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DTM vor 35 Jahren: Eine teure Wette mit Audi

Kolumne von Rainer Braun
​Warum zwei Journalisten im Juli 1990 Audi-Sportchef Herwart Kreiner und Technik-Vorstand Jürgen Stockmar 48 Flaschen Champagner abliefern mussten.

Zunächst zur Vorgeschichte: 1990 fuhr Audi mit dem V8 quattro die erste DTM-Saison. Beim Flugplatzrennen Mainz Finthen stand der fünfte Doppellauf an. Hans-Joachim Stuck hatte 14 Tage zuvor auf der Avus schon beide Läufe locker gewonnen und rückte der Tabellenspitze gefährlich nahe. Mit den beiden Siegen in Berlin begann es bei der Konkurrenz zu brodeln.

Man vermutete eine zu niedrige Basis-Gewichtseinstufung. Die erfolgte nach einem Handicap-Reglement, das die Hersteller verpflichtete, unter anderem die PS-Daten ihrer Triebwerke per Leistungs-Diagramm offen zu legen. Als Faustregel galt: Je größer der Hubraum und je reichlicher die Leistung, desto höher das Einstufungs- Basisgewicht des betreffenden Herstellers.

Bei den 3,6 Litern Hubraum des Audi V8 quattro gab es nichts zu verheimlichen, wohl aber bei der Leistung. 400 PS gaben die Ingolstädter für die Gewichts-Einstufung zu Saisonbeginn zu Protokoll, was ein Basisgewicht von 1220 kg ergab. Nicht nur die Mitbewerber BMW, Mercedes und Opel, sondern auch auto motor und sport-Kollege Norbert Haug und der als 3sat/ZDF-Kommentator tätige Autor dieser Geschichte hegten den Verdacht, das Audi mit den PS tiefstapelt.

In Mainz-Finthen konfrontierten wir Audi-Sportchef Herwart Kreiner und Technik-Vorstand Jürgen Stockmar mit unserer Vermutung, dass der Audi V8 mindestens 430 PS oder mehr haben müsse und vertraten diese Meinung auch unverblümt bei unserer Arbeit.

Die beiden Audi-Männer zeigten sich empört, zumal als Folge der ganzen Diskussion um die PS-Leistung das Thema von der ONS (heute DMSB) auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Technik-Kommission gesetzt wurde.

Derweil versuchte Stockmar noch mit treuem Blick, Haug und mir zu erklären, dass wir mit unserem Verdacht auf dem Holzweg sind. Weil wir aber bei unserer Meinung blieben, bot uns Stockmar eine Wette an. Für jedes PS unter den von uns vermuteten 430 Pferdchen sollte jeder von uns beim DTM-Wochenende am Norisring je eine Flasche guten Champagners abliefern.

Leider hatten wir im Eifer des Gefechts vergessen, die entsprechende Gegenleistung zu unseren Gunsten festzulegen, falls sich herausstellt, dass mehr als 400 PS in Finthen im Spiel waren. Dieses Versäumnis sollten wir noch bereuen.

Für den Nachweis wurde der Leistungsstand von Mainz per Diagramm vereinbart. Zwischen Finthen und Norisring erhöhte die DTM-Kommission der ONS das Basisgewicht des V8 quattro für die beiden DTM-Rennen in Wunstorf und am Nürburgring um 80 kg auf zunächst 1300 kg. Audi wehrte sich dagegen mit allen Mitteln, worauf man sich auf einen Kompromiss von 1250 kg einigte.

Das Unheil für uns als Wettpartner nahte schon zwei Wochen später in Form eines offiziellen Leistungs-Diagramms, das uns die Herren Kreiner und Stockmar in Wunstorf triumphierend unter die Nase hielten.

Hierin wurden dem V8-Allradler für Mainz-Finthen gerade mal 406 PS bescheinigt.

Wir waren erstmal sprachlos, denn das hätte bedeutet, dass Haug und ich für die Differenz zwischen 406 und 430 PS tatsächlich je 24 gleich 48 Flaschen Champus berappen müssen. Kein Fusel wohlgemerkt, abgemacht war eine gängige Premium-Marke. Anzuzweifeln gab es nichts, Diagramm ist Diagramm, und überhaupt galten Kreiner und Stockmar ja als Ehrenmänner.

Anfang Juli rückten wir, wie es sich für anständige Verlierer gehört, mit 48 Flaschen «Lanson Brut» am Norisring an. Stucks erneut siegreicher Audi mit der berühmten Startnummer 44 wurde am Dutzendteich in Position gebracht, der edle Trunk auf der Motorhaube zur Übergabe drapiert.

Kreiner schmunzelte, Stuck lachte lauthals und ließ gleich mal einen Korken knallen. Die Deppen waren wir beide, daran gab’s nichts zu rütteln. Da war auch Kreiners süffisant vorgetragene Info wenig tröstlich, «dass wir hier an der Noris mit 415 PS gefahren sind».

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht mehr zu sorgen – dieses gute alte Sprichwort wurde für uns bei den nächsten DTM-Rennen zum ständigen Begleiter. Sowohl aus dem BMW- als auch dem Mercedes-Lager belächelten uns die Techniker mitleidig ob unserer Gutgläubigkeit.

Und als beim denkwürdigen DTM-Finale im Oktober 1990 in Hockenheim in beiden Läufen jeweils gleich alle drei Audi V8 locker vorneweg fuhren und durch Stucks Doppelerfolg der Titel nach Ingolstadt ging, schienen die Karten endgültig aufgedeckt.

«Die haben uns doch das ganze Jahr über verarscht und sind immer nur so schnell gefahren, wie sie grad mussten um nicht noch mehr Basisgewicht aufgebrummt zu bekommen», lamentierte nicht nur der der im Endlauf deutlich distanzierte Mercedes-Topchauffeur Klaus Ludwig frustriert.

Die Experten-Schätzungen über die tatsächliche Leistung schwankten beim Finale 1990 zwischen 450 und 500 PS. Jahre später, als Audi längst im Krach um technische Fragen mitten in der Saison 1992 Knall auf Fall aus der DTM ausgestiegen war, wurden dann doch noch einige ehemalige Ingolstädter Audi-Techniker im kleinen privaten Kreis gesprächiger.

In trauter Runde bescheinigten man dem V8-Motor von 1990 ganz offen ein Leistungsvermögen von bis zu 500 PS. Die gigantische Power soll aber wohl nur häppchenweise genutzt worden sein, wenn es mit dem Siegen grad mal eng wurde.

Spätestens jetzt wurde uns endgültig klar, dass wir wohl ein paar Flaschen Champagner zu viel abgeliefert hatten.

Norbert Haug, inzwischen frischinstallierter Mercedes-Sportchef mit Saubermann-Image, beschloss den Fall auf seine Art mit einem versöhnlichen Augenzwinkern: «Wenn wir denen schon auf den Leim gegangen sind, hätten sie uns ja wenigsten zum Mittrinken einladen können.»

Haben sie aber nicht – und wo der Nobby Recht hat, hat er Recht.


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