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Mike Rockenfeller: «Dann redet da keiner mehr von»

Von Andreas Reiners
Champion Mike Rockenfeller

Champion Mike Rockenfeller

Der DTM-Champion im exklusiven Interview über Typen in der DTM, gestiegene Erwartungen, dumme Fragen und seinen Teamchef Ernst Moser, der auf den Kommandostand einschlägt.
Mike, du hast jetzt die Nummer eins auf deinem Auto. Hast du dich als neue Audi-Speerspitze persönlich verändert?

Nein. Ich glaube auch gar nicht, dass ich die Speerspitze bin, nur weil ich jetzt die Nummer 1 habe und der amtierende Meister bin. Ich denke, wir haben schon ein paar Speerspitzen und ich spüre da auch keine Veränderung. Ich habe die Meisterschaft gewonnen, aber deswegen bin ich ja kein anderer Fahrer, kein anderer Mensch. Ich habe nicht viel verändert. Wenn ich im Auto sitze, mache ich die gleichen Aussagen wie vorher.

Wirst du jetzt von anderen Fahrern, vor allem den Jüngeren, öfter mal um Rat gefragt?

Nein. Wir haben jetzt den Nico Müller, der kann schon zu jedem kommen. Der spürt ja selber, ob er bei einem in offene Türen rennt oder eben nicht. Außerdem ist er selber so gut, dass er da nicht mehr viel braucht. Fahrer sind ja schon ein Stück speziell, man zeigt nicht gerne Schwächen. Die meisten haben damit ein Problem, und wenn du mal um Hilfe fragst, dann ist das fast schon gefühlt wie eine Schwäche.

Du warst ja jetzt in den letzten Monaten sehr viel unterwegs. Hast du Veränderungen bemerkt, was deinen Bekanntheitsgrad angeht?

Mehr oder weniger. Das merkt man schon, aber sicher nicht in dem Ausmaß wie als Formel-1-Weltmeister. Sicher bist du ein bisschen gefragter als Meister. Das geht aber auch schnell wieder vorbei. Wenn ich jetzt hier ein paar Rennen schlecht bin, da redet da keiner mehr von.

Waren die ganzen Interviews ein lästiges Übel für dich oder machst du das gerne?

Es gibt welche, die sind nicht so dolle. Manche, die mache ich aber super gerne. Es kommt auch drauf an, wie der Journalist ist, was man so gefragt wird. Da würde man manchmal gerne wie der Klopp reagieren. Zum Beispiel die Standardfrage: ‚Was ist denn dein Ziel dieses Jahr?‘

Was ist denn dein Ziel dieses Jahr?

(Lacht) Ganz klar 15. Also wirklich 15. Solider 15. Das wäre schon Top nach der Meisterschaft im letzten Jahr.

Du stapelst grundsätzlich sehr tief, was?

Im Ernst. Das Ziel ist doch klar: Erst einmal schauen und wenn das Ding geht und wir sind so gut, dass wir um Rennsiege fahren können, dann ist das Ziel die Meisterschaft. Sind wir nicht gut genug, ist das Ziel, der beste Audi zu sein. Mehr kann ich dann ja nicht machen. Ziel ist es auch, mich dort zu verbessern, wo ich mich verbessern kann. Das sind meist Kleinigkeiten. Und dann schauen wir, was dabei herausrauskommt. Du weißt ja, hast du in der DTM zweimal Pech, dann bist du weg vom Fenster.

Du bist im vergangenen Jahr mit dem Druck sehr locker umgegangen. Verspürst du jetzt den Druck der gestiegenen Erwartungen?

Ja, die Erwartung ist natürlich da, aber im Moment habe ich eher weniger Druck, denn den machst du dir selber. Ich habe natürlich den Anspruch, an das letzte Jahr anzuknüpfen. Aber im Moment würde ich sagen, bin ich eher entspannter, weil du nicht mehr diesem Titel hinterher läufst. Ich kann ja eh nicht hexen. Ich kann ja nur versuchen, gut zu sein. Und wenn’s nicht geht, geht’s leider nicht.

Die Typen-Diskussion wird die DTM noch einige Zeit verfolgen. Was denkst du über das Dauerthema?

