Formel 1: Günther Steiner rechnet ab

Timo Glock Steckbrief

Timo Glock

Timo Glock

Rennfahrer
  • Vorname: Timo
  • Nachname: Glock
  • Spitzname: k.A.
  • Webseite: www.timoglock.de
  • Twitter: realTimoGlock
  • Nationalität: Deutschland
  • Geburtsdatum: 18.03.1982 in Lindenfels, Deutschland (42 Jahre, 9 Monate und 5 Tage)
  • Familienstand: Verheiratet
  • Wohnort: Thurgau
  • Größe: 169 cm
  • Gewicht: 67 kg
  • Hobbys: Radfahren, Tennis, Schach, Kart, Ski, Autos, Filme, Musik
  • Lieblingssportart(en): Motorsport
  • Lieblingsstrecke: Singapur
  • Lieblingsspeise(n): Ein gutes Stück Filet, Pasta, Salat
  • Lieblingsmusik: Alles, was in den Charts rauf und runter läuft, Guns N' Roses

Über Timo Glock

Letzte Aktualisierung:

Erste Erfahrungen sammelte Glock 1996 im Motocross-Sport. 1997 stieg er dann auf vier Räder um und fuhr bis 1999 Kartrennen. Danach folgte ein Wechsel in den Formel-Sport. Er fuhr in der Formel BMW, die er auf Anhieb sowohl in der Juniorenklasse als auch ein Jahr später in der höheren Klasse gewann.

2002 wechselte Glock in die Formel 3 und wurde bereits in seiner ersten Saison Dritter, um danach 2003 in der Formel-3-Euroseries Fünfter der Gesamtwertung zu werden. 2004 wurde er zu Saisonbeginn Test- und Ersatzfahrer beim Formel-1-Team Jordan. Sein Renndebüt in der Königsklasse gab er am 13. Juni 2004 beim Grossen Preis von Kanada, um Georgio Pantano zu ersetzen. Glock war somit in der 2004er-Saison neben Michael Schumacher, Ralf Schumacher und Nick Heidfeld der vierte deutsche Formel-1-Pilot. Er sammelte mit einem siebten Platz bei seinem Debütrennen zwei WM-Punkte. Weitere Platzierungen in den Punkten blieben ihm aber verwehrt.

2005 wechselte Glock in die amerikanische Champ Car World Series. In Montreal konnte er sein erstes Podium feiern, er wurde Zweiter. Am Ende der Saison wurde er als Rookie of the Year ausgezeichnet.

In der Saison 2006 ging Timo Glock in der GP2-Serie an den Start. Er fuhr für das spanische BCN Competición Team. Glock wurde oft durch technische Probleme eingebremst. Er wechselte noch während der laufenden Saison das Team und fuhr für das britische iSport Team. Er machte dem späteren Meister Lewis Hamilton das Leben schwer. Die beiden lieferten sich tolle Kämpfe. Glock wurde trotz der anfänglichen Schwierigkeiten noch Vierter im Endklassement.

2007 blieb Glock bei iSport. Er war der beste Fahrer im Feld und fuhr zeitweise in einer anderen Liga. Auf Grund von einigen technisch bedingten Ausfällen und unverschuldeter Unfälle musste Glock bis zum letzten Rennen in Valencia warten, bevor er sich den Meistertitel endgültig sichern konnte.

Neben seinem GP2-Engagement war Glock 2007 zweiter Testfahrer des BMW-Sauber-Formel 1-Teams. Nach dem Wechsel von Sebastian Vettel zum Toro-Rosso-Rennstall übernahm er die Rolle des offiziellen Ersatzfahrers.

Für 2008 bekam Glock von Toyota Racing einen Vertrag angeboten. Da Glock noch einen Vertrag als Ersatzfahrer mit BMW-Sauber hatte, musste eine Schiedsentscheidung des Contract Recognition Boards (CRB) her. Diese entschieden zu Gunsten Toyotas, und so bestätigten diese im November 2007 die Verpflichtung Glocks für drei Jahre.

Glock war der fünfte deutsche Fahrer, der 2008 in der Formel 1 an den Start ging. Nach Lewis Hamilton und Nico Rosberg gelang es ihm, als dritter GP2-Champion, direkt in die Königsklasse aufzusteigen. Seine erste komplette Saison beendete Glock als Zehnter der Gesamtwertung. Bestes Ergebnis war ein zweiter Platz beim Grand Prix von Ungarn.

