Heiko Klepka über Ken Roczens HRC-Periode

Von Thoralf Abgarjan
Ken Roczen erlebte als HRC-Werksfahrer viele Rückschläge

Ken Roczen erlebte als HRC-Werksfahrer viele Rückschläge

Das HRC-Engagement von Ken Roczen begann im Jahre 2017 mit der Tragödie von Anaheim, die beinahe zum Karriereende geführt hätte. Vater, Mentor und Trainer Heiko Klepka erkannte die Probleme schon im Vorfeld.

Ken Roczen war zwischen 2017 und 2022 insgesamt 6 Jahre HRC-Werksfahrer. Seinen Weltmeistertitel im Supercross holte er aber mit dem Satelliten-Team Genuine Honda. Heiko Klepka ist nicht nur Ken Roczens Vater, sondern auch sein engster Berater, Trainer und Mastermind. Anfang des Jahres führte SPEEDWEEK.com ein ausführliches Interview mit ihm und Klepka gewährte tiefe Einblicke hinter die Kulissen der großen Werksteams.

«In der letzten Saison [Anm.: 2022] hatte Kenny bei HRC ein komplett anderes Motorrad als sein Teamkollege Chase Sexton», weiß Heiko Klepka. «Sexton hat das Fahrwerk bekommen, das auch Tim Gajser in der WM einsetzte. Das war aber nur für einen Fahrer da. Für Ken stand dieses Fahrwerk nicht zur Verfügung und sein eigenes Chassis hat nicht gut funktioniert. Sie haben dann eine Woche lang getestet, aber nach dieser einen Woche war er immer noch nicht zufrieden, so dass sie dann noch den Rahmen änderten. Wenn das Team besser auf Kens Bedürfnisse eingegangen wäre, hätte Honda heute vielleicht einen Titel, weil er Tomac mehr Punkte weggenommen hätte. Bei den Outdoors war es ja am Ende ziemlich knapp.»

Von Anfang an klagte Roczen bei HRC über Fahrwerksprobleme. Klepka erklärt, wie es im Team zuging: «Honda hat einen Mitarbeiter angeheuert, der von einem anderen Team entlassen wurde und der natürlich bei HRC auch nichts bewegen konnte. Gott sei Dank erkennt der Vater der Lawrence-Brüder diese Situation und er kann mit den Leistungen der Jungs ausreichend Druck ausüben. Er erklärt dem Team klipp und klar, wenn es mit bestimmten Leuten nicht geht. Sie haben ja auch genügend Angebote, nachdem sie die Titel gebracht und die Leistungen bestätigt haben.»

Hunter und Jett Lawrence werden bis heute von ihrem Vater Darren betreut, der auch in Schlüsselentscheidungen das letzte Wort hat. «Mit den beiden Lawrence-Brüdern könnte sich die Situation bei HRC jetzt vielleicht verbessern», meint Klepka. «Ich vermute, dass der Vater [Darren Lawrence] die gute Arbeit für Honda übernehmen wird. Ich habe erlebt, dass sie irgendeinen Mitarbeiter von Showa oder Kayaba zum Team geschickt haben, der so alt ist wie Kenny und vielleicht 3 Jahre Berufserfahrung hat. Dieser Mann soll dann einen so hoch qualifizierten Fahrer wie Ken Roczen bedienen, der Geschwindigkeiten fährt, die die Wenigsten einschätzen können – und das mit 3 Jahren Betriebserfahrung! Das ist krank! Nachdem wir zwei Tage lang herumgebaut haben, habe ich den Teamchef gefragt, ob hier wirklich jeder das Interesse hat, zu gewinnen. Ähnlich war es damals schon im Team von Carmichael, der die Motorräder ja sogar noch selber gefahren ist und die Probleme auch erkannt hat. Aber geändert hat sich nichts. Sie wollen alle nur ihren eigenen Kram machen.»

Den entscheidenden Faktor zum Erfolg sieht Klepka in der Analyse: «Davon sind die meisten meilenweit entfernt. Es gibt immer Sachen, die beim Analysieren auch weh tun, aber nur so kommst du auf einen Nenner.»

