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Sport1-Experte Hofmann über Bradl, Rossi und Cortese

Von Matthias Dubach
Das erste MotoGP-Wochenende der Saison 2014 ist Geschichte. TV-Mann und Ex-GP-Pilot Alex Hofmann analysiert das Geschehen im ausführlichen Interview.

Für viele MotoGP-Fans in Europa bedeutet die Saison 2014 ein markanter Wechsel, denn gleich in drei wichtigen Ländern sind die TV-Übertragungsrechte zu Pay-TV-Sendern abgewandert. In Grossbritannien (BT Sport), Spanien (MoviStarTV) und Italien (Sky) sind nun Bezahl-TV-Kanäle am Drücker.

In Deutschland überträgt hingegen weiterhin wie seit 2009 Sport1 die Rennen. Der Start in die neue Saison in Katar am letzten Sonntag gelang nicht nur den drei Siegern Jack Miller, Tito Rabat und Marc Márquez nach Mass. Sport1 konnte bei den Live-Übertragungen der drei Flutlicht-GP die besten Einschaltquoten für das Auftaktrennen seit sechs Jahren verbuchen.

Wir haben mit Sport1-Experte, Ex-MotoGP-Fahrer und Aprilia-Testpilot Alex Hofmann über den Saisonstart in Katar gesprochen.

Alex, aus Budgetgründen haben du und Edgar Mielke das Rennwochenende in Katar aus dem Studio in München kommentiert. Was hast du von der Rennstrecke am meisten vermisst?

Wenn man vor Ort ist, hat man mehr Kontakt zu den Fahrern. Man kriegt viel mehr mit, was hinter den Kulissen passiert. Aber es gilt einfach, aus jeder Lage das Beste zu machen. Wenn wir also in München sind, versuchen wir das und es hat gut funktioniert. Man muss sich an die Situation anpassen und das Maximum geben, eben wie auf der Rennstrecke auch!

Ist es überraschend gut herausgekommen?

Quotentechnisch auf jeden Fall. Es war der beste Saisonstart für Sport1 (Anm.: zuvor DSF) – und das gegen sehr starke Konkurrenz zur Primetime in Deutschland. Die Rennen haben das aber auch mehr als gerechtfertigt.
Ich habe selten beim ersten Rennen so viel Spass in den drei verschiedenen Klassen, und gerade auch in der MotoGP, gehabt. Es war alles drin – wen das kalt gelassen hat, der hat wohl ein emotionales Problem…

Wer oder was hat dich aus sportlicher Sicht am meisten überrascht?

Eigentlich war für mich die grösste Überraschung, wie gut die Privatiers in der MotoGP im ganzen Rennen gegen gehalten haben. Klar, sie haben dort drei Tage testen können und die Werksbikes nicht. Aber es war schon beeindruckend zu sehen, wie lange Rossi gebraucht hat, um an Bradley Smith vorbeizugehen.
Oder wie lange Stefan da vorne war und eine Top-Leistung abgeliefert hat, das fand ich erfrischend und richtig gut. Ich hoffe, dass das für die ganzen Privatiers auch eine Motivation ist. Denn in den letzten Jahren haben wir sie ja kaum gesehen, da ging es immer erst ab Rang 4 oder eher Rang 5 los.
Diesmal hatte ich das Gefühl, dass das keiner richtig akzeptiert hat. Sie haben gespürt, dass etwas geht und wollten es nicht akzeptieren – weder Bautista noch Bradl, noch Smith. Die sind zwar dann alle gelegen, weil sie zu viel wollten, aber lieber in einer solchen Position stürzen, als mit 25 Sekunden Rückstand hinterherfahren. Das hat mir besonders gut gefallen.

Stefan stürzte dann als Leader. Hätte er sich besser hinter Márquez zurückfallen lassen und dem Spanier die Führungsarbeit überlassen sollen?