Aufsehen erregte er beim Saisonfinale in Brasilien, als er in der vorletzten Kurve der letzten Runde von Lewis Hamilton überholt wurde, der dadurch mit einem Punkt Vorsprung auf Felipe Massa Weltmeister wurde. Die Fans des Südamerikaners unterstellten Glock Absicht und beschimpften den Deutschen.

2009 ging Glock ebenfalls im Toyota an den Start. Ein dritter Platz beim zweiten Rennen in Malaysia war ein guter Einstieg. Nach weiteren Platzierungen in den Punkten fuhr Glock beim Rennen in Singapur das beste Resultat seiner Karriere ein, er wurde Zweiter.

Da Toyota Ende 2009 seinen Rückzug aus der Formel 1 bekanntgab, musste Glock sich ein neues Team suchen. Die Top-Teams hatten ihre Fahrerpaarungen bereits zusammengestellt. Glock musste sich entscheiden, ob er die Formel 1 verlässt oder für eines der neuen Formel-1-Teams an den Start gehen soll. Er entschied sich, für das Virgin-F1-Team. Es wurde ein schwarzes Jahr für Glock: Nach vielen technischen Problemen sah er selten das Ziel und holte nicht einen WM-Punkt.

Glock blieb dem Team bis 2012 treu, das mittlerweile als Marussia F1 Team antrat. Der Erfolg stellte sich auch mit dem neuen Chassis nicht ein: Nach zwei Saisons ohne zählbare Ergebnisse trennte sich die Partner einvernehmlich.

Für die Motorsportsaison 2013 fand Glock eine neue Herausforderung in der Deutschen Torwarenwagenmeisterschaft (DTM) mit BMW. In einer insgesamt harzigen Saison erzielte er bei seinem dritten DTM-Rennen einen dritten Platz eine Podest-Platzierung sowie den Sieg beim Saisonfinale in Hockenheim. Glock wurde Neunter der Gesamtwertung.

Glock blieb der DTM bis Ende 2020 verbunden, in insgesamt 130 Läufen eroberte er sechs Pole-Positions und fünf Siege, dazu fünf beste Rennrunden. Als beste Meisterschaftsplatzierung wurde er 2018 und 2020 Gesamtfünfter.

Glock baute sich gleichzeitig eine neue Karriere auf als Formel-1-Experte, zuerst bei RTL, dann bei Sky. Die Zuschauer schätzen seine fundierten und kritischen Analysen. Glock spricht die Menschen an, weil er auch komplexe Zusammenhänge gut erklären kann und auch heikle Themen mutig zur Sprache bringt.

Zwischendurch gab es durch Glock echte Gänsehaut-Momente. So führte er in Interlagos ein bewegendes Gespräch mit GP-Sieger Felipe Massa, und Anlass dazu waren 39 Rennsekunden aus der Saison 2008. Da müssen wir ein wenig ausholen.

Läppische 39 Sekunden. Was ist das schon? Ein Wimpernschlag innerhalb einer langen Karriere in der Formel 1. Ein paar Momente, eine halbe Runde, ein Mini-Ausschnitt, mehr nicht. Schnell wieder vergessen, abgehakt.
Doch die 39 Sekunden am 2. November 2008 waren anders. Intensiv, nachhaltig, prägend für alle, die involviert waren. Es gibt Aufnahmen von damals, die zeigen, wie emotional dieser Sport sein kann, wie brutal, wie mitreißend und schmerzhaft, wie ungerecht, wie schön. In diesen 39 Sekunden steckt all das drin, Freude, Trauer, Glück, Verbitterung. Eine Achterbahn der Gefühle.

Als Felipe Massa damals bei seinem Heimrennen über die Ziellinie fährt, brach auf dem Autódromo José Carlos Pace das Chaos aus, die brasilianischen Fans rasteten aus, lagen sich in den Armen, der Jubel war ohrenbetäubend. In der Ferrari-Box ertrank Massas Familie fast im kollektiven Freudentaumel, denn der Sieg sollte Felipe den Titel garantieren.

Parallel die Verzweiflung in der McLaren-Garage. Lewis Hamilton musste Fünfter werden, lag aber wenige hundert Meter vor dem Ziel auf Rang 6. Alles aus, verloren, so schien es.

Doch da tauchte der Toyota von Timo Glock auf, der Deutsche wehrte sich nicht, weil er es nicht konnte, er liess sich von Hamilton überholen, der in der letzten Kurve des letzten Rennens diesen fünften Platz übernahm, der alles bedeutete.

Massa erfuhr es auf der Auslaufrunde, dass es doch nicht gereicht hatte. In dem Video sieht man, wie der Jubel in der Ferrari-Garage schlagartig verstummt, in Sekundenbruchteilen umschlägt in Fassungslosigkeit. Trauer. Tränen. Wut.

