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Yamaha-Ventilskandal: Eine Serie von Ungereimtheiten

Von Günther Wiesinger
Franco Morbidelli vor Miller: Drei Saisonsiege und ein Motorschaden

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Yamaha setzte beim ersten Jerez-GP in acht Motoren von vier Fahrern illegale, nicht homologierte Ventile ein. Seltsam: Yamaha akzeptierte den Punkteabzug, weigert sich aber hartnäckig gegen ein Schuldeingeständnis.

Yamaha Motor Racing hat durch den Ventilschwindel nicht nur die Chancen auf den ersten MotoGP-Fahrer-WM-Titel und den Gewinn der Konstrukteurs-WM verloren, die seit 2015 immer von Honda gewonnen wurden, sondern sich auch viel Ärger mit den vier Fahrern und deren Managern eingeheimst. Bei Viñales und Rossi war der Unmut gegen Ende der Saison immer deutlicher zu hören.

Yamaha hat sich 2020 eine einmalige Chance entgehen lassen. Der japanische Hersteller dominierte mit Viñales drei der vier Wintertests, feierte in Jerez am 19. und 26. Juli mit Quartararo und Viñales zwei Doppelsiege, beim zweiten GP machte Rossi das Yamaha-Fest mit dem drittem Platz noch komplett.

Aber nach den drei Motorschäden von Jerez (Morbidelli, Viñales und Rossi) ging es drunter und drüber. Es folgten mit Brünn und den zwei Spielberg-GP drei schwache Rennen, WM-Leader Quartararo floppte, und Yamaha musste Probleme mit den Ventilen eingestehen.

Yamaha gewann zwar 2020 mit Quartararo, Morbidelli und Viñales nicht weniger als sieben der 14 Rennen, dazu kommen neun von 14 Pole-Positions und 12 von 42 möglichen Podestplätzen. Trotzdem wurde weder die Fahrer-WM noch die Team-WM oder die Konstrukteurs-WM gewonnen.

Suzuki Ecstar hingegen schaffte keine Pole-Position und nur zwei Siege, aber Joan Mir und Alex Rins sicherten sich die Plätze 1 und 3 in der Fahrer-WM.

Im August bildeten sich die Yamaha-Rennmanager noch ein, man könne trotz der Motorschäden mit den vorgeschriebenen fünf Motoren durch die Saison kommen. Doch Viñales musste im Oktober schon den sechsten Motor in Betrieb nehmen und einmal aus der Boxengasse starten.

Am 15. August deckte SPEEDWEEK.com auf, dass Yamaha wegen einer angeblich schadhaften Lieferung von Ventilen die bereits versiegelten Motoren öffnen lassen will, die nicht explodiert waren. Also je einen von Viñales, Morbidelli, Rossi und zwei von Quartararo. und dann sollten die laut Yamaha schadhaften Ventile ausgetauscht werden.

Als die anderen Hersteller genauere Details in deine schriftliches Eingeständnis des betroffenen Lieferanten verlangten, zog Yamaha den Anttrrag zurück.

Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing, versicherte danach, man könne weitere Motorschäden mit einem «geänderten Setting» verhindern.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde jeder halbwegs aufgeweckte Beobachter hellhörig. Und davon sitzen einige in den Meetings der Hersteller-Vereinigung MSMA.

Und da Yamaha zu diesem Zeitpunkt die WM anführte, wurden die Vorkommnisse natürlich besonders aufmerksam beäugt.

Bald stellte sich heraus: Es gab bei Yamaha 2020 zwei verschiedene Sorten von Ventilen.

Es konnte aber nur eine dieser beiden Sorten in der homologierten «sample engine» stecken, die im März bei MotoGP Technical Director Danny Aldridge zur Aufbewahrung abgeliefert worden war.

Yamaha gab dann bei der Universität in Padua ein Gutachten in Auftrag. Die Japaner wollten nachweisen, dass es sich um identische Ventile handelte.

Das Ergebnis: Beim Härtegrad der unterschiedlichen Ventilsorten wurde ein Unterschied von 50 Prozent gemessen, auch bei der Geometrie wurden deutliche Unterschiedliche festgestellt.
Yamaha hatte also illegale Ventile verwendet.

