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Bradl & Hayden: Honda wird nicht ewig hinterherfahren

Kolumne von Günther Wiesinger
Weil Nicky Hayden und Stefan Bradl aus dem Red Bull Honda-Team nach drei Events in der Superbike-WM 2017 in der Tabelle nur an 11. und 12. Stelle liegen, wird jetzt heftig diskutiert.

Kann Honda mit der derzeitigen Konstellation überhaupt gegen die übermächtigen Superbike-WM-Werksteams von Kawasaki und Ducati bestehen?

Die Honda Racing Corporation hat sich noch nie vorrangig mit der Superbike-WM befasst. Trotzdem wurden seit 1988 mit Fred Merkel (auf der RC30 1988 und 1989) und Colin Edwards (auf der VTR1000 in den Jahren 2000 und 2002) je zwei Titel gewonnen sowie mit John Kocinski 1997 (RC45) und James Toseland 2007 (CBR1000RR) je einer.

Mit Merkel hatte HRC gar nichts zu tun, bei Kocinski und Edwards war HRC beteiligt, bei Toseland nicht.

James Toseland wurde 2006 mit Ten Kate Honda auf Anhieb Vizeweltmeister in Winston-Farben. Ein Jahr später gewann er den Titel bei Ten Kate mit Hannspree als Hauptsponsor. Seither ist Ten Kate mit wenigen Ausnahmen exklusiver Vertragspartner von Honda für die Superbike-WM. Als werksunterstütztes Team.

Dass Ten Kate Racing eine erstklassige Adresse ist, verdeutlicht auch ein Blick auf die Supersport-WM: Dort wurden zwischen 2002 und 2014 nicht weniger als neun Fahrer-WM-Titel gewonnen – gegen stärkste Konkurrenz von Yamaha über Suzuki bis zu Kawasaki, Ducati, Triumph und MV Agusta.

«Ten Kate hat MotoGP-Niveau», sagt Stefan Bradl, «auch von der ganzen Logistik her.»

Motoren müssen genau kalkuliert werden

Doch Honda ist 2017 einer Fehleinschätzung unterlegen. Kein Hersteller und kein Team der Welt kann in sechs Wochen aus einem attraktiven Serienmotorrad ein wettbewerbsfähiges Renn-Superbike bauen.

Auch Honda nicht.

Die Basis der neuen 2017-Fireblade CBR1000RR wird als recht fortschrittlich eingeschätzt und beurteilt. Insgeheim rechnet das Team zum Beispiel mit 15 bis 20 zusätzlichen PS gegenüber dem 2016-Modell. Aber diese Power wird von den vorsichtigen Japanern nur Schritt für Schritt freigegeben.

Ein erstes Motor-Upgrade war für die WM-Läufe in Aragón (1./2. April) vorgesehen, wurde aber auf Event Nummer 5 in Imola (13./14. Mai) verschoben. Erstens muss diese Version zuerst in Portimao getestet werden, zweitens müssen dann mindestens vier Exemplare hergestellt werden, drittens muss jedes Team mit sieben Motoren pro Saison und Fahrer haushalten. Und die Mehrleistung darf nicht auf Kosten der Fahrbarkeit gehen.

Also konnte das Honda-Team die je zwei Motoren von Australien und Thailand nicht nach zwei Events in die Ecke räumen.

Wie lang hat Ducati mit der Panigale bis zum ersten SBK-Laufsieg gebraucht? Drei Jahre.

Yamaha hat das neue R1-Superbike ein Jahr in der Britischen Meisterschaft (BSB), der IDM und Endurance-WM fahren lassen und ist jetzt das zweite Jahr in der WM. Trotzdem fehlt 2017 noch ein Podestplatz.

Honda enters, Honda wins.

Dieser überhebliche Slogan hat längst ausgedient, auch in der Formel 1. Und bei der Rallye Dakar.

Ist ja gut so, so ist für Abwechslung gesorgt.

Ich gehe davon aus, dass Honda mit der neuen Fireblade zumindest in der zweiten Saisonhälfte 2017 einen guten Eindruck hinterlassen wird.

Die bisher bescheidenen Ergebnisse haben nichts mit der Teamkonstellation zu tun. Auch den Fahrern kann man nichts vorwerfen.

Aber Honda musste die neue CBR1000RR für 2017 homologieren, das neue Reglement hat die 2016-Maschine unbrauchbar gemacht.