Ein Mechaniker zertrümmerte mit der Faust ein rotes Leuchtschild. Papa Massa stand die Ungläubigkeit ins Gesicht geschrieben. Mehr als 100.000 Fans an der Strecke blieb der Jubel im Hals stecken. Gleichzeitig hüpfte Hamiltons damalige Freundin Nicole Scherzinger unaufhörlich auf und ab, kreischte und jubelte.

Glock hat lange gebraucht, um diese Erlebnisse hinter sich zu lassen. Den Shitstorm. Die Wut. Den ganzen Frust. Ja, auch den geballten Hass, der sich auf ihn fokussierte. Den Formel-1-Fans an ihm ausliessen.

Dass er mit seinen Slicks im Regen von Interlagos gegen Hamilton mit Intermediates völlig chancenlos war – das interessierte damals keinen Massa-Fan oder Verschwörungstheoretiker. Noch heute geht es Jahr für Jahr auf Twitter rund. Der Ex-DTM-Pilot wird für diese für Massa so tragische letzte Runde angegangen, besonders dann, wenn der Brasilien-GP vor der Tür steht.

Mit Massa hat sich Timo ausgesprochen, Glock gab zu, er habe «ein wenig Schiss gehabt, Felipe auf die WM-Entscheidung anzusprechen». Felipe Massa: «Das wäre nicht nötig gewesen. Die Leute müssen verstehen, dass Timo damals nichts falsch gemacht hat. Und ich hegte auch nie einen Groll gegen Timo.» Dann nahm Massa den Deutschen in die Arme.

Trotzdem: Wie Glock mal verriet, sind es bis zu 150 Tweets, die zu dem Thema die Runde machen. Doch so lustig, wie es sich heute anhört, war das damals nicht.

Das fing auf der Strecke an, als fünf Runden vor Schluss bei diesem Rennen voller Wetter-Kapriolen erneut langsam der Regen kam.

Sein Toyota-Team liess ihn draußen, während der Rest des Feldes auf Intermediates ging. Seine kurz vor Ende wiederholte Bitte, die Reifen zu wechseln, wurde erneut abgelehnt. «Die Antwort war: ‚Nein, du kannst nicht reinkommen. Die Boxengasse ist blockiert, weil schon Zäune für die Podiumszeremonie aufgestellt werden und Menschen durch die Boxengasse laufen‘», erinnert sich Glock.

Die Reifen kühlten nun massiv ab, die Temperaturen gingen in den Keller. Der Grip war weg, das Wasser stand teilweise auf der Strecke. Es war wie auf Eis. Ein Kampf. Glock: «Zu jener Zeit waren die Bridgestone-Reifen extrem anfällig für Temperatur-Schwankungen. Ich glaube, ich war in dieser Runde 40 oder 45 Sekunden langsamer. Ich habe nur noch versucht, irgendwie auf der Strecke zu bleiben. Es ging nur noch darum, keine Fehler zu machen.»

Die Entscheidung war strategisch richtig, weil Glock am Ende zwei Plätze gutmachte. Doch dass er die Titelentscheidung mit beeinflusst hatte, wusste er da noch nicht. Bis plötzlich alles auf ihn einprasselte.

Glock: «Mir wurden all diese Geschichten erzählt, dass ich Hamilton geholfen hätte, dass das bereits vor dem Rennen so geplant gewesen sei, oder wie viel Geld ich von Mercedes bekommen hätte, um ihn vorbei zu lassen. Die Situation an diesem Sonntag war so verrückt. Ich war erst einmal völlig baff, weil ich nicht verstehen konnte, dass Leute mir Vorwürfe machten.»

Glock überlegte, ob vielleicht er einen Fehler gemacht hatte. Er erlebte, wie schnell eine Geschichte konstruiert werden kann, wie schnell Stimmungen und Emotionen dafür sorgen, dass der Blick vernebelt, das grosse Ganze nicht mehr gesehen und stattdessen Jemand zu Unrecht beschuldigt wird.

Glock: «Wären wir nämlich auch zum Reifenwechsel gekommen, dann wäre Lewis die ganze Zeit problemlos auf Platz 5 gewesen. Das zeigt auch sehr schön, dass Leute einfach nur diesen einen Moment gesehen haben und die Chance nutzten, jemanden beschuldigen zu können, ohne zu verstehen, wie es zu dieser Situation gekommen war. Und dass es ohne uns niemals dieses dramatische Finale um den Titel gegeben hätte.»

