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Alex Doringer (KTM): Wie es zum Penalty von Honda kam

Von Günther Wiesinger
Alex Doringer, siegreicher Manager des Red Bull KTM-Werksteams bei der Dakar-Rallye, ärgert sich immer noch für den Betrug von Honda beim Wettkampf in Südamerika 2017.

Zum 16. Mal hintereinander hat KTM in diesem Jahr die Dakar-Rallye gewonnen, mit Sam Sunderland und Matthias Walkner gelang den Österreichern sogar einen Doppelsieg – gegen Honda und Yamaha und gegen die eigene Zweitmarke Husqvarna.

Stefan Pierer, CEO der KTM Group, bezeichnete Honda letzte Woche als meistgehassten Gegner. Pierer: «Honda ist der große Gigant. Trotzdem versucht Honda immer zu betrügen. Schaut euch an, was bei der Dakar-Rallye 2017 passiert ist und was in der Moto3 vorgefallen ist.»

Worauf Pierer anspielte: Honda tankte bei der Dakar-Rallye im Januar illegal nach, alle Werksfahrer bekamen deshalb 60 Strafminuten. Und in der Moto3 hat sich vor einem Jahr herausgestellt, dass die Honda-250-ccm-Motoren 2015 über das Drehzahllimit von 13.500/min hinausdrehten. Das berichteten verschiedene Teams und Techniker, die von Honda zu KTM gewechselt waren.

«Es ist immer das Gleiche bei Honda», wetterte Pierer. «Ich weiß nicht, warum sie das tun. Sie haben das nicht notwendig. Aber anscheinend ist das der Stil von Honda. Und das ist der Grund, warum wir Honda so gern besiegen.»

Alex Doringer ist der erfolgreiche Feldherr des Dakar-Projekts, er agiert seit 2009 als Teammanager und hat seither acht Siege in Serie zu verantworten. Er wird glänzend unterstützt durch den bewährten Technical Director Stefan Huber. Im Gespräch mit SPEEDWEEK.com erklärt Doringer das Nachtank-Fiasko des Honda-Werksteams bei der Dakar 2017.

Alex, es gab bisher sehr widersprüchliche Berichte bezüglich der Strafe für Honda. Honda feierte sich dann als «moralischer Sieger», der goldene Tuareg als Siegertrophäe sei ihnen gestohlen worden, wurde von Honda behauptet. Was ist auf dieser vierten Etappe passiert? Hat Honda den Verbrauch falsch kalkuliert?

Das lässt sich recht einfach erklären. Am Vortag einer Etappe findet nach jeder Zielankunft ein Briefing statt. Da wird festgelegt, wie die Etappe am nächsten Tag aussieht, wo sich die Tankstopps befinden, wie die Kilometer aufgeteilt werden.
Da gibt es die Speziale, die Liaison oder die Neutralisation, wie in unserem Fall, und so weiter.
Danach berechnen die Teams, wie viel Sprit sie brauchen. Wir haben gewusst, dass es in der Neutralisation sehr wohl eine Tankstelle gibt, die aber von der Strecke 1,5 km weg ist. Sie war deshalb nicht für Tankstopps in der Neutralisation eingeplant.
Deshalb haben wir unseren Fahrern aufgeschrieben, sie müssen vor der Etappe volltanken, denn es waren mehr als 800 km zu fahren. Unsere Tanks umfassen um die 34 Liter.
Wir haben gewusst, dass nach der «Speziale» (Sonderprüfung) kein Tankstopp erlaubt ist. Wir mussten aber trotzdem ins Ziel kommen... Und ohne Sprit ist nichts los.

Was genau versteht man als Neutralisation?

Das ist bei so einer Marathon-Rallye ein Teil der Rennstrecke, der aber aus irgendwelchen Gründen nicht auf Zeit gefahren wird, sei es wegen des Wetters, wegen des Verkehrs, wie auch immer. Sie ist aber Teil der Gesamtstrecke, zählt also von den Kilometern zur Speziale dazu. Die Neutralisation ist auf jeden Fall Teil des Renngeschehens. Und im Renngeschehen darfst du die Rennstrecke nicht verlassen, auch nicht zum Nachtanken.
Unsere Fahrer haben ihre Motorräder so betankt, dass sie ausreichend Sprit hatten, um ins Ziel zu kommen.

Und die Honda-Fahrer?

Die haben ihre Motorräder nur zur Hälfte betankt, weil sie gesagt haben, in der Neutralisation ist eh noch eine Tankstelle. Das war der Fehler, den sie gemacht haben. Die Tankstelle war sehr wohl da, aber sie war nicht für Tankstopps vorgesehen.

Im Honda Press Release wurde nachher von einem «umstrittenen Reglement» gesprochen. Aber das Reglement ist klipp und klar?

Ja, das Reglement ist ganz klar. Honda hat nicht nur einen Paragraphen vom Reglement gebrochen, sondern mehrere, deshalb habe ich den Protest gemacht.
Das besagte Vergehen nennt sich zum Beispiel «outside assistance», also quasi fremde Hilfe, das ist zu vergleichen, wie wenn dir ein anderer ein Rad überreicht, das darfst du auch nicht einbauen. Die «outside assistance» war die Ursache für den 60-Minuten-Penalty, den alle Honda-Fahrer bekommen haben.

