Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

«Sein Wille wurde Marco zum Verhängnis»

Kolumne von Alex Hofmann
Die Startnummer 58 bleibt in Erinnerung

Die Startnummer 58 bleibt in Erinnerung

«Die Tragödien bei Shoya Tomizawa und Marco Simoncelli sind sich sehr ähnlich. Dieses Mal sitzt der Schock aber noch tiefer.»

Noch nie habe ich unseren geliebten Sport an einem Rennsonntag so sehr geliebt und Minuten später so sehr verflucht! Der Grand Prix von Malaysia war eine Achterbahn der Gefühle. Ein Demonstration, wie verschieden die Gesichter unseres Sports doch sind. Wunderschön anmutend, wie Stefan Bradl lange Zeit im Rennen der Moto2 virtuell die Krone des WM-Titels trug, hässlich und schockierend, wie Minuten später die Motorradfamilie das schönste Lächeln der MotoGP verlor...

Der Motorradrennsport ist gelähmt. Nach Shoya Tomizawa in der letzten Saison ist nun auch Marco Simoncelli von uns gegangen. Die Zeilen, die ich letztes Jahr für Shoya-San in meinen Computer tippte, sind für mich immer noch allgegenwärtig, als wäre es gestern gewesen. Knapp über ein Jahr später könnte ich einiges per «Copy & Paste» leider wieder niederschreiben. So ähnlich waren die Tragödien auf der Rennstrecke, und so ähnlich waren sich diese beiden Ausnahmekönner als Menschen.

Dieses Mal sitzt der Schmerz allerdings noch tiefer. Marco Simoncelli war ein Weltmeister mit dem Charme eines Rockstars! Er trug sein Herz auf der Zunge und fuhr – genau aus diesem Herzen heraus – so unerschrocken und spektakulär wie kaum ein anderer Rennfahrer. Er berührte die Menschen mit seinem Lächeln, das immer strahlte.

Hätte der Unfall anders verlaufen können? Natürlich! Ich glaube nicht, dass er unglücklicher hätte geschehen können. Auslöser war ein kleiner Rutscher in Runde 2. Super-SIC versuchte mit seinen langen Beinen, die eigentlich nicht förderlich sind in unserem Sport, den Sturz unbedingt zu verhindern und stemmte sich unter seine Honda. Sein unglaublicher Wille, nie aufzugeben, wurde ihm zum Verhängnis. Die Reifen bekamen wieder etwas Auflagefläche und damit Grip. Unter dem Bike hängend, zog es ihn zurück auf die Ideallinie, es zog ihn vor die Vorderräder von Colin Edwards und Valentino Rossi, es zog ihn in den Tod.

Keiner hat Schuld an diesem tragischen Unfall. Keiner will jetzt in der Haut von Colin Edwards und Marcos gutem Kumpel Valentino Rossi stecken. Wieder einmal war ein unglaublicher toller Mensch einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Hätten die Reifen von Marco keinen Grip mehr gefunden, er wäre ohne einen blauen Fleck im Gepäck mit seinem Vater Paolo und Freundin Kate nach Hause geflogen und hätte weiterhin mit der Kombination seiner Frisur und seines Lächelns die ganze Welt verzückt.

Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Auch wenn die Entwicklung immer weiter voran schreitet, halte ich es für fast unmöglich, dass MotoGP-Fahrer auf der Strecke irgendwann nicht mehr sterblich sein werden. Die Knautschzone ist eine Lederkombi, kein Carbon-Monocoque! Die Sicherheitsausrüstung wird auch immer ein Kompromiss zwischen Schutz und Bewegungsfreiheit bleiben.

MotoGP-Fahrer beeinflussen mit ihrem Fahrstil das Fahrverhalten des Motorrads. Es ist ein Zusammenspiel aus Körperbeherrschung und Fahrtalent. Ein HANS-System – wie im Automobil-Rennsport üblich und Pflicht – ist noch nicht in Sicht. Aber man wird daran arbeiten, denn die grösste Schwachstelle der MotoGP-Gladiatoren sind der Kopf und der Nacken. Marco Simoncelli war mit dem neuesten Airbag-System in seinem Leder ausgestattet, er trug den aktuellsten Standard an Sicherheit.

Shoya-San und Super-SIC wurden beide durch ihre Bikes zurück auf die Rennstrecke gezogen. Man sollte an den Motorrädern arbeiten. Klötze beziehungsweise Auflageflächen, die das Bike in die Sturzrichtung wegrutschen lassen und den Reifen ab einem gewissen Winkel von Schräglage den Grip rauben? Ein spontaner Gedanke von mir, aber irgendetwas muss erfunden werden.

Wie wird es weitergehen? Es geht immer weiter! Egal, welche Katastrophe die Welt heimgesucht hat, es ging immer weiter. Das gleiche gilt für die MotoGP. Die Fahrer sind die Gladiatoren der Neuzeit. Sie lieben den Rennsport, den Adrenalin-Kick und die Geschwindigkeit. Sie sind jung und haben Träume auf einem Planeten, auf dem viele Menschen aufgehört haben zu träumen. Sie begeistern die Fans und inspirieren Millionen Menschen vor den Bildschirmen. Sie wissen um die Gefahr und doch verdrängen sie die Angst vor solchen Ereignissen. Sie verdienen den grössten Respekt für das, was sie tun. Aber keiner hat sie dazu gezwungen...

Mir fallen diese Zeilen besonders schwer, aus einem einfachen Grund: Ich war genauso! Ich hatte die gleichen Träume und hatte die gleiche Wahl getroffen. Ich bereue nichts und möchte nicht einen Moment missen, der mein Leben geprägt hat.

Danke, Marco, für die tollen Momente zusammen. Danke, dass jeder einzelne mit einem Lächeln garniert war. Danke dafür, dass du dich für nichts und niemanden verstellt hast. Danke für die vielen tollen Bilder, die ich in Erinnerung behalten werde. Danke für das Schönste von allen: dein verzweifelter Versuch, deine Haarpracht unter die Mütze zu quetschen vor jedem Interview - unvergesslich!

Ciao Marco. Dein Lächeln wird für immer in unseren Herzen um den Sieg fahren.

SPEEDWEEK-Kolumnist Alex Hofmann hat zwischen 1997 und 2007 106 Grands Prix in den Klassen 125 ccm, 250 ccm und MotoGP bestritten. Heute arbeitet er als fachkundiger Experte für den TV-Kanal Sport1.

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