Doch das war in Interlagos, beim Massa-Heimspiel, so ziemlich allen Fans an der Strecke egal. Das Volk tobte.

«Mein ganzes Toyota-Team hatte noch an der Strecke einen Shitstorm abbekommen. Sie wurden von Gästen und brasilianischen Fans aus dem Paddock Club bespuckt und mussten sogar ihre Teamkleidung wechseln. Am Ende liefen sie sogar mit Renault-Shirts rum.»

Er wurde am Montag nach dem Rennen mit einer Polizei-Eskorte zum Flughafen und bis ins Flugzeug gebracht. Im Flieger die persönliche Krönung: Das ganze Mercedes-Team im Feiermodus, direkt neben Glock sass Norbert Haug. Medial unbemerkt glücklicherweise. Ein Foto der beiden hätte für noch mehr Zündstoff gesorgt. Dabei gab es davon genug.

Denn zu Hause ging es weiter. Facebook. Der nächste Shitstorm. Selbst deutsche Fans haben ihm üble Sachen an den Kopf geworfen. Erst nach ein paar Wochen hatte sich alles wieder ein bisschen beruhigt. Bei Glock ging es nicht so schnell. «Es war nicht leicht zu verstehen, warum das alles passiert ist und Menschen so reagiert haben. Insgesamt war es eine absolute irre Situation. Es hat lang gedauert, bis ich das hinter mir lassen konnte.»

Und das alles nur wegen läppischer 39 Sekunden.

Zeitsprung: In Abu Dhabi 2022 erlebte Timo Glock zwei wichtige Momente für langjährige Begleiter – Sebastian Vettel hörte auf mit der Formel 1, Mick Schumacher muss eine GP-Pause einlegen und wird 2023 als Mercedes-Reservist arbeiten.

Glock sagte: «Da ging Sebastian gewiss ganz viel durch den Kopf. Ich glaube, er hatte nicht damit gerechnet, dass so viele emotionale Dinge passieren würden, dass so zahlreiche Leute ihm dermassen Respekt zollen.»

«Ob das nun Fernando Alonso war, der mit einem Vettel-Helmdesign fuhr, oder am Samstag diese schöne Laufrunde zum Abschluss, bei der ganz viele Leute auf dem Yas Marina Circuit waren. Das alles ging sehr ans Herz. Seb lässt das vielleicht nicht in voller Stärke heraus, aber ich glaube schon, dass er überwältigt war von dem, was hier passiert ist.»

Zum vorderhand letzten Grand Prix des jungen Mick Schumacher meinte Glock: «So etwas ruhig und nicht gegen das Team Haas abzuarbeiten, das zeigt menschliche Grösse und Klasse, die er mit nur 23 Jahren schon hat. Ich wünsche ihm, dass er nächstes Jahr einen Schritt vorwärts machen kann, auch wenn das nur als Testfahrer bei Mercedes ist.»

«Das Ziel muss sein: Sich dort so weiterentwickeln, dass er 2024 zurückkommen und allen zeigen kann, was wirklich in ihm steckt. Ich glaube, da ist grosses Potenzial, wenn man Mick Schumacher mehr Unterstützung gibt – was Günther Steiner leider nicht geschafft hat. Ich bin mir sicher, das handhaben andere Teamchefs besser.»

«Für Mick Schumacher war es eine Saison mit Höhen und Tiefen. Das hatte aber schon jeder, speziell ein Nachwuchsfahrer. Es ist sehr schade, dass Haas die Zusammenarbeit mit Mick beendet, auch wenn mit Nico Hülkenberg wohl ein deutscher Fahrer nachrücken wird.»

«Die Frage ist, wieso Haas Mick so lange hinhält, wieso man ihn unter Druck gesetzt hat und nicht von Anfang an eine klare Linie gefahren wurde – damit man Mick auch noch die Chance gegeben hätte, sich noch anderweitig umzuschauen.»

«Die Art und Weise, wie Haas mit diesem Thema in den vergangenen Wochen und Monaten umgegangen ist, ist für mich wenig nachvollziehbar. In meinen Augen hatte Mick immer wieder einen sehr guten Speed. Natürlich gibt es auch Momente, in denen er Fehler gemacht hat. Daraus lernt man. Er war aber immer in der Situation, dass er gesagt bekommen hat, er darf auf keinen Fall das Auto kaputt machen.»

«Wenn man einmal zusammenzählt, wie oft Mick an den Wochenenden in einem freien Training mit technischen Problemen gestanden hat, dann muss man sich bei Haas auch mal an die eigene Nase fassen.»

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