Außerdem kann ein Hersteller nicht ein neues Modell feilbieten und in der WM mit der Vorgänger-Maschine rumfahren. Das wäre ein marketingtechnisches Harakiri.

Kein «Werksteam» ohne Partner

Werfen wir mal einen Blick auf die Teamzusammensetzungen in der Superbike-Weltmeisterschaft.

Nicht einmal Ducati mit den Fahrern Chaz Davies und Marco Melandri bringt ein reinrassiges Werksteam an den Start, sie nützen die Infrastruktur der Firma Feel Racing von Daniele Casolari.

Kawasaki gibt zwar eine Bewerbung unter der Bezeichnung Kawasaki Racing Team ab, aber die Infrastruktur wird seit 2011 vom spanischen Provec-Team gestellt.

Seither geht’s bergauf. 2012 verpasste Tom Sykes den Titelgewinn gegen Max Biaggi auf Aprilia nur um einen Punkt, 2013 gewann er ihn, 2014 verlor Kawa-Pilot Sykes den Fight gegen Sylvain Guintoli (auf Aprilia) um sechs Punkte. 2015 und 2016 triumphierte Johnny Rea auf der Kawasaki, 2017 führt er mit haushoher Überlegenheit.

Aber wenn man es genau nimmt, ist das kein reinrassiges Werksteam, auch wenn die Grünen alles bezahlen. Immerhin: Die Fahrer sowie einige Teamangestellte stehen bei Ducati und Kawasaki beim Werk unter Vertrag.

So sieht es auch beim Pata Yamaha Official World SBK Team aus, das Alex Lowes und Michael van der Mark einsetzt.

Was HRC für Honda ist, ist Yamaha Factory Racing seit 1999 bei Yamaha – die eigenständige Firma für Werks-Motorradsport.

Das Yamaha-Superbike-Team hat zwar in Gerno di Lesmo (Italien) die gleiche Teambasis wie die Movistar-Yamaha-Truppe von Lin Jarvis, aber sie hat als Firma mit dem SBK-Team genau so wenig zu tun wie HRC mit dem Red Bull Honda SBK-Team.

Mit einer ähnlichen Team-Konstellation gewann Yamaha 2009 mit Ben Spies die Superbike-WM. Suzuki hat mit Partner Alstare (und Teamchef Francis Batta) als «Werksteam» jahrelang SBK-Erfolge erzielt.

Heute wäre ja MV Agusta Reparto Corse am ehesten noch als SBK-Werksteam zu bezeichnen, auch wenn es von einem Privatmann und Investor namens Andrea Quadranti betrieben wird, der mit dem Werk direkt nichts zu tun hat.

Kinderkrankheiten dauern nicht ewig

Klar, Honda wird bei den nächsten Rennen Kawasaki und Ducati nicht das Wasser reichen können. Aber die siebtbeste Zeit von Stefan Bradl beim Aragón-Montag-Test (mit den alten Motoren) lässt hoffen, dass Honda bald an Yamaha heranrücken und die schnellen Aprilia RSV4 RF von Laverty, Savadori und Mercado erfolgreich bekämpfen kann. Auch die Althea-BMW von Torres sollte auf Dauer kein Gegner sein.

Als Honda letztes Jahr mit der acht Jahre alten Fireblade die WM-Ränge 4 und 5 belegte und immer wieder mal Podestplätze holte, dazu den Regensieg in Sepang, regte sich niemand über das Joint Venture von Honda Motor Europe mit Ten Kate Racing auf.

Jetzt existiert ein völlig neues CBR1000RR-Modell, das Kinderkrankheiten hat. Sie werden nicht ewig andauern.

Immerhin: Die Fahrer haben keine Verträge mit Ten Kate Racing, sondern mit Honda Motor Europe. HME hat auch den Vertrag mit Red Bull ausgehandelt und den Deal mit Cosworth für die Motorenentwicklung unterschrieben. So etwas geschieht nicht ohne Abstimmung mit Japan, mit Honda Motor oder HRC.

Aprilia Racing macht einen verkappten SBK-Werkseinsatz mit dem Milwaukee-Team, die Fahrer sind direkt beim Werk unter Vertrag.

Das Motorrad sollte eigentlich ausgereift sein. Trotzdem ist Eugene Laverty (13 SBK-WM-Laufsiege) nur WM-Zehnter, drei Punkte vor Hayden. Im Motorsport ist nicht immer alles plausibel.