Als die Kontrahenten fragten, welche Ventile in der «sample engine» steckten, lieferte Yamaha widersprüchliche Antworten, wie SPEEDWEEK.com von einem gegnerischen Hersteller erfuhr.

Yamaha bildete sich aber offenbar bis zum Ergebnis der Überprüfung offenbar ein, die Beschaffenheit der fraglichen Ventile sei absolut identisch.

Nachher wurde Schritt und Schritt ein Teil der Wahrheit herausgerückt. Der bisherige Hersteller hatte Yamaha bereits im Juli 2019 mitgeteilt, dass er die Produktion der Ventile stoppen würde.

Yamaha suchte also einen neuen Ventilhersteller. Dass der Fertigungsprozess bei jeder Engineering Company anders ist und damit wohl auch das Erzeugnis, ist den Yamaha-Ingenieuren offenbar nicht bewusst gewesen.

Gleichzeitig führten die Yamaha-Techniker die Gegner hinters Licht. MotoGP-Projektleiter Takahiro Sumi wollten bei einem MSMA-Meeting der Konkurrenz weismachen, die Ventile des neuen Lieferanten seien 2020 in alle Motoren und in den «sample engines» eingebaut worden. Darin befanden sich aber die Ventile des alten Lieferanten.

Jedenfalls förderte die unabhängige Prüfanstalt der Uni Padua ans Tageslicht, dass die Oberfläche der nicht homologierten Ventile bis zu 50 Prozent weicher war als die Ventile im homologierten Triebwerk. Auch gewisse Unterschiede in der Titan-Aluminium-Zusammensetzung wurden festgestellt. Identisch sieht anders aus...

Das MotoGP-Reglement verbietet nicht, dass gewisse Motorkomponenten von unterschiedlichen Herstellern erzeugt werden. Aber die müssen identisch sein und jener Spezifikation entsprechen, die homologiert wurde.

Bei den unterschiedlichen Yamaha-Ventile waren sogar mit freiem Auge Unterschiede zu erkennen – bei der Farbe, bei der Oberfläche, bei der Geometrie. Dann wurde eingeräumt, die Geometrie sei um fünf Grad verändert.

«Wenn sich die Geometrie von einem zum anderen Hersteller geändert hat, dann hat der neue Hersteller auch eine andere Zeichnung bekommen», ist ein gegnerischer Techniker überzeugt.

Völlig unverständlich ist, warum Yamaha nach dem Auffliegen des Skandals in Valencia weiter behauptete, die Ventile seien zwar von unterschiedlichen Herstellern, aber absolut identisch. Auch in einer Pressemitteilung wurde von einem «identischen design» gesprochen. Das entsprach nicht der Wahrheit, sonst hätte das «FIM MotoGP Stewards Panel» für den ersten Jerez-GP nicht alle Punkte in der Marken- und Team-WM gestrichen.

Yamaha räumte aber in Valencia ein, die beim ersten Grand Prix verwendeten Ventile seien «merklich weicher» gewesen als die homologierten.

Yamaha hat also in der MSMA gelogen und gegenüber den Medien irreführende Statements abgegeben. Es wurde auch behauptet, die in Jerez-1 am 19. Juli versiegelten Motoren mit den «schadhaften» Ventilen seien nie mehr verwendet worden. Aber es ließ sich nachweisen, dass Viñales damit noch einmal in Spielberg gefahren war. Denn bei ihm hat sich wohl dort bereits abgezeichnet, dass er mit den fünf Motoren nicht durch die Saison kommen würde.

Irgendwelche Yamaha-Ingenieure mussten wissen, dass im homologierten M1-Motor andere Ventile steckten als in den versiegelten Motoren beim GP von Spanien und dass sie nicht identisch waren. Sonst haben diese Techniker in der Königsklasse nichts verloren.