Honda hat diesen Penalty nie wirklich akzeptiert, sie bezeichneten ihn als ungerechtfertigt. Die Strafe hätte aber viel höher ausfallen sollen? Sogar eine Disqualifikation wäre möglich gewesen?

Richtig. Der Penalty wird immer von den Offiziellen festgelegt. Im Regelwerk steht: «3 Stunden bis hin zur Disqualifikation.»
Ich bin zum Veranstalter gegangen und habe ihnen erklärt, dass das kein geringfügiges Vergehen ist, sondern ein riesiges, vergleichbar mit dem Rausholen eines Motorrads aus dem Parc Fermé. Denn unsere Jungs sind mit 15 kg zusätzlich gefahren bis zur Neutralisation. Bei Honda sind sie in dieser Phase mit einem deutlich leichteres Motorrad unterwegs gewesen.
Und das war genau der Tag, an dem Vorjahressieger Toby Price gestürzt ist. Er hat nicht kapieren können, warum Barreda auf der Honda in einem technisch anspruchsvollen Bereich schneller fahren konnte als er. Denn Toby ist über dem Limit gefahren, dadurch hat er sich arg verletzt.
Meine Erklärung dazu: Mit einem 15 kg leichteren Motorrad wäre Toby das Schnellfahren an diesem Tag wesentlich leichter gefallen. Das war für meinen Protest zusätzlich ausschlaggebend.

Warum hat Honda dann nur 60 Strafminuten bekommen?

Es ist im Reglement festgelegt, dass die endgültige Entscheidung bei den Funktionären vor Ort liegt. Ich habe ihnen gesagt: «Ihr verliert euer Gesicht, wenn ihr für ein Riesenvergehen den kleinstmöglichen Penalty vergebt.»
Ich habe nachher von ihnen gehört, ich soll froh sein über die 60 Minuten, sie hätten nämlich sogar über eine Strafe von nur 10 oder 15 Minuten nachgedacht.
Aber das Feedback der anderen Hersteller wie von Yamaha lautete: Sie waren über die geringe Strafe von 60 Minuten so sauer wie wir.
Honda hat dann nach Ausreden gesucht und erklärt, es hätten alle stehen bleiben müssen, weil alle Fahrer Bauchweh gehabt hätten, und so weiter. Und es sei im Briefing nicht gesagt worden, dass man nicht stehen bleiben darf.
Es ist aber im Briefing auch nicht gesagt worden, dass dort ein Tankstopp erlaubt ist.
Mir ist es ums Prinzip gegangen. Es soll keiner mit einem minimalen Penalty davon kommen, wenn er so ein Riesenvergehen begeht.
Seit ich dabei bin, haben wir immer fair gearbeitet, und das war unter meinem Vorgänger bei KTM, Hans Trunkenpolz, nicht anders.
Ich habe bisher auch noch nie einen Protest gemacht. Für mich ist Fairplay das Wichtigste, was es gibt, Aber diesmal liess sich der Protest nicht vermeiden.
Der 1-Stunden-Penalty war ein Witz.
Ich hätte niemals eine Disqualifikation verlangt. Ich will ja, dass Honda mit dem Werksteam dabei ist und wir sie fair besiegen. Aber wenn die geringste Strafe drei Stunden heisst, muss es auch drei Stunden geben.
Wenn sich Honda nachher als moralischen Sieger bezeichnet, dann müssen sie vorher fair sein... Zu einem sportlichen Wettbewerb gehört das Regelwerk dazu, und da muss ich wissen, wie viel ich tanken muss.
Wenn keine erlaubte Tankstelle vorhanden ist, kann man nicht nachtanken.
Honda hat einen grundlegenden Fehler gemacht. Barreda hätte ja auf einen zurückliegenden Teamkollegen warten und sagen können «Hey, ich brauch’ von dir einen Sprit.»
Von einem Fahrer, der sich im Bewerb befindet, darf ich so eine Hilfe annehmen. Deshalb wurde der Penalty mit «outside assistance» betitelt. Die ist verboten!
Aber Honda hat ja mehrere Vergehen gemacht: Du darfst die Strecke auf der Neutralisation nie verlassen, weil sie Teil des Rennabschnitts ist. Wenn du da rausfährst, ist das ein schlimmes Vergehen. Wenn man zum Beispiel mit einer Maschine aus dem Parc Fermé rausfährt, bekommt man zehn Stunden Penalty.

Für nächstes Jahr hat Red Bull-KTM wieder ein starkes Dakar-Werksteam?

Ja, wir haben den Vertrag mit Toby Price verlängert, mit Matthias Walkner auch. Sam Sunderland und Antoine Meo werden 2018 auch dabei sein. Wir sind froh, dass er sich von der Dakar 2016 wieder erholt hat, das war ein harter Weg zurück für ihn.
Ich bin superglücklich mit der Performance von Matthias, er hat fantastische Arbeit geleistet.

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