Morddrohungen wegen Alonso-Strafe

Vor 50 Jahren: Arturo Merzario sorgt für Aufruhr

Kolumne von Rainer Braun
​Ein 1000 km-Rennen mit viel Zündstoff: Das Prestigeduell zwischen Arturo Merzario und Jacky Ickx, verweigerte Boxenbefehle und ein tobender Ferrari-Rennleiter.

Beim Sportwagen-WM-Lauf am 27. Mai 1973 erlebten die Zuschauer im Start-Ziel-Bereich des Nürburgrings gegenüber den Boxen einen bühnenreifen Auftritt von Arturo Merzario. Der damals 30 Jahre alte Italiener teilte sich mit dem Brasilianer Carlos Pace einen der beiden Werks-Ferrari 312 PB. Das Schwesterauto pilotierten Jacky Ickx und Brian Redman.

Zunächst lief das 44 Runden-Rennen nach Plan. Die WM-Leader Ickx und Redman waren von Ferrari-Rennleiter Giacomo Caliri auf Sieg gesetzt, Merzario/Pace sollten dem Star-Team den Rücken freihalten. Das funktionierte auch zunächst ganz gut, bis Merzario nach dem vorletzten Fahrerwechsel glaubte, er könne Ickx mal eben die Show stehlen.

Die Box hatte dem souverän führenden Ferrari-Duo die Tafel «Langsam fahren und Ankommen» rausgehalten. Ickx hielt sich an die Anweisung und nahm Speed raus, Merzario dagegen machte Dampf und verringerte mit jeder Runde den Rückstand von rund einer Minute um etwa 20 bis 25 Sekunden.

Vergebens versuchte Carliri, den renitenten Italiener an die Box zum Fahrerwechsel zu beordern. Der kleinwüchsige Arturo, ohnehin kaum im Cockpit sichtbar, drehte bei jeder neuen Boxenvorbeifahrt den Kopf nach links zur Zuschauerseite. Das Publikum hatte ebenso wie der Streckensprecher die brisante Lage erkannt und johlte bei jeder neuen Merzario-Passage. Ganz offensichtlich machte dem Rennvolk das seltene Schauspiel ordentlich Spaß.

Richtig ungemütlich wurde es an der Ferrari-Box, als Befehlsverweigerer Merzario sich auch noch frech an Ickx vorbeischob und in Führung ging. Caliri bekam einen Tobsuchtsanfall, Ickx-Partner Brian Redman schüttelte nur noch den Kopf. Der seit Runden wechselbereite Merzario-Co Carlos Pace hingegen verkniff sich sicherheitshalber jede Reaktion.

Erst als dem Aufsässigen das Benzin auszugehen drohte, steuerte er endlich die Ferrari-Box an und wurde dort, begleitet von einer Schimpfkanonade, von Caliri eigenhändig losgeschnallt und aus dem Cockpit gezerrt. Pace übernahm für den letzten Turn und sorgte nach dem letzten Tankstopp von Ickx schnell für die Wiederherstellung der vorgesehenen Reihenfolge. Als folgsamer Ferrari-Pilot überquerte er eine Zehntelsekunde hinter dem Schwesterauto das Ziel.

Auf dem Siegerpodium würdigten sich Merzario und Ickx keines Blickes. Und den nachfragenden Presse-Kollegen erklärte er später im Fahrerlager, dass er die Boxensignale beim besten Willen nicht habe sehen können, weil er ausgerechnet da beim Überrunden langsamerer Autos im Start-Ziel-Bereich aufmerksam sein und nach links schauen musste. Die abendliche Siegerehrung im Christophorus-Saal des Sporthotels fand ohne Merzario statt – längst hatte er beleidigt den Heimweg angetreten.

Drei Jahre später wurde Arturo Merzario an gleicher Stelle zum Helden. Mutig zog er 1976 beim Formel 1-Grand Prix Niki Lauda aus dessen berennendem Ferrari und rettete den Wiener vor dem sicheren Feuertod.

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