmel auf, als ihnen niemand Topergebnisse zutraute.

Aber nach einigen Jahren, nach Stürze und Verletzungen wurden alle Ausseridischen entzaubert.

Honda setzte alle Jetons auf Marc Márquez

Honda ließ sich mit Marc Márquez bald auf ein gefährliches Geschäftsmodell ein, das wir auch aus der Formel 1 kennen (Schumacher bei Ferrari, Hamilton bei Mercedes), das aber gewisse Risiken birgt: Dem Superstar wurde alles untergeordnet, das Rennfahrzeug wurde auf die Bedürfnisse des Champions maßgeschneidert. Dass die anderen Honda-Piloten damit Mühe hatten, besonders die MotoGP-Neulinge und 2019 sogar der dreifache MotoGP-Weltmeister Jorge Lorenzo, konnte getrost vernachlässigt werden.

Aber diese Strategie funktionierte nur, solange Überflieger Marc Márquez gesund und bei Kräften war

Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass dem unumstrittenen HRC-Aushängeschild nach sieben MotoGP-Jahren mit jeweils mehr als 30 Stürzen irgendwann ein Haar gekrümmt werden würde, nahm von Rennen zu Rennen zu

Am 19. Juli 2020 war es in Jerez so weit

Mit Rookie Alex Márquez, dem Japaner Takaaki Nakagami (in zwei Jahren ein fünfter Platz), und mit dem bald 35-jährigen Dauerverletzten Cal Crutchlow war Honda von den fünf namhaften MotoGP-Herstellern am schlechtesten aufgestellt, als es um die Frage ging, wer für die verletzte Nummer 1 einspringen sollte

Dazu kam: Testfahrer Stefan Bradl war bis zum Einsatz in Brünn acht Monate auf keiner MotoGP-Maschine gesessen. Dabei wären ab Mai und Juni Tests möglich gewesen, wie KTM, Aprilia, Ducati und Suzuki vorzeigten

Für die Spannung und Ausgeglichenheit in der Rennsaison war die Abwesenheit von Marc Márquez 2020 ein Segen. Neun unterschiedliche Sieger in 14 Rennen, auch Pol Espargaró und Taka Nakagami hätte noch gewinnen können. Mit Quartararo, Binder, Oliveira und Morbidelli kamen vier neue MotoGP-Sieger dazu, Suzuki verblüffte die Gegner mit den WM-Rängen 1 und 3. Dabei gelang Suzuki keine einzige Pole-Position, Yamaha schaffte neun

Ducati kam in der Fahrer-WM über die Ränge 4 (Dovizioso) und 7 (Miller) nicht hinaus. Den Italienern gelang es aus vielerlei Gründen nicht, aus dem Fehlen des Erzrivalen Márquez Kapital zu schlagen

Ich persönlich gebe seit dem Winter 1981/1982 keine WM-Prognosen mehr ab. Denn 1982 gewann Franco Uncini (Suzuki) die 500-ccm-Weltmeisterschaft, im Jahr davor beendete er sie als Dreizehnter. Übrigens fast eine Parallele zu Joan Mir, der die WM 2019 als Zwölfter beendet hat

«Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen», lautet ein treffliches Zitat des österreichischen Schriftstellers Kurt Tucholsky

Deshalb dürfen wir uns auf eine aufregende Saison 2021 freuen

KTM hat sich konstant an der Spitze etabliert und ist mit der RC16 und den renommierten Piloten Oliveira, Binder und Petrucci tadellos aufgestellt. Ducati verliert beide Siegfahrer und tritt mit fünf U25-Fahrern an, dazu mit Routinier Johann Zarco. Und mit einem Motorrad, das auf manchen Strecken immer noch nicht konkurrenzfähig ist

Repsol-Honda hat mit Pol Espargaró einen schnellen, kampfstarken Fahrer verpflichtet, der stark unter Druck stehen wird. Zuerst wenn er für den womöglich anfangs noch angeschlagenen Marc Márquez in die Bresche springen soll, und nachher, wenn er mit dem hoffentlich wieder genesenen Ausnahmekönner mithalten soll. Dazu muss er mit der Gewissheit leben, dass Sponsor Repsol offenbar lieber Alex Márquez im Team sehen will. Er muss also den LCR-Honda-Piloten in Schach halten, Nakagami sowieso

Es kann aber auch passieren, dass Marc Márquez erst verspätet in die Saison einsteigt und durch Stefan Bradl oder Andrea Dovizioso ersetzt wird

Yamaha hat 2020 als einziges Werk mit drei unterschiedlichen Piloten (Quartararo, Viñales und Morbidelli) gewonnen und will endlich erstmals seit 2015 (Lorenzo) einen MotoGP-Titel abräumen. 2020 gelang es nicht, weil Quartararo am Ende schwächelte, weil drei Motorschäden passierten, Viñales oft versagte und der Ventilskandal die ganze Mannschaft in Erklärungsnot und aus dem Gleichgewicht brachte

Suzuki verfügte in diesem Jahr über die beste Rennmaschine und wird auch 2021 mit der GSX-RR mit den unscheinbaren Akrobaten Joan Mir und Alex Rins wieder aus dem Hinterhalt zuschlagen

Für Abwechslung ist gesorgt

So sehen die MotoGP-Teams 2021 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Team
Jack Miller, Pecco Bagnaia

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar

Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Miguel Oliveira

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith? Lorenzo Savadori?

Pramac Racing
Jorge Martin, Johann Zarco

Esponsorama Ducati Avintia Racing
Luca Marini, Enea Bastianini

Petronas Yamaha SRT

Valentino Rossi, Franco Morbidelli

LCR Honda
Alex Márquez, Takaaki Nakagami

Red Bull KTM Tech3
Danilo Petrucci, Iker Lecuona

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