Hinterher ist es immer leicht zu sagen, was man alles hätte machen sollen. Die Trainings liefen bei Stefan nicht wie geplant, im Qualifying hat er sich dann aber ganz gut retten können. Er hat dann einfach einen Topstart gehabt und das Rennen war in der ersten Hälfte aus verschiedenen Gründen nicht so schnell.
Stefan hat vorne einfach seinen Job gemacht. Was hätte es ihm denn gebracht, hinter Márquez zu fahren?
Márquez war schon klar derjenige, der die Richtlinie hatte, mindestens 75 Prozent des Rennens hinterherzufahren und zu schauen, wie sich der Fuß und natürlich auch der härtere Reifen verhalten. Ich glaube, wenn Stefan versucht hätte, sich zurückfallen zu lassen, wäre er hinten nur auf mehr Konfusion getroffen.
Da war ein Bautista, der immer wieder Unruhe reingebracht hat, und auch ein Smith. Da stürze ich lieber vorne, als vielleicht hinten in Zwischenfälle zu geraten.

Waren es zu viele Stürze in diesem Rennen? Du hast beim Live-Kommentar mehr als einmal erwähnt, dass sogenannte Dual-Compound-Reifen mit einer weicheren Mischung auf der linken Seite die vielen Stürze in Linkskurven verhindern könnten, für das Hinterrad existiert diese Lösung ja ohnehin.

Absolut. Wir haben am Sonntag gesehen, dass in diesem Sport einige der letzten echten Helden dabei sind. Es ist schon gefährlich genug, mit 24 Mann auf eine Ecke zuzublasen, wo dann jeder versucht, auf der Bremse den anderen um die Ohren zu fahren. Deshalb muss man für die Fahrer alles machen, was möglich ist. Es wäre mehr als einfach, einen Dual-Compound auch für das Vorderrad anzubieten.
Das ist eine Geschichte, die eigentlich schon seit 2005 bekannt ist. Wenn man das bei der Strecke hochrechnet, ist man schätzungsweise 30 Prozent der Zeit auf der linken Seite und 70 auf der rechten. Da muss man kein Mathematiker sein, um zu sehen, dass man auf der linken Seite aufpassen muss. Dann kommen an einem solchen Abend auch Wetteränderungen hinzu.
Nur im Rennen können zwischen Start und dem Zieleinlauf schon fünf Grad Temperaturunterschied auftreten. Loris Capirossi (Anm.: Ex-Weltmeister, nun Sicherheitsdelegierter), der eng mit den Fahrern zusammenarbeitet, muss sich die Sache mit Bridgestone anschauen, denn technisch ist es absolut machbar. Die Stürze waren kein fahrerspezifisches Problem, deshalb sollte man daran arbeiten.

Bradl reist nun wie letztes Jahr mit einem Nuller zum zweiten Rennen. Hilft es ihm, dass er diesmal aber als Spitzenreiter stürzte?

Ich muss gestehen, dass ich an den ersten beiden Tagen ein etwas mulmiges Gefühl hatte. Er ist da nicht richtig reingekommen. Das Qualifying hat er dann wirklich gut rüber gerettet – da war er da, wo er hingehört.
Aber natürlich muss man auch sagen, dass er im Vergleich zu Alvaro Bautista ganz klar den Kürzeren gezogen hat. Das ist sein erster Rivale, den muss er sich immer zur Brust nehmen. Man hat im Rennen gesehen, dass Stefan den Druck des Rennens braucht. Er funktioniert dann einfach am besten. Trainingsweltmeister wird er wahrscheinlich nicht mehr.
Da hat er einen guten Job gemacht, das war auf jeden Fall besser als das, was er letztes Jahr abgeliefert hat. Letztes Jahr hat der Sturz zu zusätzlichem Druck geführt und er erlebte dann zwei, drei weitere Rennen, an denen es nicht so geschmeidig lief. Deshalb hoffe ich, dass er dieses Jahr die gewonnene Erfahrung ausspielen kann und das Positive mitnimmt.
Er hatte in Katar neben Márquez die meisten Führungsrunden, das muss er nach Texas mitnehmen, wo er auch schon getestet hat und letztes Jahr bereits flott unterwegs war. Es ist ein wichtiges Jahr für ihn – das weiß er auch und hat das einige Male schon selber gesagt. Aber trotzdem muss er mit einer gewissen Lockerheit an die Sache herangehen.

Haben wir am Sonntag die Auferstehung von Valentino Rossi erlebt?

