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Erstaunlich: Wie Kenan Sofuoglu Millionen verdient

Von Ivo Schützbach
Nach seiner Motorrad-Karriere wechselte Supersport-Rekordweltmeister Kenan Sofuoglu (34) in die Politik und sitzt seither im türkischen Parlament. Glücklich ist er mit dieser Entscheidung nicht.

Wer hat in der Supersport-WM die meisten WM-Titel (5) und Rennen gewonnen (43), die meisten Podestplätze eingefahren (85), die meisten Pole-Positions erreicht (34), die meisten WM-Punkte gesammelt (2429) und die meisten schnellsten Rennrunden (31) erobert? Die Antwort ist einfach: Kenan Sofuoglu!

Nach mehreren schweren Verletzungen erklärte der 34-Jährige am 13. Mai 2018 seinen Rücktritt. Als Begründung nannte er aber nicht etwa seinen körperlichen Zustand, sondern den Umstand, dass ihn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan darum gebeten hat. Dafür musste Sofuoglu viel Kritik einstecken.

Im exklusiven Interview mit SPEEDWEEK.com erklärt er, weshalb er sich sein Leben so diktieren ließ und lässt.

Kenan, du sitzt seit den Wahlen Ende Juni 2018 als Abgeordneter im türkischen Parlament?

Richtig, wir haben 600 Sitze in der Nationalversammlung, ich bin für die Erdogan-Partei gewählt worden, wir sind die stärkste Partei. In meiner Heimatstadt gibt es sieben Sitze, vier davon hat meine Partei bekommen.

Momentan bin ich ein normaler Senator, das Ziel ist, dass ich Sportminister werde.

In meiner Heimatstadt leben eine Million Menschen, für die sind wir jetzt verantwortlich. Sie haben Probleme, die wir in Ankara vorbringen müssen.

Was qualifiziert dich zum Politiker?

Ich glaube nicht, dass ich ein guter Politiker bin, da bin ich ganz ehrlich. Ich kann dir auch sagen, dass ich diesen Job nicht mag. Am liebsten würde ich das sofort beenden, aber das würde meiner Partei großen Schaden zufügen. Sie würden einen Sitz verlieren.

Außerdem hat mich Präsident Erdogan persönlich ausgesucht. Er hat mich angerufen und mir gesagt, dass er mich auf seine Wahlliste setzen möchte und fragte mich, ob ich damit einverstanden bin. Ich sagte ihm, dass er mich dazu gedrängt habe mit dem Rennsport aufzuhören und jetzt wolle er, dass ich Senator werde. Ich entgegnete ihm, dass ich ihn mag und deshalb das Angebot annehme.

Aber das Leben als Politiker ist ein ganz anderes. Andere haben eine 30-jährige politische Karriere hinter sich, bis sie einen Sitz im Parlament bekommen. Ich komme daher und sitze im Parlament, das macht viele Leute wütend. Sie regen sich auch über meinen Lebensstil auf, kein anderer Senator fährt einen Lamborghini und ist mit Motorrädern auf der Rennstrecke unterwegs. Ich bin zu viel in den Medien und sehr berühmt.

Ich bin der einzige Senator in der Türkei, den Erdogan direkt auf die Wahlliste gesetzt hat, das machte dieses Angebot sehr speziell für mich. Wenn ich jetzt entscheide, dass ich diese Aufgabe nicht mag, dann sorgt das für sehr schlechte Schlagzeilen.

Ich mag den Job nicht, ich werde ihn aber nicht hinschmeißen. Hätte ich vorab gewusst was ich jetzt weiß, dann hätte ich mich am Telefon bei Präsident Erdogan bedankt, ihm gesagt, dass es eine große Ehre sei, dass das aber nichts für mich ist. Jetzt ist es zu spät dafür.

Du wurdest von den Menschen deiner Heimatstadt gewählt. Also denken sie, dass du etwas für sie verbessern kannst?

Viele Leute in der Türkei sind Fan von Kenan Sofuoglu. Deshalb erwarten sie von mir, dass ich der Türkei im Sport helfe – wir sind derzeit sportlich sehr schlecht. Deshalb glauben auch viele, dass ich der nächste Sportminister werde.

