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Big-Bang oder Screamer? Motor-Experten streiten sich

Die BMW M1000RR produziert zu wenig Grip

Die BMW M1000RR produziert zu wenig Grip

BMW-Werksfahrer Scott Redding stellt sich die Frage, ob das Gripproblem der M1000RR mit dem Reihenvierzylinder-Screamer-Motor zusammenhängt. Die Experten sind sich uneinig.

Nicht erst seit BMW 2019 werksseitig in die Superbike-WM zurückkehrte, hören wir die Klagen der Fahrer, das Motorrad habe zu wenig Grip. Ein Problem, das sich nicht einfach lösen lässt.

«Weil da so viele Faktoren reinspielen», erklärte Werksfahrer Scott Redding SPEEDWEEK.com. «Mit der BMW haben wir keinen Seitengrip und können keinen Grip in der Beschleunigung generieren. Wir rätseln immer noch, ob es an der Schwinge, dem Stoßdämpfer, der Umlenkung oder an sonst etwas liegt. Viele Dinge könnten die Ursache sein, das macht es so schwierig. Letztes Jahr haben wir die Schwinge gewechselt und ein paar Sachen am Motor und Chassis verändert. Den Punkt haben wir aber nie genau getroffen. Was machst du dann? Änderst du den Motor komplett? Baust du die Umlenkung komplett um? Fest steht für mich nur, dass ein Reihenvierzylinder-Screamer-Motor immer hoch dreht und nie genug Grip produziert. Deshalb kamen sie in MotoGP davon ab und haben sich für V4-Motoren entschieden. Ein Reihenvierzylinder mit Big-Bang-Zündfolge würde auch helfen. Wir versuchen das Gleiche mit dem Screamer zu erreichen, was sehr schwer ist.»

Big Bang oder Screamer: Was bedeutet das?

«Alle Einzylindermotoren sind im Prinzip Big-Bang-Motoren», erläuterte der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen. «Je größer der Hubraum, desto mehr Big-Bang. Das heißt: Eine Verbrennung pro Kurbelwellen-Umdrehung beim Zweitakter, beziehungsweise pro zwei Umdrehungen beim Viertakter. Wenn bei Mehrzylinder-Motoren die Zündfolge so geändert wird, dass sie einem Einzylinder ähnlich wird, sprechen wir von einem Big-Bang-Triebwerk.»

Dieses Konzept hat Aprilia in der 250er-WM bereits 1989 verwirklicht. Beim Zweizylindermotor wurden zwei 125-ccm-Einzylinder so miteinander gekoppelt, dass die Zündung gleichzeitig stattfand.

Außerdem gibt es bei diesem Konzept gemäß Witteveen weitere Vorteile: Die zwei Kurbelwellen drehen entgegengesetzt, somit gibt es keine Vibrationen und auch der gyroskopische Effekt ist null. «Bei Aprilia haben wir viele Varianten diesbezüglich getestet, aber die beste Lösung war immer die oben beschriebene Version. Obwohl auf dem Prüfstand nicht mehr Drehmoment vorhanden ist, beschleunigt der Motor besser. Yamaha und Honda haben das System bei den Zweitakt-Maschinen auch verwendet», schilderte Witteveen.

Big-Bang: Sorgt er für besseres Fahrverhalten?

«Die Vorteile des Big-Bangs liegen im dynamischen Bereich, also im besseren Fahrverhalten, in der direkteren Verbindung vom Gasgriff zum Hinterrad. So lässt sich die Power vom Fahrer besser kontrollieren», weiß Witteveen. «Durch die höheren Drehmomentspitzen, ähnlich wie beim Einzylinder-Prinzip, wird eine bessere Beschleunigung erreicht. Der Hinterreifen erhitzt sich durch die Big-Bang-Zündfolge weniger: So erhöht sich seine Lebensdauer, oder es kann eine etwas weichere Mischung gewählt werden.»

«Bei den Vierzylindermotoren gibt es bei einer Bing-Bang-Zündfolge Probleme bei der Auswuchtung und somit mehr Vibrationen», zählte der Niederländer die Schwachstellen auf. «Die Kurbelwelle muss anders konstruiert werden, dazu brauchst du mindestens eine Ausgleichswelle. Das bringt mehr Masse und innere Reibung. Wegen der höheren Drehmomentspitzen müssen der Primärantrieb und vielleicht auch das Getriebe verstärkt werden.»

Tatsächlich schwenken die Werke seit 25 Jahren pausenlos vom Screamer auf Big-Bang – und wieder zurück. Der Schweizer swissauto-500-Konstrukteur Urs Wenger erinnert sich: «Nach der ersten Big-Bang-Mode haben die Japaner alle wieder auf den früheren Standardmotor umgestellt. Er wurde Screamer getauft – und war plötzlich wieder hip.»

Er zweifelt deshalb bis heute am Nutzen der Big-Bang-Technik: «Die Idealvorstellung eines Big-Bang wäre, wenn die ungleichmäßigen Zündpulse der Kurbelwelle in unverfälschter Form ans Hinterrad weitergeleitet würden. Dann würde in der idealen Welt das Hinterrad ungleichmäßig beschleunigt und verzögert. Bei einem Zündpuls würde der Reifen kurz durchgerissen, um danach in der langen Pause bis zum nächsten großen Zündpuls – eben Big-Bang – wieder Grip zu fassen. Dieses Zündkonzept soll ein kontrolliertes Sliden des Hinterrads bewirken.»

Nun dreht sich aber das Hinterrad durch die enorme Untersetzung zwischen Kurbelwelle und Hinterrad (Primärtrieb, Getriebe, Ritzel, Kette) etwa fünfmal langsamer als die Kurbelwelle.

Das heißt: Der Effekt wird um den Faktor 5 reduziert. Am Schluss kommt noch der wulstige Reifen ins Spiel, der als Dämpfer wirkt. Wenger: «Mit all der Untersetzung sowie mit all den Gummidämpfern dazwischen bleibt vom Big-Bang-Effekt kaum etwas übrig. Wir haben das erprobt. Wir sind in der 500er-WM nur mit dem Screamer-Konzept gefahren. Mick Doohan hat 1997 bei Honda als erster Fahrer wieder vom Big-Bang auf Screamer umgestellt und alles gewonnen. Danach haben alle anderen japanischen Hersteller wieder auf Screamer gewechselt.»

«Der Big-Bang vermittelt durch die unregelmäßige Zündfolge dem Fahrer das Gefühl, der Motor drehe wesentlich niedriger», erklärte Wenger. «Dadurch haben in dieser Ära Cadalora und Co. gemeldet, der Big-Bang gehe unten raus viel besser, drehe aber oben nicht. In Wahrheit lief er auf den Newtonmeter und das PS gleich wie der Screamer. Er hat nur anders geklungen und mehr vibriert. Ob immer noch der Fahrer und das Chassis wichtiger sind?»

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