Valentino Rossi sucht das Glück

470 km/h: Max Biaggi (50) fühlte sich wie eine Rakete

Von Kay Hettich
Für die Rekordfahrt von Max Biaggi mit der elektrischen Voxan gab es keinen passenderen Ort als die Startbahn des John F. Kennedy Space Centers. Der zweifache Superbike-Weltmeister über seine Empfindungen bei 470 km/h.

Im November 2020 sorgte Max Biaggi mit der elektrischen Voxan Wattman auf dem Flugplatz von Châteauroux in Frankreich für insgesamt elf Weltrekorde in der Kategorie über 300 kg. Dabei erreichte der Italiener angetrieben von einem 270-kW-Motor einen Topspeed von 408 km/h.

Gemäß den Richtlinien der FIM wird dieser Rekord auf einer Distanz von einer Meile aufgestellt, wobei die Strecke innerhalb von zwei Stunden in beide Richtungen gefahren wird. Als Rekord wird der Durchschnitt beider Höchstgeschwindigkeiten aufgenommen.

Am 30. November war die Startbahn des John F. Kennedy Space Centers in Florida Schauplatz einer erneuten Rekordfahrt. In verschiedenen Kategorien wurden 21 Weltrekorde aufgestellt, darunter auch die prestigeträchtige Topspeed-Wertung für halbverkleidete elektrische Motorräder, die weniger als 300 Kilogramm wiegen.

Mit 455,737 Kilometern pro Stunde war noch nie ein Mensch mit einem elektrischen Motorrad so schnell wie der zweifache Superbike-Weltmeister. In der Spitze erreichte Biaggi sogar 470 km/h!

«Wir haben uns in acht Tagen zusammen mit der ganzen Voxan-Crew darauf vorbereitet, unsere Rekorde vom letzten Jahr zu steigern. Das Wetter hat uns nicht immer geholfen, aber letztendlich haben wir es geschafft, 21 Rekorde aufzustellen», berichtete der 50-Jährige. «Es war ein verrücktes Abenteuer, das ich anders erlebt habe, als das erste Mal. Ich wusste dieses Mal, was mich erwartet und ich konzentrierte mich auf Details, deren Wichtigkeit mir zuvor nicht bewusst war.»

«Was für ein Adrenalinkick, Leute! Es haut dich um», erzählte der Römer weiter. «In den Augenblicken, bevor die Ampel auf grün schaltet, gehen einem tausend Gedanken durch den Kopf. Das graue Asphaltband sieht unendlich aus. Du checkst alle Abläufe und versuchst nicht daran zu denken, dass du gleich mit halber Schallgeschwindigkeit über die Piste fliegst. Dann geht es los und nach endlos wirkenden Augenblicken liest du auf dem Display 470 km/h! Das ist verrückt...»

Die Kräfte, die bei dieser Geschwindigkeit auf den Körper wirken, schilderte Biaggi in eindrucksvoller Weise.

«Bei diesem Speed flattert die Lederkombi an Armen und Rücken. Bei meiner Detailversessenheit sitzen meine Anzüge an jeder Stelle sehr gut, aber bei dieser Geschwindigkeit ist alles relativ. Dieses kleine Flattern erzeugt mit seiner hohen Frequenz eine solche Wärme, bis man sich daran verbrennt», erklärte die Superbike-Legende. «Es fühlt sich an, als wäre man mit einer Vespa im T-Shirt mit 100 km/h unterwegs. Es ist der Wahnsinn, ich hatte noch nie so viel Adrenalin im Körper!»

«Und wenn man das Ziel erreicht hat, ist die Aufgabe nicht beendet – man muss quasi wieder auf die Erde zurückkommen. Bei dieser hohen Geschwindigkeit ist es nicht einfach und man muss auf den Hinterreifen aufpassen. Die Temperatur, die man in der MotoGP im Reifen haben will, ist dein größter Feind. In diesem Moment hörst du Geräusche und nimmst Gerüche wahr, die deine Instinkte wecken. Und man muss an einer genauen Stelle bremsen, damit man nicht über die Strecke hinausschießt. Wir haben deshalb einen Kegel neben die Strecke als Markierung für den Bremspunkt gestellt. Aber es ist kaum zu glauben, wir mussten diesen Kegel immer näher heranholen und größer machen, weil ich ihn nicht erkennen konnte. Das Gehirn ist solch hohe Geschwindigkeiten nicht gewohnt und wegen der Turbulenzen verwischen die Konturen. Die Sicht ist sowieso eingeschränkt, weil man sich auf den ‹Tank› presst.»

Die Erfahrung bei den Rekordfahrten lässt sich mit nichts vergleichen, was Biaggi als aktiver Rennfahrer erlebt hat.

«Alles ist extrem anders. Man muss alles auf null stellen und eine neue Datei schreiben, es geht nicht anders», betonte der Italiener. «Am Ende bleiben große Emotionen und das Bewusstsein, dass wir mit allen Jungs von Voxan Motors gute Arbeit geleistet haben, da wir 21 Weltrekorde erreicht haben. Wir haben nämlich nicht nur 470 km/h erreicht, sondern auch die höchste Geschwindigkeit, die je ein Naked-Motorrad erreicht hat. Das ist ein absoluter Rekord, nicht nur für Elektromotorräder.»

Die Rekorde von Voxan und Max Biaggi:

Klasse unter 300 kg:
– 1 Meile, fliegender Start, teilweise verkleidet: 454 km/h (282 mph)
– 1 Meile, fliegender Start, nicht verkleidet: 368 km/h (228 mph)
– ¼ Meile, fliegender Start, teilweise verkleidet: 293 km/ h (182 mph)
– ¼ Meile, fliegender Start, nicht verkleidet: 285 km/h (177 mph)
– 1 Meile, stehender Start, teilweise verkleidet: 273 km/h (169 mph)
– 1 Meile, stehender Start, nicht verkleidet: 260 km/h (161 mph)
– 1 km, stehend, teilweise verkleidet: 223 km/h (138 mph)
– 1 km, stehend, nicht verkleidet: 219 km/h (136 mph)
– ¼ Meile, stehender Start, nicht verkleidet : 156 km/h (96 mph)
– ¼ Meile, stehender Start, teilweise verkleidet : 149 km/h (92 mph)

Klasse über 300 kg:
– 1 km, fliegender Start, teilweise verkleidet: 408 km/h (253 mph)
– 1 Meile, fliegender Start, teilweise verkleidet: 404 km/h (251 mph)
– 1 Meile, fliegender Start, nicht verkleidet: 367 km/ h (228 mph)
– 1 km, fliegender Start, nicht verkleidet: 364 km/h (226 mph)
– 1 Meile, stehender Start, teilweise verkleidet: 255 km/h (158 mph)
– 1 km, stehender Start, teilweise verkleidet: 216 km/h (134 mph)
– 1 Meile, stehender Start, nicht verkleidet: 216 km/h (134 mph)
– ¼ Meile, stehender Start, nicht verkleidet: 153 km/h (95 mph)
– ¼ Meile, stehender Start, teilweise verkleidet: 142 km/h (88 mph)

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