Ich erzähle aber jedem, dass diese Aufgabe für mich erledigt ist, wenn die vier Jahre vorbei sind. Ich will weder Politiker noch Sportpräsident sein.

Ich habe in meinem Leben eine Karriere aufgebaut, was sehr schwierig war. Ich hatte niemanden, der mir half. Alles musste ich mir selbst erarbeiten und machte schwere Zeiten durch. In meinem Privatleben habe ich viel verloren. Deshalb bin ich nicht bereit, eine zweite Karriere aufzubauen.

Ich bin jetzt 34 Jahre alt, das ist die Mitte meines Lebens. Die erste Lebenshälfte war hart, das will ich in der zweiten nicht wieder haben. Sollte ich noch 30 Jahre leben, möchte ich diese entspannt genießen. Und mich nicht ständig um die Probleme anderer Menschen kümmern müssen.

Jetzt habe ich das gleiche Gefühl wie zu Beginn meiner ersten Karriere, ich erlebe sehr schwierige Tage. Jeder will etwas von mir haben, hält mich an und will mit mir reden. Wenn ich mich entschuldige und sage, dass ich jetzt wirklich keine Zeit habe, dann muss ich mir anhören, dass sie mich gewählt haben, damit ich ihnen helfe – und jetzt höre ich ihnen nicht mehr zu. Überall werde ich angehalten, im Supermarkt bitten die Leute um Hilfe und sagen mir, dass ich ihre Probleme lösen soll. Aber das ist unmöglich.

Der Fußballclub in meiner Heimatstadt hat finanzielle Probleme, ihnen fehlt es an Budget. Also kommen sie zu mir und meinen, ich könnte das Problem lösen. Sie meinen, ich müsse mit Firmen reden und zwei Millionen Euro für sie auftreiben. Wenn ich sie dann frage, wie ich das machen soll, dann antworten sie mir, dass ich von Erdogan ausgesucht wurde, dass ich wie sein Sohn bin. Mit diesen Beziehungen kann man die Probleme aller lösen. Aber so läuft es nicht. Wenn eine Firma Sponsor werden möchte, kann nicht ich ihnen erzählen, dass sie zwei Millionen bezahlen müssen.

So etwas muss ich nicht haben. Dass ich Motorrad fahre, ist auch ein Problem. Weil ich jetzt Senator bin. Sogar mein Auto ist ein Problem. Ich habe viele Jahre hart dafür gearbeitet, um mir meine Autos und mein Haus leisten zu können. Jetzt erzählt man mir, dass ich wie jeder andere Senator ein normales Auto fahren und in einem normalen Haus leben soll. Aber warum? Ich habe diese Sachen nicht von der Regierung bekommen. Ich habe dafür gearbeitet, gewann WM-Titel und hatte viele Sponsoren. Ich habe es mir verdient.

Wie konntest du in der Supersport-WM so viel Geld verdienen?

Ich war der erste türkische Rennfahrer, das führte dazu, dass ich viele Sponsoren hatte. Mit den Rennen selbst habe ich nicht viel verdient.

Wobei ich einen sehr guten Kawasaki-Vertrag hatte. Es war ganz einfach: Werde ich Zweiter, kein Geld. Gewinne ich, bekam ich mehr Geld als jeder Superbike-Fahrer. So waren auch meine Sponsorenverträge, nur Siege und Titel zählten. Wenn ich gewann, bekam ich sehr viel Geld. Und ich habe viel gewonnen.

Ganz sicher habe ich mit jedem Sieg mehr Geld verdient als Jonathan Rea.

Alles Geld, das ich die letzten zehn Jahre verdient habe, investierte ich. Das zahlt sich heute aus, jetzt verdiene ich mehr wie als Rennfahrer.

Meine ganze Rennkarriere habe ich mir nie etwas geleistet, ich habe immer nur in Häuser investiert und ein Geschäft nach dem anderen gekauft. Heute habe ich über 50 Räumlichkeiten vermietet und leiste mir auch gewisse Dinge wie Autos und Motorräder.

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