Noch dilettantischer war der öffentliche Umgang von Yamaha mit diesem Schwindel, der sich wegen fortwährender Vertuschungsmanöver zum Skandal entwickelte. Er wurde von «nur einem Missverständnis bei Yamaha Japan» gefaselt, und die Performance der Ventile sei «ganz klar identisch» gewesen.

Auch das stimmt nicht: Die illegalen neuen gingen zu Bruch, deshalb wollte sie Yamaha ja gegen die homologierten tauschen.

Merkwürdig: Yamaha hat also nie wirklich eine Schuld eingestanden. Aber die Strafen mit den Punkteabzügen für die Marken- und Team-WM wurden widerspruchlos hingenommen, obwohl sie zur Niederlage in der prestigeträchtigen Konstrukteurs-WM führten.

Alle MotoGP-Sieger 2020

Jerez-1: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Brünn: Brad Binder (Red Bull KTM)
Spielberg-1: Andrea Dovizioso (Ducati Team)
Spielberg-2: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech 3)
Misano-1: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Monster Yamaha)
Catalunya: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Le Mans: Danilo Petrucci (Ducati Team)
Aragón-1: Alex Rins (Suzuki Ecstar)
Aragón-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Valencia-1: Joan Mir (Suzuki Ecstar)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech3)

MotoGP-Pole-Positions 2020

Jerez-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Yamaha)
Brünn: Johann Zarco (Ducati)
Spielberg-1: Maverick Viñales
Spielberg-2: Pol Espargaró (KTM)
Misano-1: Maverick Viñales (Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Yamaha)
Catalunya: Franco Morbidelli (Yamaha)
Le Mans: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-2: Takaaki Nakagami (Honda)
Valencia-1: Pol Espargaró KTM)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (KTM)

MotoGP-Pole-Positions 2020

Yamaha 9
KTM 3
Ducati 1
Honda 1
Suzuki 0
Aprilia 0

MotoGP-Podestplätze 2020

Yamaha 12
Morbidelli 5 (3x Platz 1, 1x Platz 2, 1x Platz 3)
Quartararo 3 (3x Platz 1)
Viñales 3 (1x Platz 1, 2x Platz 2)
Rossi 2 (1x Platz 3)

Ducati 9
Miller 4 (3x Platz 20, 1x Platz 3)
Dovizioso 2 (1x Platz 1, 1x Platz 3)
Petrucci 1 (2y Platz 1)
Zarco 1 (2x Platz 3)
Bagnaia 1( 2x Platz 2)

KTM 8
Pol Espargaró 5 (5x Platz 3)
Oliveira 2 (2x Platz 1)
Brad Binder 1 (1x Platz 1)

Suzuki 11
Mir 7 (1x Platz 1, 3x Platz 2, 3x Platz 16
Rins 4 (1x Platz 1, 2x Platz 2, 1x Platz 3)

Honda 2
Alex Márquez 2 (2x Platz 2)

Aprilia 0

 

Endstand Fahrer-WM nach 14 Rennen:

1. Mir 171 Punkte. 2. Morbidelli 158. 3. Rins 139. 4. Dovizioso 135. 5. Pol Espargaró 135. 6. Viñales 132. 7. Miller 132. 8. Quartararo 127. 9. Oliveira 125. 10. Nakagami 116. 11. Binder 87. 12. Petrucci 78. 13. Zarco 77. 14. Alex Márquez 74. 15. Rossi 66. 16. Bagnaia 47. 17. Aleix Espargaró 42. 18. Crutchlow 32. 19. Bradl 27. 20. Lecuona 27. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.

Endstand Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 221 Punkte. 2. Yamaha 204. 3. Suzuki 202, 4. KTM 200. 5. Honda 144. 6. Aprilia 51.

Team-WM nach 14 Rennen:

1. Team Suzuki Ecstar 310 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 248. 3. Red Bull KTM Factory Racing 222. 4. Ducati Team 213. 5. Pramac Racing 163. 6. Monster Energy Yamaha MotoGP 178. 7. Red Bull KTM Tech3, 152. 8 LCR Honda 148. 9. Repsol Honda Team 101. 10. Esponsorama Racing 87. 11. Aprilia Racing Team Gresini 54.

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