Gleich zu Beginn seiner Honda-Zeit im Jahre 2017 kam es zu dem folgenschweren Crash am 21. Januar 2017 beim 3. Lauf der Saison, Anaheim 2. Zuvor hatte Ken den Saisonauftakt in Anaheim und das zweite Rennen in San Diego souverän gewonnen. Dann folgte der Horrorcrash am 21. Januar, der beinahe das Karriereende des Deutschen verursacht hätte. «Diesen Unfall muss ich auch nicht Kenny zuschreiben», grübelt Heiko. «Das habe ich denen hundertmal gesagt, denn es hatte sich bei dem Monster-Rennen schon abgezeichnet. Er hätte ja dort die Million gewonnen, wenn er den Abstieg nicht gehabt hätte. Der Fahrfehler, den er sich dort geleistet hat, war nicht schlimm, aber das Motorrad hat es nicht verziehen. 3 oder 4 Wochen später, beim Crash in Anaheim, hat es das Motorrad wieder nicht verziehen. So etwas passiert eben, wenn du solche Leute hast. Aber du hast dich dem Team verschrieben und du musst es so hinnehmen.»

Selbst Heiko, der Kens Talent entdeckte und seine Karriere aufbaute, konnte trotz dieser Erkenntnis am Ende nicht viel tun. «Das Ärgerliche ist, dass ich ihn eigentlich nur retten kann, wenn er am Boden ist. Sobald er einigermaßen wieder steht, will er wieder alleine losrennen. Er ist auch kein Mensch der Konfrontation. Aber wenn beide Seiten gewinnen wollen, muss jeder seine Meinung sagen können, um Probleme auszumerzen. Das vermisse ich immer bei Kenny, denn du musst manche Sachen anschieben. Heute muss ein Team am Fahrer dran sein. Es gibt täglich Neuerungen. Sobald ein Fahrer gelöst ist und gute Laune hat, dann läuft es auch. Wir waren eine Woche mit meinem Fahrwerksmann Rolf Ringwald in den USA beim Testen: Canard und Kenny konnten die Strecke schon nicht mehr sehen, aber wir durften die Sachen dann nicht einsetzen, denn es sind immer politische Entscheidungen im Spiel. Dann kommt eben so ein Privat-Team wie Genuine, schiebt ein Serienmotorrad aus dem Laden, holt einen Fahrwerks-Fritzen ran, der sich ein bisschen auskennt und dann fährt Kenny in Paris plötzlich solche Rennen, wo wir dachten, dass das mit diesem Motorrad gar nicht geht. Das Gold liegt dort herum und sie bekommen es nicht zusammen. Das muss ich Honda an die Fahne schreiben.»

Das Fahrwerk der Genuine Honda kam von Factory Connection. «Sie haben uns auch bei HRC mit Teilen versorgt, aber was funktioniert hat, durften wir nicht benutzen. Das ist für einen Fahrer frustrierend. Anstie war nach zwei Testtagen ganz begeistert. Factory Connection arbeitet schon ewig lange mit Honda zusammen. Aber wenn das funktioniert hätte, hättest du ja wieder den verantwortlichen Mann bei Honda in den Schatten gestellt und das ist nicht gewollt und der Fahrer muss darunter leiden. Aber es ist so: Wenn du den Vertrag unterschreibst, hast du dich der Marke verschrieben und du kannst nur versuchen, das Beste daraus zu machen, auch wenn du um Platz 10 fährst. Honda wollte ihn haben und sie meinten, er wird es schon irgendwie hinkriegen, aber heute geht es um Hundertstel und Tausendstel Sekunden, da gibt es nicht viel Spielraum. Wenn ein Fahrer weit weg von seiner Pace ist, wirft das Fragen auf. Wenn mein Junge im Zeittraining nicht ganz oben steht, weiß ich, dass etwas nicht funktioniert. Ich muss an dieser Stelle erst einmal eine Zeit sehen. Und wenn bei den Outdoors schon dort eine Sekunde fehlt, dann wird am Schluss eine halbe Minute daraus. Bei der Supercross-WM und auch in Paris hat Ken alle Superpoles auf den Punkt abgedrückt. Das ist kein Zufall. Ken hat mit gesagt, dass er mit dem Motorrad vom letzten Jahr in Paris nicht mitgefahren wäre. Am Freitag war Kenny mit dem Chassis der Genuine Honda noch nicht einmal zufrieden. Er hatte für das Supercross schon die nächste Stufe erlangt, wollte aber das Team auch nicht so stark strapazieren und hat es dann so hingenommen. Aber mit der Freude und dem Spaß hat er dort abgeliefert. Wenn das ein Teamchef und das Team nicht erkennen, dann ist alles zu spät.»

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