Auch private Teams gewinnen WM-Titel

Kawasaki hat von 1993 (Team Rob Muzzy, Fahrer Scott Russell) bis 2013 keinen Superbike-WM-Titel gewonnen. Davon redet heute auch keiner mehr. Sie verzichten auf die MotoGP und setzen voll auf die Superbikes. Besonders mutig ist das nicht, aber der Mutterkonzern Kawasaki Heavy Industries (KHI) hat das so entschieden.

Abe das Gerede über die Vorzüge eines Werksteams gegenüber einem werksunterstütztes Team und so weiter erübrigt sich. Kawasaki hat sich auch zu Harald Eckls SBK-Zeiten bis 2003 an der Superbike-WM betelit. Aber damals waren wohl die Fahrer und das Bike nicht gut genug.

Das sieht jetzt anders aus.

Anderseits: BMW betrieb ein teures SBK-Werksteam, hat aber den Titel trotzdem nie gewonnen.

Ducati hat den letzten Superbike-WM-Titel mit Carlos Checa 2011 mit dem privaten Althea-Team gewonnen – gegen das BMW-Werk und so weiter.

Damit will ich sagen: Wenn das Motorrad konkurrenzfähig ist, kann auch ein werksunterstütztes Team um Erfolge und Titel kämpfen.

Die Frage ist freilich: Wie nachhaltig ist die Werksunterstützung? Was versteht man genau darunter? Und wo ist die Grenze von einem werksunterstützten Team zu einem Werksteam?

Danach fragt keiner mehr, wenn sich der Erfolg einstellt.

Das Honda-Werksteam ist in MotoGP jahrelang vom Gresini-Kundenteam besiegt worden – mit Fahrern wie Gibernau und Melandri.

Und in der Formel 1 hat Red Bull Racing jahrelang als Kundenteam das Renault-Werksteam beschämt. Oder nicht?

Bei Honda existiert in Japan neben der Honda Racing Corporation auch die Honda Motorsport Division. Sie ist zum Beispiel für die Abwicklung des Suzuka Eight Hours-Einsatzes mit der Fireblade überwiegend verantwortlich. Der Endurance-WM-Lauf in Suzuka gilt trotzdem als Honda-Werkseinsatz, 2015 wurde dort sogar Casey Stoner aufgeboten.

Man darf das nicht so eng sehen.

Dieter Braun, als Privatfahrer grandioser Weltmeister 1970 (125 ccm) und 1973 (250 ccm) auf Suzuki und Yamaha, pflegte zu sagen: «Ich habe eine Werksmaschine. Sie ist im Werk gebaut worden.»

Alle Superbike-Weltmeister:

1988 Fred Merkel (USA), Honda RC30
1989 Fred Merkel (USA), Honda RC30
1990 Raymond Roche (F), Ducati 851
1991 Doug Polen (USA), Ducati 888
1992 Doug Polen (USA), Ducati 888
1993 Scott Russell (USA), Kawasaki ZX-7R
1994 Carl Fogarty (GB), Ducati 916
1995 Carl Fogarty (GB), Ducati 916
1996 Troy Corser (AUS), Ducati 916
1997 John Kocinski (USA), Honda RC45
1998 Carl Fogarty (GB), Ducati 916
1999 Carl Fogarty (GB), Ducati 996
2000 Colin Edwards (USA), Honda VTR1000
2001 Troy Bayliss (AUS), Ducati 996
2002 Colin Edwards (USA), Honda VTR1000
2003 Neil Hodgson (GB), Ducati 999
2004 James Toseland (GB), Ducati 999
2005 Troy Corser (AUS), Suzuki GSX-R1000
2006 Troy Bayliss (AUS), Ducati 999
2007 James Toseland (GB), Honda CBR1000RR
2008 Troy Bayliss (AUS), Ducati 1098
2009 Ben Spies (USA), Yamaha YZF-R1
2010 Max Biaggi (I), Aprilia RSV4 1000
2011 Carlos Checa (E), Ducati 1098
2012 Max Biaggi (I), Aprilia RSV4 1000
2013 Tom Sykes (GB), Kawasaki ZX-10R
2014 Sylvain Guintoli (F), Aprilia RSV4 1000
2015 Jonathan Rea (GB), Kawasaki ZX-10R
2016 Jonathan Rea (GB), Kawasaki ZX-10R

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