Michelin bestätigt Interesse an Superbike-WM-Einstieg

Michelin-Rennchef Piero Taramasso
Pirelli als fest etablierter Exklusivpartner der Superbike-Weltmeisterschaft inklusive sämtlicher Rahmenserien – Supersport-, Supersport-300 sowie Frauen-WM – sorgte für großes Aufsehen mit der Bestätigung des Einstiegs in die Königsdisziplin des Motorrad-Straßenrennsports.
Anfang März verlautbarte der Konzern aus Italien in einem gemeinsamen Statement mit MotoGP-Rechteinhaber Dorna Sports einen Fünf-Jahres-Vertrag ab der Saison 2027. Damit ist offiziell: Das MotoGP-Jahr 2027 wird einen technologischen Rundumschlag bringen. Neben neuen Vierzylinder-Prototypen mit nur noch maximal 850 ccm Hubraum steuert Pirelli erstmals reine Prototypen-Rennreifen bei.
Was auch bedeutet: Die Ära Michelin wird Ende 2026 nach zehn Jahren zu Ende gehen. Die Franzosen hatten zur Saison 2016 die Nachfolge des japanischen Bridgestone-Konzerns angetreten, sich aber ausschließlich auf die technische Betreuung der Königsklasse konzentriert.
Erst im zweiten Schritt erweiterte Michelin das Engagement. Ab 2019 fiel auch der neue Bereich MotoE unter die Verantwortung der Franzosen. Als Versuchsfeld der Nachhaltigkeit werden dort Jahr für Jahr Experimentalreifen im Hinblick auch auf wiederverwertbare Bausteine von Rennreifen gefahren. Mit dem Abschied aus der Königsklasse stirbt auch die MotoE als Betätigungsfeld. Pirelli übernimmt ab 2027 die Gesamtverantwortung im Fahrerlager der MotoGP.
Für Michelin hat damit eine Phase der Neuausrichtung begonnen. Statt eines Rückzugs aus den WM-Formaten arbeitet die Sportabteilung des Weltkonzerns aus Clermont-Ferrand. Rennsportchef Piero Taramasso sagte während des Silverstone-GP im Gespräch mit SPEEDWEEK.com: «Auf jeden Fall hat Michelin weiterhin großes Interesse an einem Engagement auf höchstem Rennsport-Level – auch auf Asphalt. Grundsätzlich gilt: Wir wollen den Rennsport auf der Straße auf höchstem Niveau. Ganz gleich, um welche Entwicklungsrichtung es sich handelt. In der MotoGP geht es um Spitzen-Prototypen-Technologien, in der MotoE arbeiten wir an der Zukunft in Sachen Nachhaltigkeit. Welche Disziplin wir auch betreiben, es geht um Vorentwicklung und eine Verbindung zu späteren Serienprodukten.»
Angesprochen auf die konkrete Idee, mit Michelin ins Fahrerlager der Superbike-WM zu wechseln, bat Taramasso um Verständnis: «Es ist interessant und es gibt auch Gespräche in diese Richtung, ich kann aber aktuell nicht mehr verraten. Doch bereits in den nächsten Wochen können wir dazu offizielle Informationen verteilen.»
Beschränken sich die Verhandlungen von Michelin mit Dorna Sports, die ebenfalls die Vermarktung der Superbike-WM verantworten, lediglich auf die Superbike-Kategorie oder auf einen Rundum-Einstieg mit den weiteren Klassen der seriennahen WM? Taramasso: «Noch ist es zu früh für eine Antwort.»
Eine Verschiebung des Engagements in Richtung seriennahe Weltmeisterschaft ist naheliegend. Nicht umsonst investiert Pirelli seit 2004 massiv in die SBK-WM, um sich sowohl technisch als auch kommerziell eine Ausnahmestellung bei Superbike- und Supersport-Reifen zu erarbeiten.
Interessant: Auch Michelin war in den vergangenen Jahren nicht tatenlos in Sachen Superbike-Reifen. Zwar gibt es keine offiziellen Sportprogramme oder Entwicklungsteams in internationalen Meisterschaften, doch sowohl in der markenoffenen Langstrecken-WM (EWC) als auch für Road-Racing-Formate wie die Tourist-Trophy sind Michelin-Slicks verfügbar und werden auch eingesetzt.
Sollte es zu einer Vereinbarung und einem Wechselverhalten der Rennsport-Engagements von Pirelli und Michelin kommen, würden die Franzosen in der Entwicklung nicht bei null anfangen. Sicher ist, beide Gummi-Giganten besitzen die Ressourcen und Fähigkeit, für beide WM-Plattformen zu entwickeln.
Dorna und Pirelli reagierten ungewöhnlich wortkarg mit «kein Kommentar» auf die Anfrage von SPEEDWEEK.com, ob Michelin ab 2027 übernehmen könnte. Das legt die Vermutung nahe, dass stimmt, was die Spatzen bereits von den Dächern pfeifen: Pirelli und Michelin tauschen die Plätze.