Ich glaube, die Typen haben wir, aber die werden halt nicht gezeigt. Wenn zum Beispiel Ernst Moser auf den Kommandostand einschlägt, wäre das schon etwas, was man den Leuten zeigen kann. Es ist immer die Frage, wie du das rüberbringen kannst und wie viel Gelegenheit du dazu hast. Auch die Fahrer sind, wenn sie mal ein bisschen mehr von der Leine gelassen werden, Typen und haben ihre Emotionen. Aber es ist schwierig, wenn alle gleich aussehen und alle das gleiche sagen sollen. Dann kannst du dich nicht so sehr entwickeln.

Darfst du sagen was du denkst?

Ja, grundsätzlich kann ich schon sagen, was ich denke. Aber natürlich sind wir immer geführt und haben keine Alleinstellung. Es gibt genug Fahrer, die darauf warten, unseren Job zu machen. Also ist keiner so sicher, dass er einfach mal was sagen kann, was seinem Arbeitgeber vielleicht nicht so gut gefällt. Das ist auch in Ordnung. Aber weißt du: Jeder hat die gleiche Hose an, jeder hat die gleichen Schuhe, jeder hat die gleichen Hemden, jeder hat die gleiche Jacke – also eigentlich kannst du alle anschauen und wir sehen alle gleich aus. Wie willst du den Unterschied machen? Wie willst du sagen, ich bin der Typ, ich bin der Typ?

Das ist nicht so einfach, aber ich glaube, wir haben die Leute. Der Fußball hat natürlich eine andere Möglichkeit sich im TV darzustellen als wir, weil er einfach immer und überall präsent ist. Das haben wir im Moment nicht so und dadurch ist es dann natürlich auch schwer, an die Leute heranzukommen. Aber natürlich gibt es irgendwo eine Sprachregelung. Du kannst nicht alles sagen, was du willst. Du musst immer aufpassen. Keiner von uns will den Job verlieren.

Aber die ARD ist da ja auch schon gefordert, mehr als nur die Helme zu zeigen…

Ich denke schon. Du hast meistens den Helm an während der Übertragung und dann ist es schwer als Fahrer sich außer über die Rundenzeit und deine Platzierung zu definieren.

Was hältst du denn von DTM-Sondersendungen? Also zum Beispiel einmal in der Woche eine Art aktuelle Stunde DTM?

Ja, super! Ich find das alles toll. Ich fände auch Vorberichte oder Nachberichte toll. Ob die jetzt in der ARD kommen oder in anderen dritten Programmen. Das ist das, was die Leute meiner Meinung nach sehen wollen. Die wollen sehen, wer steckt denn dahinter? Das ist alles hochinteressant, aber es ist halt schwer die Masse zu kriegen, wenn das keiner sehen kann.

Was für einen Teamkollegen wünscht man sich als Rennfahrer? Kann man befreundet sein?

Das ist ein schwieriger Grad. Die beste Mischung ist, wenn man neben der Rennstrecke Spaß machen und lachen kann und sich auf der Rennstrecke hart duelliert. Wenn man auf einem Niveau fährt, über ein paar Rennen oder über das Jahr, dann wird es aber auch meistens unentspannter neben der Rennstrecke. Für mich steht es im Vordergrund, dass mein Teamkollege mich sportlich fordert. Der Rest ist wie im normalen Leben. Da hast du Freunde oder weniger gute Freunde oder Leute, die du nicht magst.

Wie sehr magst du Timo Scheider?

Wir müssen nicht die allerbesten Freunde werden, aber wir verstehen uns gut. Also er ist sicher einer, mit dem ich mehr lache neben der Strecke wie mit manch anderem von Audi und da passt alles. Und der Rest, der wird sich in der Saison in den Krisensituationen zeigen. Mit dem Timo kann ich auch weggehen und Spaß haben neben der Strecke. Also das ist alles easy. Wir verstehen uns gut und das bleibt vielleicht so oder vielleicht auch nicht.

Kann sich sowas dann über die Saison nachhaltig ändern?

Ja, klar, natürlich.

Aus welchen Gründen?