Er hat fast ein identisches Rennen wie letztes Jahr abgeliefert. Er hat definitiv Motivation aus dem Wechsel des Crew-Chiefs von Jeremy Burgess zu Silvano Galbusera gezogen. Denn wenn du so lange mit jemandem zusammenarbeitest und dich auch immer auf Englisch unterhältst, ist es jetzt auch einfach mal schön, seine Gefühle auf Italienisch an den Cheftechniker weiterzugeben.
Der Wechsel hat auch geholfen, neue Inputs zu kriegen. Jeder hat seine Art und Weise. Ob es technisch besser ist, will ich nicht beurteilen, aber es ist anders und das ist motivierend. Aber wir dürfen uns nicht vom Rennen blenden lassen, denn letztes Jahr ist er in Katar auch Zweiter geworden. Da ist er auch von hinten nach vorne gefahren und alle haben gesagt, Rossi wird wieder um den Titel fahren! Dann kam es aber anders.
Jetzt müssen wir mal die Honda-Strecke in Texas abwarten, die komplett neue Strecke in Argentinien und dann zumindest noch den Europaauftakt mitnehmen, um zu sehen, ob es wirklich ein Schritt nach vorne war.
Aber wenn der Bursche vorne dabei ist, ist das einfach schön. Und wenn Marc Márquez neben Rossi im Parc Fermé steht, ist das ein doppeltes Lächeln, das so schnell keiner vergisst. Die beiden versprühen einfach die Freude an der MotoGP.

Ein Blick in die Moto2-Klasse: Wäre Sandro Cortese ohne seine Verletzung auf dem Podest gelandet?

Ich glaube, er hätte um das Podest fahren können. Denn auch das, was er mit der Verletzung abgeliefert hat, war mehr als respektabel. Das muss man ganz klar sagen und den Hut ziehen, das war toll. Er hat reingehalten, obwohl er das Warm-up nicht gefahren ist. Was auch immer bei Sandro über den Winter passiert ist, jetzt ist er selbstbewusst und er weiss was er kann.
Er ist sich seiner Sache sicher, deswegen hatte er keine Zweifel, dass er auch mit der Verletzung gut dastehen wird. Klar, es gab ein paar Ausfälle, aber er hat einen Top-Job abgeliefert und wäre sicher unter die ersten Fünf gekommen.

In der Moto3-WM sind mit Maverick Viñales, Sam Lowes und Jonas Folger gleich drei Debütanten in die Punkte gefahren. Hast du einen solchen Senkrechtstart von diesem Trio erwartet?

Ja und nein. Dass Viñales ein Ausnahmetalent ist, wussten wir schon länger. Er hatte sich schon beim Einstieg in die 125er Klasse im Kampf mit den Großen um nichts geschert und hat das vierte Rennen gewonnen.
Wenn einer eine solche Kapazität hat, zieht sich das durch. Dann kann er die auch woanders zeigen. Bei Folger muss ich gestehen, dass ich das ebenfalls erwartet habe. Es hätte mich gefreut, wenn er weniger Fehler gemacht hätte. Die Rundenzeiten waren stellenweise gut genug, um locker zwischen Rang 5 und 8 mitzufahren.
Jonas ist auch so einer: Wenn es mal läuft, dann läuft es – das kennt man auch noch aus seiner 125er Anfangszeit.
Wenn er gut drauf ist, kann man ihm alles zutrauen. Jetzt muss man schauen, wie es weitergeht, aber ich denke, da kann in den nächsten vier, fünf Rennen mal ein echtes Ausrufezeichen kommen.

Und Sam Lowes, der im Gegensatz zu den Moto3-Aufsteigern aus der Supersport-WM kommt?

Auch ihm habe ich das zugetraut, auch deshalb, weil ich im Winter viel Zeit mit seinem Zwillingsbruder (Anm.: Alex Lowes fährt neu für Suzuki in der Superbike-WM) auf der Rennstrecke verbracht habe. Was ich da gesehen habe, war beeindruckend – speziell auch was Wille, Physis und Einsatz betrifft. Talent ist natürlich auch da, aber das sind zwei extreme Arbeiter und harte Jungs, die reinhalten als gäbe es kein Morgen.
Somit war bei Sam nur die Frage: Bringt er es ins Ziel? Er lag ja beim Testen auch oft genug auf der Nase. Aber ich wusste, wenn er ins Ziel kommt, wird das ziemlich weit vorne sein.
Bei ihm wird es auch von den Rennstrecken abhängen, aber ich sage mal: In Silverstone werden sich die Jungs ganz warm anziehen müssen. Da wird er mit Extramotivation ans Werk gehen und entweder die Kiste kaltverformen oder ganz weit vorne landen.

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