Formel 1: So heißen die neuen Autos

Mirko Bortolotti: «Durch F1-Tests viel profitiert»

Von Gerhard Kuntschik
Mirko Bortolotti im Rahmen der 12h von Bathurst

Mirko Bortolotti im Rahmen der 12h von Bathurst

Er ist einer der Superstars im internationalen GT-Zirkus. Mirko Bortolotti wechselte über den Winter von Lamborghini zu Audi und beeindruckte sofort. Letzte Woche holte er Platz zwei bei den 24h auf dem Nürburgring.

So nah wie er kam seit Jo Gartner kein Wiener Rennfahrer der Formel 1. Denn Mirko Bortolotti, italienischer Staatsbürger und Lizenzinhaber, in Wien aufgewachsen und ebendort immer schon ansässig, saß bereits bei Testfahrten in drei Formel-1-Boliden: im Ferrari, Toro Rosso und Williams. Doch der Sprung, zu dem er vor elf Jahren erstmals ansetzte, klappte nicht, da kam auch die Wirtschaftskrise dazwischen. Heute sagt er rückblickend: «Klar, mein Ziel war immer die Formel 1. Aber es gibt eben außer Talent auch andere Kriterien. Und ich gehörte nicht zu denjenigen, die sich ein Cockpit kaufen konnten.»

Mittlerweile ist der «echte Wiener« und Sprössling der bekannten Eissalon-Familie eine internationale Größe im GT-Rennsport – und wie andere heimische Talente ist der Audi-Werkfahrer im Ausland bekannter (und anerkannter) als zuhause.

Bortolotti (30) hatte im Kart Erfolge, wurde 2008 italienischer Formel-3-Meister – die Belohnung dafür war ein F1-Test in Fiorano im Heiligtum von Ferrari. Bei dem er damals mit einem Rundenrekord derart überzeugte, dass ihn Helmut Marko in das Red-Bull-Programm abwarb. 2009 fuhr er Formel 2, gewann sein drittes Rennen in dieser Serie und wurde Gesamtvierter, bekam einen Test im Toro Rosso. Doch um Marko zu überzeugen, reichte das nicht. 2011 wurde er Formel-2-Meister, gewann sieben Mal und landete in 14 von 16 Rennen auf dem Podest, der Vorsprung am Saisonende auf den ersten Verfolger Christopher Zanella betrug rekordverdächtige 123 Punkte. Er bekam den dritten F1-Test in einem Williams in Abu Dhabi – doch die Stammcockpits für 2012 gingen an Pastor Maldonado und Bruno Senna, Testfahrer wurde ein gewisser Valtteri Bottas.

«Für ganz oben müssen viele Faktoren mitspielen, was sie bei mir in dieser Zeit nicht taten, und damit meine ich nicht meine Performance», sagt Bortolotti, «ich konnte mit meinen Erfolgen in den Singleseatern und auch in den Tests viel beweisen. Mir war es mit meinem Background, meiner Herkunft immer wichtig, Profi zu werden, der sein eigenes Geld verdient. Es war nicht mein Ziel, betteln zu gehen, um mir ein Cockpit zu kaufen. Ich weine der Formel 1 nicht nach, kann aber sagen: Die Erfahrungen aus den Tests haben mich in meiner Karriere sehr viel weitergebracht.»

Seine Karriere kam im GT-Sport wieder in Schwung. Sechs Jahre war der Wiener Werkfahrer bei Lamborghini, wurde in Sant’ Agata die Nummer eins – und bescherte den Italienern den ersten Sieg in einem 24-Stunden-Rennen überhaupt mit dem Klassenerfolg (GTD) in Daytona 2018, dem der zweite ein Jahr später wieder in Daytona sowie ein Sieg in den 12 Stunden von Sebring (2019), alle im Huracan des steirischen Teams von Gottfried Grasser, folgten. Auch heuer stand Bortolotti im ersten Einsatz mit dem Audi R8 LMS in Daytona als Dritter auf dem Podium.

Ende des Vorjahres «zeigte Audi Interesse», so kam der Wechsel (Volkswagen-Konzern-intern) nach Ingolstadt bzw. Neuburg zustande.

Dass er mit seinen Teamkollegen Christopher Haase (der Oberfranke lebt schon länger in der Nähe von Salzburg) und Markus Winkelhock zuletzt das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring nach Wetterkapriolen um 15 Sekunden gegen ein Team von Rowe-BMW verlor, löst zwiespältige Gefühle aus: «Wir führten lang, daher ist es bitter, nicht ganz oben zu stehen, aber kleine Details machten den Unterschied. Eine Runde zu spät Reifen zu wechseln kann eben entscheiden. Du kannst aber niemanden einen Vorwurf machen. Aber unsere Leistung, sowohl der Fahrer als auch des ganzen Teams, war sehr stark. Es war mein erstes 24-Stunden-Rennen in der Eifel, deshalb bin ich auch stolz, weil dieser Marathon für deutsche Hersteller etwas ganz Besonderes ist», ergänzt der Audi-Pilot. Und meint auch: «Auch dieser zweite Platz mit so geringem Rückstand war ein Riesenerfolg.»

Die weitere Saison sieht mit den 24 Stunden von Spa-Francorchamps Ende Oktober noch einen Marathon vor, zuvor fährt er an diesem Wochenende die Intercontinental GT Challenge in Indianapolis, in der GT World Challenge Europe verteidigt Bortolotti nach einem Sieg in Imola und Platz vier auf dem Nürburgring seine Gesamtführung im Endurance-Cup, und Einsätze im GT Masters stehen auch noch auf dem Kalender.
Der Audi-Vertrag läuft heuer aus, «aber es gibt eine Option zu verlängern». Bortolotti sieht sich weiter im GT-Sport, «doch durch meine Erfahrungen in vielen anderen Kategorien fühle ich mich auch bereit, etwas anderes zu machen.» Und die Elektroserie Formel E, in der Audi werkseitig engagiert ist? «Wir werden sehen, was passiert. Wir haben aktuell nicht über die Formel E gesprochen. Und ich will nur über Dinge reden, die in greifbarer Nähe sind. Unabhängig davon finde ich die FE sehr interessant, sie ist ganz stark besetzt. Wenn sich das Thema ergibt, würde ich es überlegen.»

Den Lockdown im Frühjahr nützte Bortolotti zum Training in Wien, physisch und virtuell (am eigenen Simulator, auch mit Sim-Racing). «Bei so vielen Reisen, die ich in den vergangenen Jahren hatte, war das einmal etwas Angenehmes. Nach Neujahr flog ich ja gleich zum Vortest nach Daytona, von dort zu den 24 Stunden nach Dubai, wieder zurück nach Florida zum Rennen, von Daytona nach Sidney zum Bathurst-Klassiker. Keiner wünscht sich so einen Lockdown, aber er half mir, etwas abzuschalten.»
Mittlerweile ist der Wiener Italiener längst wieder im Rennzirkus unterwegs. Und wieder erfolgreich.

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