Wenn du irgendwie das Gefühl hast, jemand ist link oder hintergeht dich oder sticht dir das Messer in den Rücken in der entscheidenden Situation, dann verändert sich die Situation. Aber natürlich auch im Positiven: Wenn man sagt: ‚Es ist so geil, wir sind so offen miteinander, wir erzählen, jeder hilft sich gegenseitig‘ - das finde ich die optimale Variante. Und am Ende schaut man, war der andere heute besser oder war ich heute besser?

Was hältst du vom neuen Reglement?

Wenn es besser ist für die Zuschauer, dann ist es gut. Wenn es nicht besser ist, ist es schlecht.

Wie sehr beschäftigt man sich als Fahrer damit?

Ach kaum.

Auch nicht mit dem Zusatzgewicht?

Mit dem Zusatzgewicht komischerweise gar nicht. Mit dem Reglement natürlich schon, weil ich fand das im letzten Jahr ganz cool mit den Möglichkeiten, mit dem Freiraum. Ich hätte sogar noch mehr Freiraum gelassen, so aus fahrertechnischer Sicht und Teamsicht, verstehe aber komplett auch die andere Seite. Also muss man jetzt auch mal abwarten, ob es denn den Effekt hat, den man sich davon auch verspricht. Ich finde grundsätzlich gut, dass man versucht, da was zu tun und einzugreifen.

Das Gewicht hatten wir schon. In einer anderen Form, etwas, aber im Prinzip gab es das schon. Es gab auch schon ein eingeschränkteres Boxenstoppfenster. Jetzt haben wir einen Boxenstopp, das ist neu. Aber das ist jetzt auch nicht so, dass man sagt, das Rad ist jetzt neu erfunden. Aber ich glaube, man reagiert. Wir haben immer noch zwei Reifenmischungen, man kann immer noch versuchen, da einen Unterschied zu machen. Es wird sicher interessant für alle, weil es eine neue Herausforderung wieder ist, damit umzugehen.

Wie groß ist denn die Gefahr, dass es wieder diese Verfolgungsfahrten gibt?

Ich habe meine Bedenken im Moment. Ich hoffe, sie sind nicht berechtigt.

Für wie realistisch hältst du das? Oder kann man das jetzt noch gar nicht einschätzen?

Meine persönliche Einschätzung: Es wird schwer zu überholen. Im vergangenen Jahr bist du zum Beispiel von Platz 15 auf Platz drei vorgefahren, und das bei einem normalen Rennen, also ohne Regen, ohne Safety-Car. In diesem Jahr halte ich es für gewagt, das zu schaffen.

Warum fragt man euch eigentlich nicht?

Es ist immer leicht für mich zu sagen: ‚Ich hätte es so gemacht‘. Ich hätte aber gesagt: ‚Wir machen noch einen Optionsreifen mehr, Boxenstopps so viele zu willst und jeder gibt sich eine Strategie, der eine fährt so, der andere fährt so.‘ Es gibt aber natürlich immer zwei Seiten und man kann das nicht jedem Fahrer oder jedem Team recht machen. Deswegen macht es auch nicht so viel Sinn, die Fahrer zu fragen. Am Ende versuche ich mich aufs Fahren zu konzentrieren und nehme das Reglement so, wie es ist. Du kannst auch nicht erwarten, bei dem engen Feld mit den Zeitabständen, dass du extrem viel überholst. Hockenheim ist ein guter Gradmesser. Wenn es hier kein spannendes Rennen zum Auftakt gibt, dann haben wir, glaube ich, ein Problem.

Du konzentrierst dich 2014 wieder hauptsächlich auf die DTM. Machst du dir schon Gedanken, was 2015 kommt?

Das liegt auch daran, wie ich dieses Jahr abschneide. Das hat natürlich auch mit dem Erfolg zu tun. Ich will Le Mans gerne wieder machen. Aber das muss der Rennkalender zulassen und dann wird am Ende das Programm von Audi schon passen. Nur im Moment bin ich super happy wie es ist, auch wenn ich keinen Sportwagen fahre. Ich würde natürlich gerne fahren, gerade jetzt, wo Porsche zurückkommt, aber ich habe in der DTM genug Herausforderungen und genug Gegner.

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